«Trail Knigge» – Benimmregeln für die Wege

  18.09.2020 Interview

Künftig werden Plakate und Tafeln mit ansprechend illustrierten Regeln an stark frequentierten Wegen zu sehen sein, die von Wanderern und Bikern gleichzeitig genutzt werden. Warum der «Trail Knigge» notwendig wurde und was sich die Initianten von Gstaad Saanenland Tourismus (GST) davon versprechen, erklärt Patrick Bauer, Leiter Destinationsentwicklung bei GST, im Interview.

JENNY STERCHI

In den kommenden Tagen lanciert der GST die Kampagne «Trail Knigge». Was ist darunter zu verstehen?
Unser «Trail Knigge» ist eine kleine Sammlung von Verhaltensregeln, die wir, bunt illustriert und mit positivem Grundton, auf Tafeln und Plakaten in den kommenden Wochen an bestimmten Stellen im Saanenland sichtbar aufstellen. Damit machen wir auf Verhaltensregeln und Benimmgrundsätze für ein gelungenes Miteinander und einen rücksichtsvollen Umgang mit der Natur aufmerksam.

Was ist die Idee hinter dem Projekt «Trail Knigge»?
Viele Wege werden von Wanderern und Bikern gemeinsam genutzt. Um eine friedliche Koexistenz beider Freizeitaktivitäten zu gewährleisten, braucht es Verständnis und Rücksicht auf beiden Seiten. Erst recht, wenn die Wege so stark frequentiert sind, wie es in den letzten Wochen zu beobachten war. Und die Möglichkeiten, zu den bestehenden Wegen noch zusätzliche zu bauen und die Nutzer zu trennen, sind im Saanenland eingeschränkt. Es fehlt oft schlichtweg der Platz, um solche Infrastrukturen zu erschliessen.

Warum braucht es eine solche Kampagne überhaupt?
Wie gesagt, in den letzten Wochen und Monaten hatten wir glücklicherweise viele Schweizer Gäste im Saanenland, die mehr wandern und biken als die internationalen Gäste. Zudem hat sich der Boom des E-Bikes nochmals verstärkt. Mit mehr Leuten auf den Wegen gibt es auch entsprechend mehr Reibungspunkte, und so hatten wir die eine oder andere Rückmeldung über Konfliktsituationen. Zum Teil sind die E-Bike-Fahrer, die zahlenmässig signifikant zugenommen haben, noch so von ihrem neuen Sportgerät fasziniert, dass sie die veränderte Situation bei Begegnungen mit anderen noch nicht richtig einschätzen können. Die Geschwindigkeit und das Bremsverhalten unterscheiden sich beim E-Bike erheblich von einem Mountainbike. Auf der anderen Seite schalten einige Wanderer so weit ab, was ja durchaus erwünscht ist, dass die Aufmerksamkeit für Passanten in den Hintergrund rückt.

Und was gehört denn jetzt zu einem rücksichtsvollen Verhalten?
Analog zum Strassenverkehr hat der schwächere Verkehrsteilnehmer, also der Fussgänger, grundsätzlich Vortritt. Er soll aber auch den Biker akzeptieren und ihn, wenn möglich,ungehindert passieren lassen. Der Biker soll sich entsprechend rücksichtsvoll verhalten. Er kann auch mal anhalten und den Wanderer passieren lassen. Dabei hilft es sehr, sich als Biker frühzeitig bemerkbar zu machen. Das in allen Bikeshops erhältliche «Trail Bell» (Glöckli) schafft beste Voraussetzungen, um reibungslos aneinander vorbeizukommen und wird von vielen gelobt. Auch wohlwollende Kommunikation und Freundlichkeit helfen im Umgang miteinander. Ein freundlicher Gruss kann schon viel bewirken. Weiter sollen beim Bewegen in der Natur alle Freizeitsportler respektvoll mit den Weidetieren umgehen, Zaundurchgänge schliessen, keinen Müll hinterlassen und Ruhezonen für Wildtiere akzeptieren. Wege sollten nicht verlassen und Bikewege nicht mit aggressiven Bremsmanövern und blockierten Rädern beschädigt werden. Auch wenn viele das Gefühl haben, dies sei cool, zerstören sie schliesslich nur das für sie Wichtigste: den Trail/Weg. Mit dem Begrenzungssignal für 10 Kilometer pro Stunde auf stark frequentierten Abschnitten werden die Biker speziell gebeten, vor Ort langsam zu fahren und Fussgänger langsam zu überholen.

