Das unbekannte Liedschaffen Beethovens

  18.08.2020 Saanen, Kultur, Konzert, Musik

Der Tenor Daniel Behle und sein Begleiter am Hammerflügel, Jan Schultsz, hatten aus dem ansehnlichen Fundus an Beethoven-Liedern eine Auswahl getroffen, die überraschte, berührte und das aufmerksame Publikum völlig in den Bann zog.

KLAUS BURKHALTER
Mit dem ersten Lied «Ich liebe dich so wie du mich» wurde gleich die inhaltliche Grundstimmung gesetzt, die sich durch das ganze Programm durchzog: die Sehnsucht, das Thema «unmögliche Liebschaften», unglückliche Schwärmereien, auch zerstörte Hoffnungen. Beethoven war zeitlebens Junggeselle, doch pflegte er viele Beziehungen zu Frauen in seinem musikalischen Umkreis. Seine Lieder sind intime Bekenntnisse, sie waren meist für den Privatgebrauch bestimmt und tragen oft auch keine Werknummern. Typisch ist sicher die Äusserung des Komponisten: «Ich geniesse mich im Schmerz.» Der Bogen des Liederabends spannte sich bis zum «Seufzer eines Ungeliebten», welcher im letzten Teil die Melodie von Beethovens «Ode an die Freude» übernahm.

Hervorragende Interpretationen
Was die beiden Musiker Daniel Behle und Jan Schultsz am Freitagabend boten, war allerhöchste Interpretationskunst. Der Ausspruch des Sängers im vorgängigen Interview kam voll zur Geltung: «Was du im Innersten fühlst, musst du dem Publikum übertragen, du musst eindringlich sein.» Daniel Behle setzte die Ideen des Komponisten aufs Eindrücklichste um. Er gestaltete mitreissend, unerhört differenziert, von feinsten Piani bis zu plötzlich überraschenden Ausbrüchen. Die ganze dynamische Palette kam sowohl in den zarten, warmen Höhen zum Ausdruck wie auch in der mittleren Lage mit einem geschmeidigen Timbre, kraftvoll, doch ohne Druck. Und Behle gab jedem Lied sein typisches Gepräge: geheimnisvoll-spannend oder lustig-frech, auch intim-verträumt oder heftig-aufbegehrend. In seinen berührenden Interpretationen konnte der Opernsänger und Komponist Behle seine Vielseitigkeit voll zum Ausdruck bringen.

Mit Jan Schultsz hatte der Sänger einen ebenfalls ausserordentlichen Begleiter am Hammerflügel an seiner Seite. Das Duo verstand sich grossartig, es befruchtete sich gegenseitig, jeder übernahm und vollendete die Absichten seines Partners. Schultsz brillierte in virtuosen Vorspielen, er entlockte seinem Instrument enorme Gegensätze, immer einfühlsam auf den Sänger eingehend. Atemlose Stille herrschte im Kirchenraum, nicht nur wegen der Masken … Das Publikum war dermassen gefesselt und gepackt von diesen unbekannten Beethoven-Liedern. Mit zwei Zugaben wurde sein mächtiger Applaus belohnt. Gediegen geordnet, doch reich erfüllt von dieser musikalischen Sternstunde trat es in die schöne Sommernacht hinaus.


KOMMENTAR

Beethovens Musik hat viele Gesichter

Es darf der organisierenden Leitung des Menuhin Festivals hoch angerechnet werden, dass sie trotz der allerschwierigsten Corona-Situation mit ihrem Pop-up-Festival den «Kosmos Beethoven» bei dessen 250. Geburtstagins Zentrum rückte. Die beiden Konzerte am vergangenen Wochenende mit einem Lieder- und einem Violinabend wussten das anwesende und das digital zugeschaltete Publikum zu begeistern.

KLAUS BURKHALTER

 

 


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