Urnenabstimmung: Fragen und Antworten zu den fünf Traktanden

  28.08.2020 Interview, Politik

Aufgrund der Corona-Pandemie findet zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte der Einwohnergemeinde Saanen anstelle der ordentlichen Gemeindeversammlung ein Urnengang statt.

ANITA MOSER
An den Gemeindeversammlungen können die anwesenden Stimmberechtigten vor der Abstimmung zu den einzelnen Geschäften noch Fragen stellen und dies wird regelmässig von Bürgerinnen und Bürgern genutzt. Dem Gemeinderat ist dieser politische Diskurs, der Dialog, ein grosses Anliegen. Deshalb haben wir in Vertretung der Bevölkerung und nach Rücksprache mit den ansässigen Parteien – FDP, SVP, FLS und SP – sowie anderen Exponenten dem Gemeinderat Fragen zu einzelnen Traktanden gestellt. Zur Abstimmung kommen fünf Geschäfte (siehe auch «Erläuterungen zu den Geschäften» im AvS vom Dienstag, 25. August).

Was passiert ganz allgemein, wenn ein Antrag abgelehnt wird?
Der Gemeinderat müsste je nach Geschäft einzelfallweise entscheiden, wie er damit umgeht. Sollte eine Vorlage abgelehnt werden, ist davon auszugehen, dass im Vorfeld entsprechende Stimmen vernommen würden. Eine Möglichkeit wäre die Überarbeitung der Vorlagen unter Einbezug der jeweiligen Meinungsmacher. Aus formeller Sicht wäre es problemlos möglich, die Vorlage in abgeänderter Form bei der nächstmöglichen Gelegenheit erneut der Bevölkerung vorzulegen. Klar ist jedoch, dass die in den Anträgen beantragten finanziellen Beiträge an die jeweils begünstigten Leistungsträger vorderhand nicht ausgerichtet werden dürften.

Kann ein Bürger einen Antrag stellen? Wenn ja, wie?
Im Rahmen von Urnenabstimmungen können keine Änderungsanträge gestellt werden. Dem Gemeinderat ist dies bewusst. Für die Urnenabstimmung vom 29. November 2020 hat der Gemeinderat daher bereits ein Konzept erarbeitet, um politische Minderheiten besser in den Entscheidungsprozess einzubinden.


1. Jahresrechnung 2019

Die Rechnung schliesst mit einem rekordverdächtigen Ertragsüberschuss von fast 15,5 Millionen Franken ab, 16 Millionen über Budget. Wie viel Geld floss in den Finanzausgleich?
15’430’227 Franken.

Wozu verwendet man die über 15 Millionen Franken? Könnte man nicht einen Teil zum Beispiel für Familienförderung einsetzen, Schulden abbauen, Rückstellungen machen oder die Liegenschaftssteuer weiter senken?
Der Ertragsüberschuss ist vorschriftsgemäss in das Eigenkapital (Konto 29990.01) einzulegen (das gilt grundsätzlich bereits als Rückstellung). Der Saldo beträgt neu CHF 31’059’067.36. Dieser Betrag steht für die Deckung von zukünftigen Aufwandüberschüssen zur Verfügung. Jede neue Ausgabe benötigt einen Beschluss des dafür zuständigen Organs (Gemeinderat oder Gemeindeversammlung). Dank des Ertragsüberschusses konnten im Jahr 2019 Schulden im Umfang von ca. CHF 14 Mio. zurückbezahlt werden. Auch im Jahr 2020 wurden weitere CHF 4 Mio. zurückbezahlt. Anlässlich der Erstellung des Budgets 2021 und des Finanzplans 2021–2025 wird darüber zu diskutieren sein, ob die Steueranlagen weiter gesenkt werden können.

Wann kann der Gemeindebürger einen solchen Antrag auf Steuersenkung stellen, wenn es der Gemeinderat nicht vorschlägt?
Anträge für Steuersenkungen können durch die politischen Parteien im Rahmen des Budgetprozesses 2021 eingebracht werden. Der Gemeinderat hat hierfür ein entsprechendes Gefäss geschaffen. Die breite Bevölkerung kann einen solchen Antrag formell erst wieder einbringen, sobald die Einschränkungen zur Bekämpfung des Coronavirus die Durchführung einer Gemeindeversammlung nicht mehr gefährden. Allen Stimmberechtigten steht es jedoch frei, den Gemeinderat zu kontaktieren und ihre Anliegen einzubringen.

In welcher Grössenordnung könnte eine Steuersenkung beantragt werden?
Ende des Jahres muss jeweils zwingend ein Budget für das Folgejahr verabschiedet werden. Ohne genehmigtes Budget dürfte die Gemeinde nur noch gebundene Ausgaben tätigen. Dies würde sämtliche freiwilligen Ausgaben blockieren. Insbesondere in der Gemeinde Saanen träfe dies die Region hart. Daher muss das Budget 2021 Ende des Jahres an der Urne beschlossen werden. Das Risiko, eine Gemeindeversammlung absagen zu müssen und danach ohne Budget in das Jahr zu starten, darf sich die Gemeinde Saanen nicht leisten.

Wie wirkt sich die Erhöhung der Liegenschaftssteuerbemessung und Senkung des Steuerfusses auf die Rechnung 2020 aus?
Die Senkung der Steueranlage auf 1,3 und der Liegenschaftssteueranlage auf 1 Promille hat insgesamt Mindereinnahmen von ca. CHF 8,3 Mio. zur Folge (ca. CHF 3,2 Mio. im allgemeinen Haushalt und CHF 5,1 Mio. bei den Liegenschaftssteuern). Voraussichtlich wird die Neubewertung der amtlichen Werte in Anwendung der vorangehend geschilderten Steueranlage zu zusätzlichen Einnahmen von CHF 4 Mio bei der Liegenschaftssteuer führen.

Im Jahr 2019 erarbeitete die Gemeinde einen Ertragsüberschuss von etwas mehr als 15 Millionen Franken, der dem Bilanzüberschuss zugeführt wird. Somit beläuft sich der neue Bilanzüberschuss auf 31 Millionen Franken. Um wie viele Steuerzehntel gedenkt der Gemeinderat den Steuerfuss für das nächste Budget zu senken?
Anlässlich der Erstellung des Budgets 2021 und des Finanzplans 2021–2025 wird darüber zu diskutieren sein, ob die Steueranlagen weiter gesenkt werden können. Die Beschlussfassung der Steueranlagen 2021 steht noch aus.

Die Rechnung schliesst sehr gut ab. Weshalb müssen sämtliche Vereine und Genossenschaften bei der Benützung von Räumlichkeiten in den Schulhäusern bezahlen?
Nach Artikel 57 Abs. 2 Bst. E Gemeindeverordnung müssen die Gemeinden den Finanzhaushalt grundsätzlich nach dem Verursacherprinzip führen. Die aktuell geltenden Gebührenvorschriften regeln den Kreis der Abgabepflichtigen und die Höhe der Abgaben für die Benützung von Räumlichkeiten in den Schulhäusern. Die ausserschulische Nutzung von Räumlichkeiten in den Schulhäusern wird derzeit von der Liegenschaftskommission analysiert und behandelt.

Die Nettoinvestitionen betrugen 4,7 Millionen Franken, budgetiert waren gut 14 Millionen. Warum wurden die budgetierten Investitionen nur zu einem knappen Drittel ausgelöst? Arbeiten Gemeinderat und Verwaltung zu langsam?
Zahlreiche Investitionsvorhaben wurden wohl zu optimistisch für das Jahr 2019 vorgesehen. Im Bereich des Strassenwesens konnten diverse Projekte aus verschiedenen Gründen nicht in Angriff genommen werden. Die grösste Abweichung ist jedoch beim Grundwasserpumpwerk Flugplatz Saanen entstanden. Der Baubeginn erfolgte viel später als geplant, was auch entsprechende Verschiebungen bei den Ausgaben zur Folge hatte.


2. Antrag Sepp Doppmann

Welche Massnahmen plant die Gemeinde Saanen, um den CO2-Ausstoss in der Gemeinde zu verringern? Projekte? Bauvorschriften?
Derzeit erarbeitet die Gemeinde eine Energiestrategie, die sich unter anderem dem Thema Nachhaltigkeit widmet. Dabei werden verschiedene Massnahmen besprochen. Gemeinderat und Gemeindeverwaltung sind in ihrem Alltag ständig bemüht, nachhaltige und ressourcenschonende Konzepte umzusetzen. Aktuelle Beispiele im Bereich des CO2Ausstosses sind die Förderung des öffentlichen Verkehrs für mehrere Hundertausend Franken pro Jahr, der kürzlich abgeschlossene Vertrag für die Schaffung zusätzlicher Elektroladestationen auf öffentlichen Parkplätzen oder die Diskussion um den Ersatz einer Wischmaschine des Werkhofs durch ein Fahrzeug mit Elektroantrieb. Auch im Rahmen von Zukunft Saanen ist das Thema Klimaschutz prominent vertreten.


3. Sportzentrum Verlängerung Leistungsvertrag

Das Sportzentrum soll die Eintrittspreise anpassen – den Spielraum nach oben ausnützen –, um das Defizit zu verringern. Könnten die offenbar im Vergleich zu anderen Anbietern «eher günstigen» Eintrittspreise nicht ein Pluspunkt, ein Wettbewerbsvorteil sein?
Das ist ganz bestimmt ein Pluspunkt. Heute sind die Eintrittspreise ca. 20 Prozent günstiger als zum Beispiel an der Lenk. Eine moderate Erhöhung ist daher möglich und entlastet entsprechend den Finanzhaushalt der Gemeinde.

Wenn die Eintritte für das Sportzentrum nicht erhöht werden, profitieren wir als Einheimische am meisten davon. Ist es für eine Eintrittspreiserhöhung im Moment (Covid) wirklich der richtige Zeitpunkt?
Der Gemeinderat hat die Sportzentrum Gstaad AG aufgefordert, die Preise anzupassen. Letztlich wird dies aber Sache des Verwaltungsrates sein, ob die Preise effektiv erhöht werden oder nicht.

Das Angebot des Sportzentrums wurde massiv verbessert. Sollte dadurch das Defizit nicht sinken und die Beiträge verkleinert werden?
Im Bereich des Hallenbades wurden hauptsächlich Sanierungsarbeiten realisiert, mit welchen die Betriebskosten grundsätzlich gesenkt werden konnten. Andererseits wurde die Anlage jedoch im Wellnessbereich massiv vergrössert, was einen entsprechend höheren Personalbedarf zur Folge hatte.

Warum ist die Sportzentrum Gstaad AG nach zehn Jahren nicht selbsttragend?
Es gibt in der Schweiz vermutlich kein öffentliches Hallenbad, das selbsttragend geführt werden kann. Es ist daher üblich, dass die Bäder mit öffentlichen Geldern unterstützt werden müssen, wenn ein zeitgemässes Angebot vorhanden sein soll.

Warum gibt man dem Sportzentrum eine Zehnjahresdefizitgarantie und andere Institutionen haben einen Vieroder Fünfjahresrhythmus?
Der Leistungsvertrag mit der Sportzentrum Gstaad AG wurde erstmals im Jahr 2010 und für eine Dauer von zehn Jahren abgeschlossen. Da absehbar war, dass dieser Bereich auf Dauer mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden muss, wurde diese relativ lange Vertragsdauer gewählt, wobei das Kostendach jedes Jahr aufgrund der vorliegenden Budgetzahlen neu definiert worden ist. Bei anderen Leistungsträgern sind andere Laufzeiten gewählt worden. Dies grundsätzlich, weil man bereits nach einer kürzeren Dauer die Situation neu beurteilen wollte. Prinzipiell wird von Fall zu Fall entschieden, wie lange die Unterstützung der Gemeinde dauern soll. Beim Sportzentrum hat die Stimmbevölkerung einen grossen Investitionsbeitrag an die neue Infrastruktur gesprochen. Der Betrieb muss nun finanziert werden. Daher rechtfertigt sich eine längere Laufzeit als bei Veranstaltungen, die keine eigene, dauerhafte Infrastruktur betreiben.


4. Grossanlässe: Neuordnung Globalbudget der Jahre 2021-2024

Was ist ein Grossanlass oder anders gefragt: Warum werden die Anlässe Ride on Music und Swiss Bike Cup nicht als Grossanlässe taxiert?
Die unter dieses Geschäft fallenden Grossanlässe gelten seit vielen Jahren aufgrund ihrer Wertschöpfung als Grossanlass. Das bedeutet jedoch nicht, dass andere (grosse) Anlässe nicht mit Gemeindegeldern unterstützt werden. Diese werden jedoch über ein anderes Konto in der Buchhaltung der Gemeinde verbucht.

Gibt es einen neuen Grossanlass? Zum Beispiel das Snow-Bike-Festival (dank UCI-Klassifizierung des Rennens können Profisportler wichtige Weltranglistenpunkte in ihrer Sportart holen) oder der Bergkönig?
Grundsätzlich werden über das Pauschalbudget Grossanlässe die sechs Anlässe mit der grössten Wertschöpfung unterstützt. Ein neuer Anlass muss sich in der Region zuerst beweisen, bevor er in diesem Pauschalbudget Aufnahme findet. Nahezu alle Anlässe (auch neue) werden jedoch ebenfalls grosszügig mit Gemeindegeldern unterstützt. Alle Gemeindebeiträge werden mit dem von der Uni Bern erarbeiteten Tool berechnet. Die beiden in der Frage erwähnten Grossanlässe besitzen bei Weitem nicht die Wertschöpfung, um sie als Grossanlass zu klassifizieren.

Wie sieht es aus mit den mittleren und kleinen Anlässen? Erwähnt seien hier Gstaad alive, Mad Muni, Ride on Music – sie sind seit Jahren ein fester Bestandteil. Werden sie auch nach einem Bewertungstool unterstützt?
Sämtliche Veranstaltungen in der Gemeinde Saanen werden anhand eines standardisierten Tools bewertet und anhand ihrer wirtschaftlichen Bedeutung unterstützt.

Die Gemeindebeiträge werden ja nur ausbezahlt, wenn der Anlass stattfinden konnte. Wurde das 2020 auch so gehandhabt oder haben die Anlässe trotz Absage wegen Covid-19 Gelder erhalten?
Der Gemeinderat hat beschlossen, die Gemeindebeiträge als Defizitbeitrag bis maximal zum bewilligten Betrag auszurichten. Dieser Beschluss wurde im Mai 2020 mit einer Beschwerdefrist von 20 Tagen im «Amtlichen Anzeiger Saanen» publiziert und ist in Rechtskraft erwachsen. Alle Institutionen müssen entsprechende Abrechnungen über das Ergebnis 2020 vorlegen und abgrenzen, was allenfalls bereits für den Anlass 2021 gearbeitet wurde.

Haben kleinere Anlässe, welche 2020 nicht stattgefunden haben, auch Beiträge erhalten wie die Grossanlässe? Wenn ja welche?
Der Gemeinderat hat entschieden, auch den kleineren Events den Gemeindebeitrag auszurichten, falls eine unerwartete coronabedingte Absage ein Loch in das Budget für kommende Jahre gerissen hätte. Jedoch oblag auch den kleineren Events, genau gleich wie den Grossanlässen, eine Schadenminderungspflicht. Da die kleineren Events im Vergleich zu den Grossanlässen einen wesentlich geringeren Fixkostenblock besitzen, war bis anhin auch keine solche Auszahlung notwendig. An dieser Stelle kommt dem Finanzhaushalt der Gemeinde das grosse ehrenamtliche Engagement vieler Vereine zugute.

