Jetzt die Segel setzen

  14.08.2020 Leserbeitrag

Die Schweizer Tourismusbranche frohlockte vergangenes Jahr. Das Tourismusboot hatte die Segel im kräftigen Wind richtig gesetzt, es schrieb Rekordzahlen. Im vergangenen März aber flaute der Wind nicht nur ab, er kam abrupt zum Stillstand. Coronabedingt mussten alle Gastrounternehmen und die Bergbahnen schliessen, die Hotels mit Schutzkonzepten arbeiten. Die Unsicherheit vor der Sommersaison war gross. Würden die Grenzen geöffnet? Würde der internationale Reisetourismus bereits wieder anziehen? Würden die Schweizer ihre Ferien in ihrer Heimat verbringen?

Wir stecken nun mitten in der Saison und stellen fest: Der Wind weht wieder, und die Passagiere an Bord sind zahlreich. Hauptsächlich europäische und Schweizer Stammgäste, Zweitheimische und Reiselustige aus der Schweiz entdecken die Destination Gstaad neu. Das tolle Grundangebot in Form von landwirtschaftlicher Authentizität in einer einzigartig lieblichen Berglandschaft verbunden mit einem qualitativ hochstehenden Infrastrukturangebot kommen besonders gut an. Schwimmbäder, Bergbahnen, Minigolfanlagen, Tennis, kulinarische Einkehrmöglichkeiten, Museen, das Wander- und Bikewegnetz und die Bergseen finden grossen Anklang. In nur wenigen Wochen stellten innovative Betriebe gemeinsam mit Gstaad Saanenland Tourismus zudem ein attraktives Rahmenprogramm auf die Beine, was die Grossanlässe zwar nicht ersetzt, aber doch eine gewisse Abwechslung bietet. Das Openair-Kino in Lauenen, das ausgebaute «Gstaad alive» im «urban style», die Gstaader Familien Erlebnistage auf der Wispile und der «Bärgsummer» mit Kultur auf dem Berg sind nur wenige Beispiele dafür. Die positiven Rückmeldungen der Gäste zeigen eindeutig, wie hoch die Qualität der Region ist und dafür gebührt allen Leistungsträgern ein grosses Dankeschön!

Als Tourismusdirektor gehört es ebenso zu meinen Aufgaben, die Saison zu reflektiere sowie Wege für einen anhaltenden Erfolg aufzuzeigen. Noch ist die Corona-Krise nicht ausgestanden, ihre Folgen nicht abzuschätzen. Daher bleiben viele Fragen offen. Wann wird uneingeschränktes Reisen wieder möglich sein? Wird die Reiselust an die alten Zeiten anknüpfen? Werden Geschäftsreisen wieder ein Thema werden oder wird Zoom und Co. deren Funktionen übernehmen? Darauf habe auch ich keine Antwort. Was ich aus der Vergangenheit aber gelernt habe, ist, dass wir weitergehen müssen. Um im kompetitiven Umfeld marktfähig zu bleiben, müssen wir uns weiterentwickeln, im Grossen wie im Kleinen.

Deshalb müssen wir uns Fragen wie folgende stellen: Welche Infrastruktur braucht es für Kultur- und Sportveranstaltungen der Zukunft? Ist es zeitgemäss, einen gewöhnlichen Wanderweg als Familienwanderweg anzupreisen? Sind die öffentlich zugänglichen Plätze und Eingangsportale kundenfreundlich gestaltet? Wie gästefreundlich sind wir und wie steht es mit unserer Willkommenskultur?

Um diese Fragen beantworten zu können, brauchen wir offene Partner, die bereit sind, Veränderungen anzugehen. Geschäfte, touristische Leistungsträger und Landwirtschaft müssen sich regelmässig den Spiegel vorhalten und sich fragen, ob deren Angebot, deren Erscheinungsbild und deren Produkte noch aktuell sind. Eine gewisse Betriebsblindheit kann nämlich dazu führen, dass man nicht bemerkt, was die Gäste und Kunden stört, weshalb sie nicht im Dorf einkaufen oder im Restaurant einkehren. Um das herauszufinden, ist es wichtig, die Fühler auszustrecken, denn die besten Ideen entstehen nicht im stillen Kämmerlein, sondern durch Interesse und Wachsamkeit. Man muss sich informieren, andere Destinationen besuchen und den Austausch mit Geschäftspartnern, Konkurrenten, Fachleuten und Freunden fördern. Sie bringen Lösungsansätze, die für den eigenen Betrieb adaptiert werden können. Die Tourismusorganisation kann in der Entwicklung von Ideen, Angeboten und Produkten Hand bieten. Ihre Leute sind erfahren und motiviert, das Destinationsmanagement professionell umzusetzen. Es geht weg vom reinen Verkauf hin zu einer engen Zusammenarbeit mit den Leistungsträgern mit dem Ziel, die Destination zu entwickeln. Lasst uns in die Zukunft schauen und die Destination gemeinsam auf ein neues Level bringen. Denn den Wind können wir nicht wählen, aber wir können die Segel richtig setzen!

FLURIN RIEDI

TOURISMUSDIREKTOR [email protected]


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote