Digitaler Austausch ersetzt nicht den physischen Kontakt

  17.04.2020 Coronavirus

Das Vereinsleben ist vom Lockdown besonders betroffen. Die sozialen Kontakte fehlen Kindern wie Erwachsenen. Gegenseitiges Motivieren und Austauschen per digitale Medien hilft über die schwierige Zeit.

BLANCA BURRI/JENNY STERCHI
«Im Moment finden keine Proben statt», sagt Simon Hefti, Dirigent des Jodlerclubs «Gruss vom Wasserngrat». So und ähnlich geht es momentan allen Vereinen. Wie gehen sie damit um und welche kreativen Lösungen gibt es?

Wöchentliche Inputs
«Mir ist es ein grosses Anliegen, die Jodler zu motivieren und sie regelmässig zu informieren», betont Simon Hefti. Deshalb versendet er wöchentlich eine digitale Partitur. «Alle Clubmitglieder verfügen über dasselbe Programm. Sie können einzelne Stimmen abspielen oder sie mehrstimmig hören.» Alle Jodlerinnen und Jodler könnten so, wenn sie Lust hätten, ihre Stimmbänder trainieren.

Unter den Informationen gäbe es momentan leider nicht viel erfreuliches, alle Auftritte, auch die vom Kantonalen Jodlerverband, seien bis etwa Mitte Juni abgesagt worden. Das jährliche Konzert mit Theater konnte der Club im Februar glücklicherweise noch durchführen.

Der Musiktag, den die Musikgesellschaft Gstaad für den 16. Mai geplant hatte, musste abgesagt werden. «Das ist schon sehr frustrierend, wenn all die Vorarbeit, die bereits geleistet wurde, plötzlich für nichts war», sagt Philipp Reber, Vizepräsident der Musikgesellschaft Gstaad. Man habe 13 Bands und viele Helfer für den Anlass gewinnen können. Zunächst sei ein Verschieben in den Herbst zur Diskussion gestanden. Für dieses Datum hätten jedoch nur vier Bands zusagen können, und auch das unter Vorbehalt. «Daraufhin gab es für uns nur die Absage und das war dann schon sehr ärgerlich.»

Die Mitglieder der Musikgesellschaft lassen die Proben laut Reber derzeit ausfallen. Es wird auch kein Übungsauftrag für daheim verschickt und nicht per Video gemeinsam musiziert. «Ich nehme an, dass viele von uns dennoch daheim musizieren und üben», so Philipp Reber. Und natürlich ruhen die Hoffnungen darauf, dass bald wieder gemeinsam geprobt werden könne.

Die blaue Welle steht
Auch beim Turnverein Saanen-Gstaad sieht es nicht anders aus. Die meisten Anlässe im April und Mai sind abgesagt. Noch offen ist, ob der UBS-Cup am 16. Mai und damit der gschwindscht Saaner stattfinden wird. «Ich rechne aber nicht damit, dass wir ihn durchführen können», sagt Vereinspräsident Christian Berchten. Rund 140 Kinder und 100 Erwachsene turnen im Verein. Statt Teamsport heisse es plötzlich Individualsport. Die total neue Situation sei für alle nicht einfach. Natürlich versuche sich jede Gruppe über digitale Medien zu motivieren. Es gibt viele Anleitungen, Youtube-Filme und so weiter, um das Training aufrecht zu erhalten. «Aber das ist nicht dasselbe. Vielen Turnern fehlt die Struktur und der soziale Austausch.» Berchten ist froh, in einer so schönen und wenig bevölkerten Gegend zu wohnen, wo man raus könne. Bitterböse sei einfach, dass extrem viel Freiwilligenarbeit in die Anlässe gesteckt worden ist, die nun abgesagt worden sind.

Gut zu wissen, dass die Turngruppen selber den Austausch intern gut organisieren. So sorgt zum Beispiel das Fitness-Team Damen 50+ mit seiner Whatsapp-Gruppe dafür, dass die Neuigkeiten, die sonst in der Turnhalle ausgetauscht werden, auch ohne physischen Kontakt an die Frau kommen. «Natürlich freuen wir uns auf den Moment, wenn wir wieder zusammen in der Turnhalle sein dürfen», sagt Riegenleiterin Anita Moser. «Aber augenblicklich schreiben und telefonieren wir untereinander, sodass wir auf den sozialen Kontakt nicht verzichten müssen. Und alle sind froh, dass die Schweiz keine Ausgangssperre hat. So können wir immerhin Spaziergänge machen. Aber das Turnen selber fehlt halt schon.»

Der Ball rollt nicht
Auch beim FC Sarina steht der Spielbetrieb still, seit dem die Schulen geschlossen wurden. Auch hier gibt es verschiedene Chats, in denen das Heimtraining dokumentiert wird. «Der soziale Austausch ist nicht der Gleiche wie auf dem Platz, aber so bleiben wir wenigstens im Kontakt», sagt Patric Bill, Trainer der B Junioren auf Anfrage. Die Fussballer in der Zwangspause bekommen Trainingsaufgaben nach verschiedenen Schwerpunkten wie Kraft oder Kondition. Selbst eine Möglichkeit für Taktiktraining wurde gefunden. «Ich habe Spielzüge aus Spielen internationaler Clubs aufgezeichnet und an unsere Spieler verschickt. So können wir das taktische Spiel gemeinsam analysieren», erklärt Bill.

Bitter ist die Tatsache, dass sich die Teams vom FC Sarina ohne die Pandemie mitten in der Meisterschaft befinden würden. «Im Moment würden wir uns eigentlich dreimal pro Woche auf dem Platz befinden und den Ball rollen lassen», sagt Patric Bill und bekundet in diesem Zusammenhang seinen Zweifel, dass der Meisterschaftsbetrieb in dieser Saison noch aufgenommen wird. «Auch wenn die ausserordentliche Lage aufgehoben und die Massnahmen gelockert sein werden, so wird sich der gesamte Spielbetrieb nach dieser Krise möglicherweise etwas verändern. Mit der Ankündigung, dass Veranstaltungen bei den Lockerungen der Massnahmen am Schluss kommen, wird das Austragen von Turnieren und Spielen nicht so bald zu realisieren sein», ist Patric Bill überzeugt.

Der Spielbetrieb ruht ganz sicher noch bis zum 30. April. Für die Wiederaufnahme orientiert sich der FC Sarina an den Vorgaben des Verbandes und an der Öffnung der Schulen. «Auch wenn wir keine Matches spielen werden: Schon die Wiederaufnahme des Trainings wird für uns ein grosser Gewinn sein.»


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