«Ich habe Hoffnung in die Vernunft»

  28.08.2020 Landwirtschaft, Politik, Vereine

Wer darauf achtet, entdeckt Schürli in der Schweiz allerorts – und wird vielleicht zum Schluss kommen, dass sie es sind, die unser Landschaftsbild so postkartenreif machen, wie es nun einmal ist. Doch diese kleinen Perlen blicken ihrem endgültigen Untergang entgegen ... Und einer hat diesem traurigen Ende den Kampf angesagt.

NADINE HAGER
Vier Jahre ist es nun her: Seit 2016 gibt es den politisch engagierten Verein Schür.li, welcher der Auslöschung der malerischen Schürli schweizweit die Stirn zu bieten versucht. Der in Gsteig lebende Architekt Michael Gehret ist der Gründer dieser Bewegung – und befindet sich mit seinen Unterstützern noch immer inmitten dieses Kampfes.

Michael Gehret und sein Team wollen erreichen, dass eine Umnutzung der Minischeunen legal wird, damit diese für Bauern wieder eine Funktion bekommen und somit nicht abgerissen werden. Hierfür kämpfen sie an mehreren Fronten.

Rettungsversuche über zahlreiche Wege
Im letzten Vereinsjahr konnte Schür.li einige kleine Erfolge verzeichnen, welche Gehret als Schrittchen in die richtige Richtung sieht.

So arbeitete der Verein Schür.li beispielsweise mit Gstaad Saanenland Tourismus zusammen: Vor einem Monat schilderten sie gemeinsam fünf Wanderwege aus, welche an malerischen Schürli des Saanenlandes vorbeiführen. «Auf diese Weise wird die Aufmerksamkeit der Wanderinnen und Wanderer auf die unscheinbaren Holzschürli gelenkt, was zu ihrer Sensibilisierung für dieses Thema beiträgt», erläutert der Architekt.

Zudem hat Schür.li hoffentlich mit der Gemeinde Saanen einen Partner gefunden, der hilft, die Ausscheidung einer Zone zum Erhalt von landschaftsprägenden Bauten zu prüfen. Gehret erklärt, diese vom Bund geforderte Massnahme zum Schutz unserer Landschaft sei in einer Schublade verschwunden und wäre bisher noch nie angewendet worden – bis sein Verein davon erfuhr. Gerade letzte Woche hat Schür.li bei der Gemeinde Saanen einen Planungskredit beantragt, um eine Umsetzung zu ermöglichen. Damit dürften die Schürli zu ihrem Erhalt umgenutzt, äusserlich aber nicht verändert werden. Ob dieser Kredit jedoch gesprochen wird, ist noch nicht entschieden.

Mitwirken im Hintergrund
Ein weiterer Teilerfolg konnte Schür.li letztes Jahr verzeichnen: Der Nationalrat hat die Raumplanungsrevision 2 zurückgewiesen. Wäre diese in Kraft getreten, hätte die beanspruchte Fläche jeder neue Scheune, die gebaut worden wäre, volumengleich kompensiert werden müssen – und zwar durch das Abreissen von Gebäuden, die in der Landwirtschaftszone nicht mehr gebraucht werden.

Michael Gehret erklärt, was dies bedeutet hätte: «In einer heutigen modernen Scheune haben etwa 16 Schürli Platz. Um seine grosse ‹Schüür› bauen zu dürfen, hätte der Landwirt beweisen müssen, dass er dafür die genannte Anzahl Schürli abreisst. Hier hat der Nationalrat entschieden, dies sei nicht umsetzbar – und wir haben das Gefühl, dass wir auch einen Beitrag dazu geleistet haben.» Schür.li hätte das nötige Datenmaterial geliefert, um sich gegen die Raumplanungsrevision 2 durchsetzen zu können. Der Ständerat wird nun auch noch hierüber entscheiden. Schür.li hat diesem die gesammelten Informationen auf einem Poster präsentiert. Doch selbst wenn der Ständerat dem Nationalrat nachzieht, ist diese Schlacht noch nicht gewonnen: Gehret zufolge wurde mit der Landschaftsschutzinitiative derselbe Wortlaut wieder ins Spiel gebracht. Der Schürlischützer und sein Team müssen deshalb am Ball bleiben.

Ein Ende ist nicht in Sicht
Der Kampf geht also überall weiter – Teilerfolge müssen hart erkämpft werden und liegen immer auf dünnem Eis. Trotzdem hegt Michael Gehret Hoffnung. «Die Hoffnung stirbt zuletzt. Es ist einfach die Frage, ob wir den richtigen Zeitpunkt für die Rettung noch erwischen.» Vielleicht müsse sich die Landschaft zuerst so stark verändern, dass man bemerkt, was bestehende Gesetze kaputt machen. Dann sei es jedoch vielleicht zu spät.

Dennoch gibt es Lichtblicke, denn die Sensibilität für unsere schöne Landschaft steigt diesen Sommer durch die Stadtflucht. Deshalb sagt Michael Gehret mit einem Lächeln und versonnenem Blick auf die Schürli in der Ferne: «Die Hoffnung ist gross. Ich habe Hoffnung in die Vernunft.»


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