Das Stille Bächlein lebt

  08.09.2020 Natur

Trotz guter Wasserqualität und einem artenreichen Uferbewuchs ist der Fischbestand im Stillen Bächlein im Grund gering. Der Angelfischerverein Saanenland nutzte einen Teil seiner Hegestunden für die handgemachte Renaturierung eines Abschnittes, ganz nach dem Motto «Fischer/innen schaffen Lebensraum».

JENNY STERCHI
«Im Verhältnis zur Gewässergrösse leben hier zu wenig Fische», so umschreibt Beat Rieder, Leiter Fischereiaufsichtskreis 2, den Zustand des Stillen Bächleins im Grund bei Gstaad. Dabei stehe ein fischereiliches Defizit im Vordergrund. «Das ist nicht gleichzusetzen mit einem ökologischen Defizit, denn die Qualität des Wassers und die Uferbeschaffenheit wären ausreichend für einen gesunden Fisch- und Wassertierbestand. Bei dieser Renaturierung wird dem Gewässer kein Material entnommen. Im Gegenteil, mit natürlichen Materialen (Wurzelstöcken, Faschinen usw.) wird das Gewässer mit Strukturen ergänzt.

Vom Kanal zum lebendigen Bächlein
«Mit den Jahren schwemmt der Bach das feine Material aus der Bachsohle weg», erklärt Rieder. «Übrig bleibt das grobe Material, welches die Gewässersohle verhärten lässt.» Diese Unterlage sei hart wie Beton, biete dadurch keine variierenden Wassertiefen, Unterstände und lockeren Kiesflächen, welche die Fische zum Leben und Fortpflanzen brauchen. Es sei eine ausgeräumte Landschaft.

Nach dem Einsatz der rund zwanzig Fischerinnen und Fischer an einem verregneten Samstag gluckert und plätschert das Stille Bächlein nun wieder. Eingebaute Wurzelstöcke, Inseln aus feinem Kies und kleine Baumstämme, ergänzt durch Reisigbündel, lassen den Bachlauf verwirbeln. «Mit den Einbauten schaffen wir Unterstände, die den Lebensraum der Fische optimieren», schildert Beat Rieder die Auswirkungen der Massnahmen. «Ausserdem verändern wir die Strömungen im Wasser. Dadurch entstehen unterschiedliche Wassertiefen und Fliessgeschwindigkeiten, welche den unterschiedlichen Altersklassen der Fische den entsprechenden Lebensraum bieten. Die Kiesinseln dienen den Fischen neu nun auch wieder als Laichplätze, sodass sich wieder ein gesunder, unbeeinflusster Fischbestand entwickeln kann.» Vielleicht können schon im nächsten Winter erste Laichgruben beobachtet werden.

Handarbeit statt schweres Gerät
Ursprünglich hatte dieses Projekt die Schwellenkorporation auf dem Programm. Für den Angelfischerverein Saanenland war dieses Projekt, das vom Fischereiinspektorat an ihn herangetragen wurde, eine willkommene Möglichkeit, Hegestunden für die fischereiliche Aufwertung auf einem Abschnitt von 200 Metern einzusetzen. «Die Arbeits- und Schaffenskraft von Hand der Fischerinnen und Fischer ist viel mehr Wert als der Einsatz von grossen Maschinen», ist Rieder überzeugt. «Das Land und der Uferbereich werden dadurch viel weniger beschädigt. Die Vereinsmitglieder sehen eins zu eins, was sie geleistet haben», freut sich Rieder. «Getreu dem Motto: Fischerinnen und Fischerschaffen Lebensraum.»

Die Gestaltung der Einbauten sei dabei ganz den Fischerinnen und Fischern überlassen, das Fischereiinspektorat steht beratend zur Seite. «Sie wissen selbst am besten, wie die Gewässer beschaffen sind, in denen sie grosses Anglerglück hatten.»

Dankbar sei der Verein für die gute und wohlwollende Kommunikation mit den Landeigentümern, dem Pächter und dem verantwortlichen Förster, dass Flächen betreten und Uferbewuchs für Reisigbündel und Holzstämme genutzt werden durften.

Der Abschnitt zwischen der Saane und dem nun neu geschaffenen Abschnitt werde noch in diesem Herbst durch die Schwellengruppe der Schwellenkorporation Saanen neugestaltet. Diese Arbeiten sind aufwendiger und bedürfen des Einsatzes von Maschinen und Geräten, nur Muskelkraft reiche da nicht.

Ersatzmassnahme für die Ersatzmassnahme
Dieses Projekt ist eine Ersatzmassnahme der MOB. In der Gruben rutschte die Bahnböschung auf einem grösseren Abschnitt langsam talwärts weg. Der Bahnbetrieb war zeitweise stark eingeschränkt. Um die Ursache für diesen Defekt herauszufinden, muss man weit zurückschauen. «Das ursprüngliche Gruben-Bächlein wurde geteilt», erläutert Fischereiaufseher Rieder die örtlichen Gegebenheiten. «Ein Teil ist verdolt (eingefasst) und wird unter dem Trottoir in der Gruben entlanggeführt, bevor es bei der Bäckerei Brand oberhalb der Kantonsstrasse wieder an die Oberfläche tritt. Als Ersatzmassnahme für die Eindolung (künstliche Wasserfassung) wurde damals oberhalb der Bahnlinie der zweite Teil – das Weissenfluh-Bächlein – geschaffen.» Dort diente es dem Angelfischerverein Saanenland lange Zeit als Aufzuchtgewässer. Im Lauf der Jahre versickerte das Bachwasser immer mehr in den Bahndamm, auf dem die Eisenbahnschienen Richtung Gstaad entlangführen.

«Für die MOB war klar, dass das Bächlein durch eine Sickerleitung ersetzt werden muss. Weil es aber damals eine Ersatzmassnahme war, musste diese andernorts wieder geschaffen werden.» Auf der erneuten Suche nach einer Ersatzmassnahme stiessen die Verantwortlichen auf das Stille Bächlein im Grund. Mit der Aufwertung kann der Bach als Ausgleichsfläche für das nun auch künstlich geleitete und eingefasste Weissenfluh-Bächlein genutzt werden. Nicht zuletzt konnten mit dem Einsatz des Angelfischervereins die Kosten, die von der MOB übernommen werden, gering gehalten werden.

 


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