«Hie läbe, hie ichoufe» – eine Aktion zur Unterstützung der lokalen Betriebe

  26.05.2020 Saanen, Wirtschaft

Der Gewerbeverein Saanenland, Gstaad Saanenland Tourismus und der Hotelierverein Gstaad Saanenland haben gemeinsam das Projekt «Hie läbe, hie ichoufe» zur Unterstützung des lokalen Gewerbes und der lokalen Gastronomie erarbeitet. Sämtliche Haushaltungen in Saanen bekommen eine Gstaad Gift Card mit einem Betrag zwischen 25 und 100 Franken. Die Gemeinde Saanen beteiligt sich an der Finanzierung des Projekts.

«Nachdem der Bundesrat den Fahrplan für die Lockerung aus dem Lockdown kommuniziert hatte, war für den Gewerbeverein klar, dass auch auf regionaler Ebene Hilfsmassnahmen für das Gewerbe erarbeitet werden müssen», heisst es in einer gemeinsamen Medienmitteilung. Mit Gstaad Saanenland Tourismus und dem Hotelierverein Gstaad Saanenland fand er dafür starke Partner. Zusammen haben sie ein Projekt erarbeitet, das dem Gemeinderat von Saanen mit dem Antrag zur Mitfinanzierung unterbreitet wurde.

Gutscheinformat: Gstaad Gift Card
Konkret bekommen sämtliche Haushaltungen in der Gemeinde Saanen eine Gstaad Gift Card mit einem Betrag zwischen 25 und 100 Franken – je nach Anzahl Personen. Die Gstaad Gift Card wurde vom GST als Geschenkgutschein und regionales Zahlungsmittel, zeitgemäss auf rein elektronischer Basis, vor zwei Jahren ins Leben gerufen. «Die Anforderungen, die das Projekt in technischer Hinsicht stellt, deckt die Gift Card ideal ab. So können Karten mit einem Verfalldatum versehen werden und das System sichert zu, dass das Geld in lokalen Geschäften landet», schreiben die Verantwortlichen.

Pragmatischer Geldbetrag
Bei der Finanzierung der Aktion habe sich die Gemeinde Saanen als Geldgeberin sehr offen gezeigt. Aus Zeitgründen wurde der Maximalbeitrag der Gemeinde Saanen auch auf Wunsch der Projektgruppe bei einem Maximum von Fr. 200’000.– festgesetzt. Der Gemeinderat hatte somit die Kompetenz, ohne Konsultation der Stimmbürger über das Projekt zu entscheiden. Andernfalls wäre das Projekt merklich verzögert worden und hätte einen wichtigen Aspekt – nämlich die rasche Umsetzung – nicht mehr erfüllen können, begründet die Projektgruppe. Die Gemeinde Saanen habe der Projektgruppe die Bedingung gestellt, dass das gesprochene Geld vollumfänglich der Bevölkerung zugutekommt. «Ausbezahlt wird am Schluss auch nur, was von der Bevölkerung eingelöst wurde.» Technische und administrative Kosten tragen die projektführenden Organisationen.

Abgestuft nach Haushaltsgrösse
Die Beträge auf den Gift Cards sind nach Grösse der Haushalte gestuft und ergeben sich aus der Anzahl Haushalte und dem zur Verfügung stehenden Geld. Einzelhaushalte erhalten – letzte Änderungen vorbehalten – 25 Franken, Zweierhaushalte 50 Franken und Haushalte ab drei Personen 100 Franken. Die Beträge können mit anderen Gift Cards kumuliert werden. Es kann alles auf einmal oder in beliebigen Schritten ausgegeben werden. «Hauptsache ist, die Bevölkerung nutzt die Gelegenheit und trägt das Geld in die lokalen Geschäfte und Restaurants. Denn nur was die Bevölkerung ausgibt, landet bis Ende September in der Kasse der regionalen Betriebe.»

Unterstützung für lokale Betriebe
Mit dem Projekt sollen jene Gewerbezweige unterstützt werden, welche am stärksten unter den Corona-Massnahmen des Bundes gelitten haben. «Der Detailhandel und die Gastronomie waren durch die wochenlange Zwangsschliessung sehr stark betroffen und stehen daher im Zentrum der Aktion.» Anstatt das Gewerbe und die Gastronomie durch Direktzahlungen oder Abgabenerleichterungen zu stützen, will man mit der Gift-Card-Aktion die lokale Bevölkerung in die Geschäfte und Restaurants locken. «Direkt an die Bevölkerung verteiltes Geld soll den regionalen Betrieben zu mehr Frequenzen und Umsatz verhelfen.»