Werden kleinere Anlässe – Meisterschaften in verschiedenen Sportarten, Freilichttheater, Mad Muni, Oktoberfest etc. – zukünftig ebenfalls mit gut 10 Prozent mehr Gemeindebeiträgen rechnen können?
Die Beiträge an die Grossanlässe wurden mit dem Tool der Uni Bern bewertet. Der Gemeinderat hat daraufhin beschlossen, wieviel Geld gesamthaft zur Verfügung gestellt werden soll. Grundsätzlich ist der damalige Beitrag für das nicht mehr vorhandene Damentennisturnier Grund für die Beitragserhöhungen, da dieser Betrag unter den Grossanlässen aufgeteilt wird. Kleinere Anlässe werden bereits jetzt von der Gemeinde grosszügig unterstützt. Eine pauschale Erhöhung der Beiträge ist nicht geplant. Jedoch beschloss der Gemeinderat verschiedene Massnahmen zur Abfederung der Folgen des Coronavirus. Mitunter wurden auch die Beiträge für kleinere Anlässe angehoben. Jedoch handelt es sich dabei um eine befristete Massnahme.

Werden die kleineren Anlässe ebenfalls mit dem Tool der Universität Bern bewertet?
Ja.

Wie viel Geld ist noch im «alten» Topf? Wurde dieser für das Beach geleert?
Der alte Topf bzw. die Spezialfinanzierung für Sonderbeiträge hat einen Saldo von aktuell CHF 500’000.–. Die Sanierung der Sport Events Gstaad GmbH wurde nicht aus dieser Spezialfinanzierung bezahlt.

Können noch neue Grossanlässe dazukommen oder muss dafür der neue Topf bereits angezapft werden?
Die Spezialfinanzierung Sonderbeiträge für Grossanlässe steht nur für die sechs Grossanlässe zur Verfügung. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass zu einem späteren Zeitpunkt ein anderer Anlass als Grossanlass in diesen Kreis aufgenommen wird. Jedoch muss dieser Anlass zuerst eine ähnliche Wertschöpfung generieren, wie es die bestehenden Grossanlässe auch machen.

Nach jeder Durchführung bekommt die Gemeinde einen Schlussbericht inklusive Schlussrechnung. Wer kontrolliert und wer interveniert?
Die Angaben werden bei der Verwaltungsdirektion eingereicht. Diese plausibilisiert die Angaben und sucht im Bedarfsfall das Gespräch mit dem Veranstalter.

Was passiert mit der Spezialfinanzierung? Wann kann dort Geld herausgenommen werden? Und unter welchen Bedingungen?
Das diesbezügliche Reglement wurde letztmals im Frühling 2020 mittels fakultativem Referendum genehmigt. Entnahmen erfolgen gemäss Art. 1 Abs. 2 für Jubiläen, spezielle, einmalige Anlässe oder kleinere Sanierungsbeiträge. Für den Beschluss von solchen Beiträgen ist der Gemeinderat abschliessend zuständig (gem. Art. 3).


5. Öffentlicher Verkehr inklusive Winter

Wieso wird dieses Angebot nur im Winter zur Verfügung gestellt?
Das Angebot wurde von Gstaad Saanenland Tourismus und der BDG AG anhand einer Abwägung der Kosten im Hinblick auf den touristischen Nutzen konzipiert. Die Konzeption des Angebots obliegt den touristischen Leistungsträgern. Alle Beteiligten sind sich bewusst, dass im Bereich des ÖV noch Verbesserungen möglich sind. Da jedoch mehrere Gemeinden, ÖV-Anbieter und touristische Regionen betroffen sind, zeigen sich die Verhandlungen komplex. Darüber hinaus wäre ein Ausbau des ÖV-Angebots äusserst kostspielig. Die Verhandlungen für die Weiterentwicklung des Angebots laufen jedoch weiter.

Anscheinend ist das Handling technisch noch nicht bereit. Corona Gift Card und Contact Tracing zeigen evtl. neue Wege. Das Argument mit dem fehlenden Ausweissystem ist fragwürdig. Für den Versand der Gift Cards konnten die Berechtigten – ob alleinstehend oder nicht, mit Nachwuchs oder einer beeinträchtigten Person etc. – eruiert werden.
Die Gemeinde darf die Einwohnerdaten aus Datenschutzgründen nicht laufend an Private (zum Beispiel Gstaad Saanenland Tourismus) abgeben. Daher kommt nur die Gemeinde als Ausgabestelle eines «Einheimischen-Abos» in Frage. Hier käme die von Gstaad Saanenland Tourismus derzeit erarbeitete digitale Gästekarte ins Spiel. Diese ist jedoch noch nicht einsatzbereit. Wenn die Gemeinde eine digitale Berechtigung für den ÖV ausgibt, muss der Datenschutz gewährleistet, der Ausgabe- und Abrechnungsmodus schlank und effizient und die Kontrollierbarkeit gegeben sein. Eine Einführung eines nur halbwegs durchdachten Systems dient niemandem.