Welche Medien nutzt der GST, um den «Trail Knigge» zu publizieren?
Neben den eingangs erwähnten wichtigen Tafeln vor Ort haben wir Plakate im A3-Format, die zum einen wir aufhängen werden und zum anderen von Interessierten bei uns bezogen werden können. Zudem haben wir auch kleine Aufkleber entworfen, mit denen auf Rücksichtnahme und kooperatives Verhalten in der Natur und auf Wegen hingewiesen wird. Sie können auf den Wanderstock, die Feldflasche, das Bike oder den Helm usw. geklebt werden. Personen, die unser Anliegen unterstützen wollen, können einen Aufkleber bei uns beziehen und dies so zeigen. Natürlich werden wir das Thema auch auf unseren sozialen Medien aufnehmen. Auf unserer Homepage wird bereits seit Längerem auf das richtige Verhalten hingewiesen (www.gstaad.ch/sharethetrail). Die Umgestaltung mit den neuen Illustrationen soll nach der Pilotphase im Winter erfolgen. Die Publikation des «Trail Knigges» in den bestehenden Bikekarten wird im nächsten Sommer, wenn wir den «Trail Knigge» definitiv lancieren wollen, erfolgen.

Warum wird die Kampagne gerade jetzt lanciert?
Rückblickend auf die vermehrten Meldungen bezüglich Konfliktsituationen zwischen Wanderern und Bikern während des Sommers möchten wir mit Ausblick auf die Herbstferien mit einer Pilotphase reagieren. Die offiziellen Stellen, wie Wanderwege Schweiz und die Kantonspolizei, haben den Handlungsbedarf erkannt und arbeiten an einer gross angelegten Kampagne, deren Lancierung jedoch noch nicht terminiert ist. Dank der Gemeinde Saanen, die einer Pilotphase unseres «Trail Knigges» zugestimmt hat, können wir kurzfristig Massnahmen zur Koexistenz auf Wegen bereits jetzt umsetzen und allenfalls noch wichtige Erkenntnisse für nächsten Sommer gewinnen.

Werden die Hinweisschilder überall im Saanenland zu sehen sein?
Es ist schon das Ziel, die Regeln weiträumig sichtbar zu machen. In der Pilotphase können wir auf den folgenden neuralgischen Wegabschnitten starten: Promenadenweg zwischen Saanenmöser und Schönried, Uferweg zwischen dem Hotel Bellerive und Camping Saanen sowie dem Weg zwischen Gmünte und Gstaad, ab Badweidli bis Litzi Parking. Aber auch in den Stationen der Bergbahnen und im Tourismusbüro kann der «Trail Knigge» in den kommenden Wochen zu sehen sein.

Der «Trail Knigge» kommuniziert vorwiegend über Illustrationen. Warum?
Weil geschriebene Regeln selten komplett gelesen werden und restriktiv wirken, haben wir uns für Illustrationen entschieden. Diese sind leichter zu verstehen. Der Grundton der Illustrationen ist positiv und soll positive Verhaltensweisen aufzeigen. Wir sind überzeugt, dass ein gutes Miteinander möglich ist, wenn alle rücksichtsvoll und positiv miteinander umgehen. Weiter haben wir möglichst Farben verwendet, die unserem Destinationsauftritt entsprechen. So erreichen wir neben einem positiven Unterton auch noch eine Identifikation mit der Destination.


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