Bis Ende September gültig
Das primäre Ziel des Projekts sei die Unterstützung lokaler Betriebe. «Bei der Ausarbeitung der Idee wurde darauf geachtet, dass möglichst viele profitieren können. So wurde entschieden, die Gelder an die Bevölkerung auszuzahlen – natürlich mit der Bedingung, dass das Geld auch lokal ausgegeben werden muss – und somit auch die Bevölkerung etwas davon hat.» Das Projekt soll möglichst rasch Gelder in die Kassen der hiesigen Betriebe bringen und wurde in diesem Sinne als Sofortmassnahme angedacht. «Deshalb müssen die Gelder, die der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden, innerhalb von etwa drei Monaten ausgegeben werden.» Das heisst, die Gift Card ist bis Ende September gültig.

Mittel- und langfristiger Nutzen erhofft
Durch die Entscheidung, die Verteilung der Gelder über die Bevölkerung zu organisieren, erhoffen sich die Projektverantwortlichen nebst der sofortigen, finanziellen Wirkung auch einen mittel- und langfristigen Nutzen. «Es gilt, die Bevölkerung für die Berücksichtigung der lokalen Betriebe zu sensibilisieren. Die Aktion soll die Menschen in die lokalen Betriebe bringen, den Kontakt zu Gewerblern und Gastronomen/ Hoteliers fördern und die Wichtigkeit einer funktionierenden Wirtschaft im regionalen Raum aufzeigen.» Der Detailhandel und Gastrobetriebe seien gerade jetzt, aber auch in Zukunft, auf die Unterstützung in Form von einer treuen lokalen Kundschaft angewiesen. Dies soll indirekt gefördert werden.

Jahresgebühr wird erlassen
Zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des Projekts waren etwa 120 Geschäfte am System der Gstaad Gift Card angeschlossen. Die Projektgruppe hofft nun darauf, dass möglichst viele Betriebe, welche die Gift Card noch nicht als Zahlungsmöglichkeit anbieten, im Zuge dieser Aktion Gift-Card-Partner werden. Um mögliche Hürden abzubauen, werde neuen Betrieben die einmalige Aufschaltgebühr inklusive Schulung erlassen und sowohl bisherigen wie neuen Betrieben werde die Jahresgebühr einmalig geschenkt. «Damit entstehen für die Gewerbetreibenden keine Kosten, um an der Aktion teilzunehmen», heisst es in der Mitteilung.

PD/ANITA MOSER


Fragen an Toni von Grünigen

Die Gemeinde Saanen trage gerne einen kleinen Teil dazu bei, die Wirtschaft wieder anzukurbeln, sagt Gemeindepräsident Toni von Grünigen.

INTERVIEW: ANITA MOSER

Die Gemeinde Saanen stellt für die Aktion 200’000 Franken zur Verfügung. Weshalb unterstützen Sie das Projekt?
Es ist eine gute Initiative – eine gemeinsame Initiative von verschiedenen Verbänden. Wir tragen gerne einen Teil dazu bei, die Wirtschaft wieder anzukurbeln, indem die Leute wieder lokal einkaufen und essen gehen. Und die Aktion kommt allen zugute. Sie ist auch ein kleiner Dank an die Bevölkerung, dass sie während des Lockdowns die Weisungen so gut befolgt hat.

Wie Sie erwähnen, ist es eine gemeinsame Initiative vom Gewerbeverein, von Gstaad Saanenland Tourismus und vom Hotelierverein. Hätte die Gemeinde von sich aus etwas gemacht?
Nein, nicht in dieser Form. Wir unterstützen die Grossanlässe, das ist unsere Aufgabe. Die vier Grossanlässe – Beach, Tennis, Menuhin Festival und Polo – bekommen die Gemeindebeiträge, obwohl sie abgesagt werden müssen. Aber auch neue Anlässe werden wir mit einem «Corona-Bonus» unterstützen.

Was heisst das konkret?
Wir werden als Gemeinde die Gesuche für Anlässe mit einem höheren Beitrag als üblich unterstützen.

Was sagen Sie als Gemeindepräsident zum Verhalten der Bevölkerung?
So weit ich es beurteilen kann, haben die Leute die Weisungen des Bundes weitgehend befolgt. Das ist ein Hauptgrund, dass die Einschränkungen nun gelockert werden können. Auf der Gemeinde sind relativ wenige Reklamationen eingegangen. Aber jetzt merkt man, dass es die Leute hinauszieht, dass sie langsam genug haben von den Einschränkungen.

Wie sehen Sie die Zukunft?
Der Sommer ohne Grossanlässe ist kurzfristig sicher die grösste Herausforderung. Es sind allesamt Anlässe, die wichtig sind für das Saanenland. Ich hoffe und wünsche mir, dass man kleinere Alternativen findet, etwas organisiert, um Gäste ins Saanenland zu locken. Und zudem muss man das anpreisen, was man hat, vermitteln, dass es auch ohne Grossanlässe im Saanenland schön ist. Und ich hoffe, dass im September wenigstens die CountryNight stattfinden kann. Es wäre auch schön, wenn wir zukünftig gewisse Sachen wie Gesundheit und Wohlergehen etwas mehr schätzen.