Es ist nicht korrekt, dass es sich bei ÖV-inklusive primär um ein touristisch motiviertes Angebot handelt. Auch aus ökologischer Sicht ist das zu befürworten und dann soll die lokale Bevölkerung auch zum Zug kommen.
Selbstverständlich beinhaltet ÖV-inklusive auch einen ökologischen Gedanken. Der primäre Fokus liegt jedoch auf dem Wohl des Gastes.

Wie viel würden denn die MOB bzw. Postauto Schweiz in Rechnung stellen wollen, wenn wir «ÖV-inklusive für alle» hätten – nur im Winter oder das ganze Jahr?
Der Preis hängt vom angestrebten Perimeter ab. Die Preise für «ÖV-inklusive für alle» wurden mit den Leistungsträgern diskutiert, jedoch nicht final verhandelt, da man sich mit den Verkehrsbetrieben nicht auf eine gemeinsame Berechnungsmethode einigen konnte. Zudem offen wäre der Verteilschlüssel zwischen Gstaad Saanenland Tourismus, Bergbahnen Destination Gstaad AG und Gemeinde sowie weiteren Gemeinden und Tourismusorganisationen. Die folgenden Zahlen bilden daher eine ungefähre Richtgrösse: Eine unabhängige Studie lässt vermuten, dass ÖV-inklusive für Einheimische die Gemeinde Saanen mehr als CHF 800’000.– pro Jahr kosten dürfte. Darin nicht enthalten wären Hotelgäste und Zweitwohnungsbesitzer. Für diese käme ein Betrag von deutlich über einer Million Franken hinzu. Würden durch die Einführung von «ÖV-inklusive für alle» die Frequenzen steigen, die Verkäufe von Abonnementen sinken etc. wäre mit weiteren Preiserhöhungen zu rechnen. Damit «ÖV-inklusive für alle» gelingt, müsste die Region inkl. der involvierten touristischen Leistungsträger über die Grenzen der Gemeinde Saanen hinaus einen gemeinsamen Nenner finden und mit den Verkehrsbetrieben müsste ein längerfristig verlässliches Kostendach ausgehandelt werden können. Eine Einführung von «ÖV-inklusive für alle» muss dauerhaft sein und macht zudem als Insellösung der Gemeinde Saanen wenig Sinn. Da man die Leistung nicht auf dem freien Markt beschaffen kann, sondern auf zwei Verkehrsbetriebe angewiesen ist, sind die Preisverhandlungen zudem dementsprechend schwierig.

Die FiKo hat die finanzielle Tragbarkeit bejaht. Hat sie sich auch für das Projekt ausgesprochen?
Die Finanzkommission äussert sich ausschliesslich zur finanziellen Tragbarkeit von Geschäften. Hinsichtlich der politischen Stossrichtung eines Geschäfts wird zudem grundsätzlich ausschliesslich die Haltung des final zuständigen Gremiums publiziert. In diesem Fall derjenigen des Gemeinderats.

Könnte die BDG Tickets ausstellen, welche nicht zur Benützung der Bergbahnen berechtigen, aber als Ausweis für den ÖV akzeptiert werden?
Solche Tickets sind derzeit noch nicht möglich. Jedoch wird im Rahmen der Schaffung einer digitalen Gästekarte versucht, den Service für einheimische und touristische Kunden zu verbessern. Welche Leistungen konkret möglich sein werden, hängt nicht nur von der Bereitschaft innerhalb der Destination ab, sondern auch von überregionalen Leistungsträgern wie beispielsweise Verkehrsbetrieben.

Wir beschliessen für drei Jahre, kann man nach einem oder zwei Jahren «umsteigen»?
Eine Anpassung des Angebots ist möglich, sofern sich die Vertragsparteien – in diesem Fall Gstaad Saanenland Tourismus und die Verkehrsbetriebe MOB und Postauto – einig werden.

In den letzten drei Jahren wurde der ÖV-inklusive jeweils im fakultativen Referendum für das Folgejahr beschlossen. Warum jetzt plötzlich für drei Jahre? Traut der aktuelle Gemeinderat dem neu zu wählenden Gemeinderat nicht?
Mit dem Beschluss für drei Jahre soll Zeit gewonnen werden, eine neue Lösung zu erarbeiten. Darüber hinaus dürfen Beschlüsse für wiederkehrende Ausgaben nicht beliebig oft für einzelne Jahre beschlossen werden. Als Grundsatz gilt, dass ab dem vierten Jahr das Geschäft dem für wiederkehrende Ausgaben zuständigen Organ vorgelegt werden muss. Im vorliegenden Fall ist dies die Stimmbevölkerung.

Der FLS (Freie Liste Saanen) gegenüber, hat der Gemeindepräsident bereits 2017 von Gesprächen mit den Anspruchsgruppen erzählt. War das falsch?
Nein, die Aussage war korrekt. Es fanden in den letzten Jahren laufend ressourcenintensive Gespräche mit Nachbargemeinden, touristischen Leistungsträgern und den Verkehrsbetrieben statt. Diese Verhandlungen sind aber äusserst komplex. Nebst verschiedenen Eigeninteressen spielt auch der technologische Wandel eine grosse Rolle. Visionäre und regionale Lösungen im Bereich des öffentlichen Verkehrs benötigen Zeit.

Warum subventioniert der Gemeinderat die Alpinskifahrer mit Gratis-ÖV, wenn dagegen gebrechliche Personen, welche auf den ÖV angewiesen sind, den vollen Preis bezahlen müssen?
«ÖV-inklusive für alle» scheitert derzeit schon an technischen und rechtlichen Voraussetzungen. Während die Gemeinde die Einwohnerkontrolldaten nicht systematisch an die touristischen Leistungsträger aushändigen darf, verlangen diese ein für den Zugbegleiter digital kontrollierbares Ausweisdokument. Den SwissPass darf die Gemeinde wiederrum nicht ausgeben und ein destinationseigenes Ausweisdokument steht noch nicht zur Verfügung. Darüber hinaus ist der Preis für «ÖV-inklusive für alle» derzeit noch zu hoch im Hinblick auf das effektive Bedürfnis.

Wie will GST den Gästen erklären, dass Alpinskifahrer Gratis-ÖV fahren, jedoch Langläufer, Schneeschuhwanderer, Tourenskifahrer usw. nicht? Sind Alpinskifahrer die besseren Gäste?
Das aktuelle Angebot ergibt sich infolge von technischen und rechtlichen Limiten, die noch nicht gelöst sind. In die Ausarbeitung des aktuellen Konzepts waren der Hotelierverein, die Bergbahnen Destination Gstaad AG, Gstaad Saanenland Tourismus und verschiedene Gemeinden involviert. Die in der Fragestellung aufgeworfene Diskrepanz ist allen Beteiligten bewusst. Eine Lösung konnte jedoch noch nicht gefunden werden. Um diese zu finden, braucht es in den Verhandlungen zwischen all den involvierten Partnern noch Zeit.

Fehlt dem Gemeinderat die Vision? Gratis-ÖV von Montbovon bis Lenk für alle das ganze Jahr kostet immer noch weniger als die vier Millionen BDG-Beiträge jährlich und die ganze Ausweisdebatte würde entfallen.
Der Gemeinderat ist sich bewusst, dass das aktuelle Angebot im Bereich des ÖV nicht vollständig den Wünschen entspricht. Im politischen Alltag grenzen jedoch finanzielle, technologische und rechtliche Vorgaben die ideale Wunschlösung oftmals ein. Unter den beteiligten Partnern konnte keine Lösung für eine Ausweitung des Angebots gefunden werden.

 

 

 

 


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