Das Zusammenwerfen der Karten

  11.08.2020 Leserbeitrag

«Mensch, ärgere dich nicht», so der Name eines sehr bekannten Brettspiels. Aber manchmal wird auch mit Jasskarten «Mensch, ärgere dich nicht» gespielt. Ja, der Ärger von Mitspielenden ist manchmal sogar so gross, dass sie die Karten auf den Tisch werfen. Auf einer Rangliste von Spielen, die irgendwann in einer kleineren oder grösseren Missstimmung enden können, belegt Jassen immerhin den siebten Rang. Obwohl Jassen den Spielenden wunderschöne Stunden und Erlebnisse schenken kann, kann es dabei trotzdem manchmal auch zu ganz heftigen Reaktionen kommen. Denn Jassen ist ja nicht bloss ein Spiel, sondern oft eher eine todernste Wissenschaft.

Ärger ist meistens eine spontane, negativ-emotionale Reaktion auf eine lästige und unerwünschte Situation, auf ganz bestimmte Personen oder Erinnerungen. Und das, was einen beim Jassen ärgert, kann einen manchmal auch enttäuschen oder kränken. Das Ärgerliche am Ärger ist bloss, dass man sich dabei auch selber schaden kann, ohne etwas an der Sache oder den Menschen zu verändern, über das oder die man sich geärgert hat. Die Psychologieprofessorin Verena Kast sagt jedoch zur Entlastung all der Jasser und Jasserinnen, die sich ab und zu mal ärgern, dass Ärger auch ein gesundes Gefühl sein kann, wenn man dabei die Kontrolle über den Verdruss nicht verliert. Und ein geflügeltes Wort sagt sogar, dass, wer sich schon einmal grün und blau geärgert hat, wenigstens versucht hat, ein wenig Farbe in sein Leben zu bringen (nach Ernst Ferstl).

Beim Jassen gibt es viele Möglichkeiten, sich echt oder auch nur scheinbar zu ärgern: über einen selbst oder über die Mitspielenden. Aber so oder so sollte man sich hüten, die Karten aus Ärger zusammenzuwerfen. Denn, sobald ein Spieler während des Spiels seine Karten auf den Tisch wirft oder offen zeigt, bekennt er oder sie sich zum Verlust des betreffenden Spiels und das gegnerische Team darf einen Matsch schreiben. Es lohnt sich darum eher, die kleinen oder grossen Ärgernisse sinnvoll zu nutzen. Denn immer, wenn man sich ärgert, läuft irgendetwas falsch. Und der Ärger ist dann so etwas wie eine Warnleuchte, die einen daran erinnert, genauer hinzuschauen, zu prüfen und zu erkennen, was bei einem selbst oder bei den anderen falsch läuft. Und wenn man die Ursache des Ärgers erkannt hat, kann man versuchen, etwas zu verändern oder sich an das Sprichwort zu halten: «Ein gutes Wort schafft viel Ärger aus der Welt.»

Letztlich ist es aber trotzdem ärgerlich, wenn der Spielpartner einen nach jedem Spiel kritisiert und erklärt, wie man richtigerweise hätte spielen sollen. Es ist ärgerlich, wenn der Spielpartner ausgerechnet die Farbe anzieht, die man verworfen hat, oder wenn die gegnerische Partei einem Unkorrektheit vorwirft oder plötzlich neue Regeln durchsetzen will. Und es ist auch ärgerlich, wenn die gegnerische Partei offen Schadenfreude zeigt oder blufft, oder wenn man einen ganzen Nachmittag lang immer nur schlechte Karten bekommen hat. All das ist ärgerlich. Aber man muss sich trotz allem nicht ärgern, wenn man nicht will.

Sehr häufig liegt die Ursache des Ärgers ja auch bei einem selbst. Man ärgert sich zum Beispiel, dass man schon wieder vergessen hat, ein Dreiblatt zu weisen, dass man nicht mehr weiss, welche Farbe der Partner verworfen hat, dass man keine Ahnung mehr hat, wie viele Trümpfe noch im Spiel sind, dass man zur richtigen Zeit nicht geschmiert und einen Zehner ins Trockene gebracht hat oder dass man wieder einmal zu viel riskiert hat. Oder vielleicht ärgert man sich ja nur, weil man sich schon wieder geärgert hat.

Übrigens: In einer amerikanischen Studie wurde kürzlich daran erinnert, dass man nicht nur die Mitmenschen, sondern auch Krähen nie verärgern sollte. Denn Krähen gehören zu den intelligentesten Vögeln und können sich ein Leben lang an die Gesichter von den Menschen erinnern, die sie verärgert haben. Und das, was Krähen können, können leider auch die Menschen.

ROBERT SCHNEITER


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