Fragen an Jonas Wanzenried

Die Gift-Card-Aktion sei der Anfang eines ganzen Massnahmenpakets, betont Jonas Wanzenried, Präsident des Gewerbevereins Saanenland.

INTERVIEW: ANITA MOSER

Nicht alle waren gleich betroffen. Wie man hört, haben einige Detaillisten so viel liefern können wie selten zu dieser Jahreszeit.
Das stimmt und darüber haben wir auch diskutiert. Die Schere ist relativ gross. Einige waren vom Lockdown weniger betroffen, namentlich Metzgereien, Lebensmittelgeschäfte oder Bäckereien. Dies auch dank den vielen Chaletgästen, die den Lockdown hier verbracht haben. Andere Betriebe wie Schuh- und Kleiderläden, Autogaragen oder Fahrradbetriebe mussten ganz oder teilweise schliessen. Aber grundsätzlich werden praktisch alle Branchen von der Krise betroffen sein. Sie ist noch lange nicht ausgestanden. Im Sommer werden keine Events stattfinden, einige haben Lohneinbussen durch Kurzarbeit etc. Wir gehen davon aus, dass die Investitionskraft bei Privaten wie bei Geschäften zurückgeht. Mit unserer Aktion wollen wir ein kleines Zeichen setzen. Einerseits den Aufruf: Wir wollen zusammenstehen in der Region und einander unterstützen! Andererseits ist die Aktion der Anfang eines Massnahmenpakets. Wir werfen quasi das erste Steinchen, das eine erste Welle auslösen soll.

Was ist weiter geplant, wer wirft das zweite Steinchen?
Gstaad Saanenland Tourismus und der Hotelierverein werden den Lead übernehmen. Weil die Grossanlässe ausfallen, sind Sommer-Ersatzaktivitäten geplant. Man möchte dem ruhigen Sommer etwas entgegenwirken und den Gästen und natürlich auch den Einheimischen etwas bieten. Auch ist der GST momentan stark daran, den Herbst mit Ersatzprogrammen aufzugleisen.

Gibt es konkrete Beispiele?
Das Eisbahnareal soll aktiviert werden – in welcher Form ist noch offen. Ein weiteres Thema könnte der Rekordversuch mit dem längsten Picknicktisch sein. Es gibt verschiedene Ideen für kleinere Events, mit welchen man Gäste – vor allem auch Schweizer – ins Saanenland locken will. Aber alles ist halt auch abhängig von den Corona-Massnahmen respektive Einschränkungen.

Für einen Einpersonen-Haushalt gibt es 25 Franken, im Maximum 100 Franken für eine Familie. Ist das nicht etwas «kleinlich» für eine reiche Gemeinde wie Saanen?
Das wie und wie viel war in der Tat ein zentrales Thema der Arbeitsgruppe, die Zuteilung der Beträge wird diese Woche finalisiert werden können. Wir haben verschiedene Systeme geprüft und uns dann für einen schlanken, einfachen Weg entschieden. Auf der einen Seite wollten wir die 200’000 Franken, welche in der Kompetenz des Gemeinderates ist, nicht überschreiten. Es ist wichtig, dass die Aktion kurzum startet, nicht erst in ein paar Wochen. Auf der anderen Seite ist es uns natürlich bewusst, dass es sich um kleine Beträge handelt. Aber es geht hier nicht ums «Klotzen», sondern darum, ein erstes Zeichen der Solidarität zu setzen und die Bevölkerung zu motivieren und zu sensibilisieren, die lokalen Geschäfte zu berücksichtigen. Ich habe die Erfahrung gemacht – und das fasziniert mich immer wieder – dass die hiesige Bevölkerung samt ihren Entscheidungsträgern eine gewisse Bescheidenheit ausstrahlt und auch lebt. Von dem her bin ich überzeugt, dass die Beträge geschätzt werden.

Ist die Aktion auf die Gemeinde Saanen beschränkt?
Nein, eigentlich nicht. Die Gemeinde Saanen hat als erste zugesagt. Mit Gsteig und Lauenen sind wir noch in Verhandlung.

Aktuell sind rund 120 Betriebe Partner von Gstaad Gift Card. Besteht die Hoffnung, dass mehr Betriebe mitmachen?
Ja, das wäre das Ziel. Wir haben alle Betriebe, die in Frage kommen, angeschrieben. Mitmachen können sämtliche Betriebe, die einen Mehrwert sehen mit der Gift Card. Und wir hoffen, dass sich die Gstaad Gift Card als Zahlungsmittel etabliert.

Die Aktion dauert bis Ende September. Was passiert mit Guthaben, die bis dann nicht eingelöst werden?
Auf den 1. Oktober wird das noch bestehende Guthaben abgezogen. Die Gemeinde Saanen bezahlt nur den Betrag, den die Bevölkerung bis Ende September eingelöst hat. Das ist technisch kein Problem. Die Gift Card kann weiterverwendet, wieder aufgeladen werden.


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