Touristische Berggebiete leiden – die Städte aber auch

  16.06.2020 Wirtschaft

Das Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco) hat untersuchen lassen, wie sich die Corona-Krise auf die einzelnen Regionen auswirkt. Eine Erkenntnis: Städte sind wirtschaftlich ebenso stark betroffen wie Bergregionen.

Die Corona-Massnahmen des Bundes haben der Schweizer Wirtschaft schwer zugesetzt. Manche Branchen mussten im April Wertschöpfungseinbrüche von 80 bis fast 100 Prozent verkraften. Auf das gesamte Jahr gesehen wird der Einbruch zwar weniger gravierend ausfallen – aktuell rechnet der Bund mit einem Rückgang von 6,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Doch in den stark betroffenen Wirtschaftszweigen wie Beherbergung oder Gastronomie wird der Wertschöpfungsverlust mit 15 bis 35 Prozent immer noch substanziell sein.

Fast 70 Prozent weniger Logiernächte
Es liegt also nahe, dass die vom Tourismus geprägten Berggebiete unter der Corona-Krise mit am stärksten leiden, und tatsächlich führen Graubünden und das Wallis die Liste der besonders betroffenen Kantone an. Ein Stadt-Land-Gefälle lässt sich daraus aber nicht ableiten. So ist die Zahl der Logiernächte in den Grossstädten (– 67 Prozent) und in den Städten (– 63 Prozent) noch stärker zurückgegangen als in den Landregionen (– 58 Prozent). Der Grund: In den Städten ist der Geschäftsund Kongresstourismus schon fast komplett zum Erliegen gekommen. Darüber hinaus gibt es in städtischen Gebieten viele Branchen, die von den Corona-Massnahmen des Bundes vollständig lahmgelegt wurden, etwa der Kultur- und Unterhaltungsbereich oder der Detailhandel.

Dass auch die Städte unter der Corona-Krise leiden, nutzt den Bergregionen freilich wenig. Zwar rechnet man für diesen Sommer damit, dass eine höhere Inlandsnachfrage den Wegfall der ausländischen Gäste zumindest teilweise kompensieren wird. Bis die Umsätze in Hotellerie und Gastronomie das Vor-Corona-Niveau erreichen, könnten jedoch Jahre vergehen. Das zeigen die Erfahrungswerte aus der Finanzkrise. Vor allem der grenzüberschreitende Tourismus dürfte sich erst mittelfristig erholen, wenn sich die Situation auch in den Herkunftsländern der Gäste vollständig entspannt hat. Im touristischen Inlandsmarkt wiederum würde die Lage äusserst schwierig, wenn eine weitere Infektionswelle die Wintersaison zum Erliegen brächte.

Arbeitslosigkeit steigt moderat – bisher
Bedenkt man, wie viele Betriebe von den Corona-Massnahmen betroffen waren /sind, fällt die Zunahme der Arbeitslosigkeit bisher noch moderat aus (zum Kanton Bern: siehe rechts). Dies ist ein Indiz dafür, dass Kurzarbeit und die vom Bund verbürgten Kredite bisher eine grosse Entlassungswelle verhindern konnten. Ob dies so bleiben wird, hängt vom weiteren Verlauf des Jahres ab.

Auffällig ist jedenfalls auch bei den Arbeitslosenzahlen, dass Stadt und Land schweizweit nur geringe Unterschiede aufweisen. Am stärksten hat die Arbeitslosenquote mit einem Wachstum um 1,1 Prozentpunkte in einigen ländlichen Zentren zugelegt. Am schwächsten war der Anstieg mit 0,5 Prozentpunkten in den stadtnahen Agglomerationsgemeinden (sogenannte periurbane Gemeinden). In der Gesamtbetrachtung sticht aber kein Raumtyp deutlich hervor.

Auch für die Entwicklung der Arbeitslosenquote ist offenbar massgeblich, wie die regionale Wirtschaft strukturiert ist. So sind beispielsweise manche Gegenden in der Westschweiz erheblich unter Druck, weil dort gleiche mehrere Branchen stark von der Krise betroffen sind. Allein in der Sparte Bijouterie, Juwelierwaren und Uhren sind die Exporte um bis zu 70 Prozent zurückgegangen, auch Gastronomie und Bauwirtschaft leiden in vielen Westschweizer Regionen stark.

Ein Silberstreif am Horizont
Wie lange die Folgen der Corona- Pandemie noch spürbar sind und wie stark die wirtschaftlichen Schäden am Ende sein werden, lässt sich aktuell nur schwer beziffern. Wird die bisherige Konsumlaune zurückkehren, wird es gar einen Nachholbedarf geben? Wie schnell wird sich die Lage im Ausland erholen – und damit auch die Export-Nachfrage und die Reisetätigkeit? Werden Sanierungs- und Investitionsprojekte aufgrund der Unsicherheit auf die lange Bank geschoben – oder überwiegt der Optimismus, was nicht zuletzt der Bauwirtschaft zugutekäme? Es gibt noch viele Unwägbarkeiten.

Immerhin: Für das nächste Jahr sind sowohl die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich als auch das Seco schon wieder zuversichtlich: Beide prognostizieren für 2021 ein Wachstum des BIP von über 5 Prozent.

MARK POLLMEIER


ERLÄUTERUNG ZUR ÜBERSICHT

Die Tabelle weist die Anzahl der von Corona-Massnahmen betroffenen Beschäftigten aus. Viele Unternehmen, die nicht ausdrücklich von Art. 6 der Covid-19-Verordnung 2 erfasst werden, sind trotzdem mit einem Rückgang ihrer Aktivitäten konfrontiert. Andere Firmen konnten alternative Kanäle wie Onlinebestellungen oder Direktvertrieb nutzen. Solche Effekte sind hier nicht berücksichtigt. Der hier angegebene Anteil der betroffenen Beschäftigten ist eher als Trendaussage zu verstehen.


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