Trotz weniger Alphelfer keine Probleme

  16.06.2020 Landwirtschaft

Die Corona-Krise bringt auch die Landwirtschaft in Bedrängnis, weil nicht auf ausländische Helfer und Helferinnen zurückgegriffen werden kann. Doch man findet hierzulande pragmatische Lösungen und sieht sogar Chancen darin.

KEREM S. MAURER
Die Kühe sind gezügelt, der Alpsommer hat angefangen. Doch infolge der Corona-Krise können Landwirte nicht wie gewohnt auf ausländische Helfer und Helferinnen zählen. Während man in den Vorbereitungszeiten noch auf Helfende aus Branchen, die vom Lockdown stillgelegt worden waren wie beispielsweise die Gastronomie, zurückgreifen konnte, fallen diese nach der Lockerung wieder weg. Was nun? «Jetzt müssen wir eben alles selber machen», lacht Patricia von Grünigen von der Landwirtschaftlichen Vereinigung Saanenland (LVS). Doch schnell wird sie wieder ernst. Das sei ein Thema, das derzeit einige Landwirte beschäftige. Auch Christoph Bach, Präsident der Landwirtschaftlichen Vereinigung Saanenland, weiss von Landwirten, deren Helfer bislang noch nicht vollzählig eingereist sind.

Arbeitslose überschätzen körperliche Arbeit
Ausländische Alphelfer und -helferinnen würden hauptsächlich für die Land- und Tierpflege eingesetzt, erklärt Patricia von Grünigen. Dies beinhalte auch das Heuen im Tal und andere körperlich anspruchsvolle Arbeiten. «Das Landleben ist kein Heidiland, man muss sich schon im Klaren sein, worauf man sich einlässt», sagt von Grünigen auf Anfrage und wirft damit ein weiteres wichtiges Thema auf. Ausländische Erntehelfer wüssten, dass körperliche Schwerarbeit auf sie zukomme und seien motiviert, diese so gut wie möglich zu erledigen, weiss Christoph Bach. Wenn man auf arbeitslose Schweizer ausweiche, könne es vorkommen, dass diese die Arbeit unterschätzten und den harten Anforderungen auf Dauer nicht gewachsen seien. Doch Bach betont, dass dies nicht bei allen der Fall sei. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch ausländische Helfer, die einreisten, wie Jörg Gander, Vizepräsident der Landwirtschaftlichen Vereinigung Saanen, berichtet. Er bildet selber Lernende aus und beschäftigt keine ausländischen Helfer, weiss aber von solchen, die kurzfristig doch noch eintrafen. Er hält fest: «Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Landwirt wegen des Ausbleibens von ausländischen Helfern in Schwierigkeiten geraten ist.» Von solchen Fällen weiss man auch in der Landwirtschaftlichen Vereinigung Saanen derzeit nichts.

Alles hat zwei Seiten
Viele Landwirte beschäftigten freiwillige Praktikanten, die nicht mit lohnempfangenden Alphelfern zu vergleichen seien, weiss Vreni Müllener, Landwirtin und Gemeinderätin von Saanen.

Sie ergänzt, dass Landwirte, die mit inländischen Praktikanten arbeiteten, diesbezüglich nicht von der Corona-Krise tangiert würden. Anders sieht es mit den Kindern der Waldorfschule Ravensburg in Deutschland aus. Pro Jahr machen etwa acht Waldorfschüler im Saanenland ein Landwirtschaftsund Sozialpraktikum bei verschiedenen Bauernfamilien, wie die Schule auf Anfrage bestätigt. Diese Schüler durften bislang wegen Corona nicht einreisen und noch ist unklar, ob sie dieses Jahr überhaupt kommen. Diese dürften an ihren Einsatzorten kaum ersetzt werden. Selbst wenn ein Alphelfer nicht kommen könnte, habe dies eine positive Seite, betont Müllener pragmatisch: «So hat man ein Bett weniger, das gemacht werden muss und es gibt Luft für Besuchende, die auf der Alp übernachten wollen.» Sie sagt: «Man muss nicht immer nur das Negative sehen.»

Hilfe aus der Familie
Und schliesslich gibt es noch jene Menschen, die neue berufliche Herausforderungen suchen und zwischen den Anstellungen im Sommer z Alp gehen, um zwischendurch einmal etwas ganz anderes zu machen. Und zu guter Letzt seien da ja noch die Familienangehörigen, auf die man sich letztlich verlassen könne, sollten die Alpund Erntehelfer aus dem Ausland ausbleiben, sind sich die befragten Landwirtinnen und Landwirte einig. Im Saanenland scheint man sich auch durch ausbleibende Alphelfer nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und findet offenbar pragmatische Lösungen.

Falschmeldungen sorgen für Andrang aus Marokko
Es gibt viele Plattformen im Internet, wo Alphelferinnen und Alphelfer eine Stelle suchen und finden können. Unter anderen in der Bauernzeitung oder bei zalp.ch. Gerade bei letzterer waren in jüngster Vergangenheit Tausende Bewerbungen aus Marokko eingegangen. Viele junge Männer haben sich auf Alpstellen in der Schweiz beworben mit für marokkanische Verhältnisse enorm hohen Verdienstmöglichkeiten. Doch blieben alle Bewerbungen erfolglos, da Marokko weder Schengen- noch Efta-Mitglied ist und folglich für Hilfsarbeiter keine Arbeitsbewilligungen ausgestellt werden. Die Marokkaner wurden mit Falschmeldungen im Internet hinters Licht geführt.

http://www.landwirtschaft-saanenland.ch

 


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote