Dem Nachwuchs auf die Sprünge helfen

  11.09.2020 Saanen

Während die Athleten des alpinen Skisports bereits seit einigen Jahren auf der homologisierten Rennpiste an den Hublen in Saanen trainieren, sollen nach sorgfältiger Planung nun die Schanzen für den Skisprungnachwuchs das Angebot im Trainingszentrum Hublen ergänzen.

JENNY STERCHI
Einen Schritt in Richtung Realisation hat der Verein Skifuture Saanenland diesen Sommer getan, indem er ein umfassendes Baugesuch stellte, das den Bau eines kompakten Betriebsgebäudes, die Strassenverlegung auf einem Abschnitt der Rübeldorfstrasse, der das Trainingszentrum tangiert, und die Erstellung von drei FIS-normkonformen Skisprungschanzen beinhaltet.

Das Projekt besticht durch Ganzheitlichkeit. Dabei finden sowohl der Nachwuchs als auch bereits etablierte Athletinnen und Athleten optimale Trainingsanlagen, begleitet von zweckmässiger Infrastruktur und kompakt geplanter Einrichtung.

Vorher – nachher
Ein Trainingstag an den Hublen hatte bis anhin häufig mit matschigen Schuhen, aufwendigen Materialtransporten und Aufenthalten im Container zu tun. Bereits die Zufahrt und das Parkieren erwiesen sich im aufgeweichten Boden als echte Herausforderungen. Eine geordnete Parksituation war mit den örtlichen Gegebenheiten einfach nicht möglich. Doch häufig verlangte der Transport des mitgeführten Trainingsmaterials mehrere Runden durch den «Pfudel». Lagermöglichkeiten vor Ort standen nur bedingt in Baracken zur Verfügung. Jeder Skiclub, jede Trainingsgruppe schaute, dass sie Slalomstangen, Bohrer und übriges erforderliches Trainingsmaterial mitführten. Zu einem effizienten Training gehören nicht nur die Trainingsläufe auf der Piste. Ebenso wichtig ist mittlerweile die kurzfristige Analyse der Fahrten durch den Trainer. Dafür begaben sich die Athletinnen und Athleten bis anhin in die wenig anheimelnden Container beim Pistenauslauf. Sie boten auch die Aufenthaltsalternative bei Regen. Wahrlich keine attraktive Trainingssituation und nicht Gstaad-like.

«Ist das auf dem Papier durchgeplante Trainingszentrum mal realisiert, steht einem auf ganzer Linie professionellen Trainingstag an den Hublen nichts mehr im Weg», ist Christian Hauswirth, Präsident des Verein Skifuture Saanenland , überzeugt, hat er doch während über zehn Jahren als Technischer Delegierter der FIS geamtet und genau hingeschaut, was der Standard ist und was es braucht. Neben Normkonformität der technischen Anlagen spielt auch der Komfort für die Nutzer eine bedeutende Rolle. «Dabei geht es nicht um hochwertig gestaltete Innenräume. Viel wichtiger sind geordnete Zugänge, klare Strukturen und Funktionalität der Räumlichkeiten», beschreibt Hauswirth die Aufwertung mit dem Bau der geplanten Anlage.

Mit einem Einstellplatz für die Pistenmaschine und die Schneekanonen, die über den Sommer nicht im Freien gelagert werden sollen, sowie einem Werkstattraum sind dazu beste Arbeitsbedingungen für den Betriebsleiter von Skifuture geschaffen.

«Wir sehen ein Vorzeigebeispiel im Oeyetli. Einst wurde der Pumptrack im guten Willen mit Schotter aufgebaut und mässig benutzt. Später wurde er in seinige jetzige professionelle Form gebracht und heute wird er rege benutzt. Dies ist für mich das beste Beispiel dafür, dass Anlagen auf dem neusten Stand sein müssen, um Erfolg zu haben», betont Christian Hauswirth.

Lange und bewegte Planungsphase
Seit über zehn Jahren sind die Verantwortlichen mit der Planung und der schrittweisen Umsetzung des gesamten Trainingszentrums beschäftigt. Sich ändernde Bedingungen und Voraussetzungen erfordern echten Durchhaltewillen. Ursprünglich war die Integration eines Kleinkraftwerkes der BKW geplant. Das Turbinenhaus sollte im Betriebsgebäude von Skifuture seinen Platz finden, Konzessionsprüfungen in Bern waren auf guten Wegen. Dann kam die Energiewende und damit war das Projekt gestorben, da das Kraftwerk der BKW zu wenig Ertrag gebracht hätte, weil sie keine Rückvergütungen mehr erhalten.

Synergien und Dialog
«Wir haben ganz bewusst die Schanzengrössen für Saanen der Situation in Kandersteg angepasst», sagt Hauswirth und weist auf die gute Zusammenarbeit mit dem Trainingsareal im Kandertal hin. Mit drei Schanzen, die 15 Meter, 35 und 60 Meter gross sind, werde das Schanzenangebot in Kandersteg optimal ergänzt. Hierfür wurden Anpassungen in der Überbauungsordnung notwendig, da in der Planung die grosse Schanze verkleinert wurde und eine kleine Schanze hinzukam.

Um den Zeitaufwand nicht weiter anwachsen zu lassen, strebte Skifuture Saanenland ein kombiniertes Verfahren an, bei dem Überbauungsordnungsanpassung und Baubewilligung als ein grosser Schritt absolviert werden können. Einige Einsprachen, die auf das Baugesuch hin eingingen, werden in den kommenden Tagen zu besprechen sein. «Unser Ziel ist es, mit den Einspracheführenden zusammenzukommen, ihre Bedenken anzuhören und Lösungen zu finden, um an der Gemeindeversammlung die Zustimmung der Bevölkerung zu erhalten, das Projekt endlich realisieren zu dürfen», erläutert der Präsident von Skifuture Saanenland die nächsten Schritte.

Im Anschluss an die erhoffte Zustimmung durch die Gemeindeversammlung erhält der Kanton wiederum drei Monate Zeit, um die Bewilligungen nochmals zu prüfen.

Die Finanzierungsplanung läuft bereits parallel. Das Projekt Skifuture Saanenland ist bei verschiedenen nationalen Sportförderprogrammen deponiert.

Schritt für Schritt
Der erste Schritt in der Umsetzung ist die Erstellung des Betriebsgebäudes und die Strassenverlegung. Die Verlegung der Rübeldorfstrasse im Raum des Pistenauslaufes und des zu erstellenden Betriebsgebäudes sorgt für mehr Platz für den Schlussteil der Alpinpiste. Zusätzlich zu einer Gefahrenminderung für die Athleten würde auch die Abschaffung der «schlammigen» Parkplatzsituation resultieren und der Zutritt zum Trainingszentrum erschiene einladend. Der seit längerer Zeit bekannte Problematik der Lärmemissionen durch Lautsprecheransagen bei Rennveranstaltungen und Rangverkündigungen könne mit dem Neubau gelöst werde. Die über Lautsprecher abgegebenen Renninformationen erreichen neu nur noch die Zuschauer auf der Terrasse. Medaillenübergaben können alternativ im Clubhaus abgehalten werden und stören nicht länger die umliegenden Anwohner.

Mit dem Bau eines Betriebsgebäudes sorgt Skifuture Saanenland für einen ordentlichen Auftritt. Mit einem kompakten und übersichtlichen Gebäude werden klare Strukturen mit abgetrennten Lager- und Technikräumen, dem Aufenthaltsraum und einer Kantine geschaffen. Die direkte Zufahrt für Rettungsfahrzeuge bis zum Schanzenauslauf und zum Zielbereich der Rennpiste birgt einen wesentlichen Vorteil.

An der alpinen Piste und dem bestehenden Lift müsse nichts verändert werden bis auf die weiterführende Pistenbeleuchtung bis hinauf zum Starthaus. Die bestehende Überbauungsordnung erlaubt Flutlicht bis 22 Uhr und diesem Umstand verdanken viele Skiclubs und Demoteams Trainingsmöglichkeiten am Abend. Bei der Pistenpräparation orientiere sich Skifuture an den Wettkampfbedingungen, die im Rennsport standardisiert sind. Das die Piste nicht von Skigästen befahren werden kann, werde die Beschaffenheit der Piste nicht zusätzlich verändert. Ein weiterer, sehr wichtiger Vorteil der räumlichen Trennung von öffentlichen Skipisten ist das minimierte Unfallrisiko. Die Athletinnen und Athleten können den Trainingsbetrieb selber gestalten, ohne Skigäste berücksichtigen zu müssen. Die BDG erweise sich hier als zuverlässiger Partner von Skifuture und unterstütze die Aufbereitung der Kunstschneepiste. «Die Schneekompetenz muss sicherlich noch verbessert werden», erläutert Hauswirth und fügt an: «Auch daran arbeiten wir. Das angestrebte Ziel ist, den Lift möglichst früh zu öffnen.» Wie stark das Trainingsgelände bereits frequentiert ist, zeigt der gut gefüllte Belegungsplan während des Winters. Da die Trainings gestaffelt und nur nach Anmeldung durchgeführt werden, könne eine Überlastung der Trainingsanlage ausgeschlossen werden. Das Trainingsangebot wird nicht nur von Einheimischen, sondern auch von Kindern und Jugendlichen aus den umliegenden Regionen wie Lenk, Zweisimmen und Châteaux-d’Oex sowie Rougemont genutzt. Dahinter steht die Idee der Zusammenarbeit mit allen umliegenden Regionen.

Im zweiten Schritt zum Schanzenbau
Bei den geplanten Skisprunganlagen handelt es sich um Kinderschanzen. Das Bauprojekt ist eine Idee zur aktiven Nachwuchsförderung. Mit Jumplan, dem im Saanenland ansässigen und schweizweit einzigen Unternehmen für Planung von Skisprungschanzen, hat Skifuture die Planungsressource quasi vor der Haustür. Sie planen die Schanzen anhand der geltenden FIS-Normen.

«Den alten Anlagen in Gstaad, oder auch einigen seinerzeit in Kandersteg und St. Moritz, wurden keine Betriebsbewilligungen mehr erteilt, da keine Erneuerungen und Anpassungen vorgenommen wurden und sie somit nicht mehr den aktuellen Richtlinien und Sicherheitsstandards entsprachen», erklärt Hauswirth die traurige Situation der vergangenen Jahre im Umgang mit dem Skispringen als olympische Schneesportdisziplin. «Für skisprunginteressierte Kinder in der Region ist die Situation derzeit mehr als unbefriedigend. Die Schanzen in Kandersteg/ Einsiedeln oder Trainingsanlagen in Frankreich sind derzeit die einzigen Möglichkeiten für die jungen Athletinnen und Athleten.» Dies erfordere lange Anfahrten und viel Motivation sowohl bei den Kindern als auch bei den Eltern. Gstaad blicke auf eine lange und erfolgreiche Skisprungtradition zurück, gegenwärtig sei es jedoch aufgrund fehlender Trainingsinfrastrukturen sehr aufwendig, die Leidenschaft fürs Skispringen bei den Kindern aus dem Saanenland, Pays-d’Enhaut und Lenk-Zweisimmen zu wecken.

Mit den neuen Schanzenanlagen können Kinder früh ins Skispringen einsteigen, denn die Eltern können ihre Sprösslinge auf die kleinste Schanze hinaufbegleiten. Mit den beiden grösseren Schanzen sind eine kontinuierliche Leistungssteigerung und ein professioneller Trainingsaufbau möglich. Ein geordnetes, modernes und überschaubares Trainingsareal bietet dem Nachwuchs eine gute Perspektive.

Auch der Bau eines Sprungrichterturms ist geplant. Diese Einrichtung braucht es, um anerkannte Wettkämpfe durchführen zu können. Die Attraktivität, welche in den Trainingsmöglichkeiten im Sommer steckt, wirkt sowohl auf Athleten als auch auf Passanten.

Grosse Nachfrage
Derzeit begeistern sich gegen 300 Kinder im JO-Training für den Schneesport. Das bestätigt, dass die Skiclubs der Region und der nahen Umgebung sehr gute Arbeit leisten. Das Interesse beim Regionalen Leistungszentrum Gstaad (RLZ), das die Trainingsanlage zukünftig als Homebase betrachten kann, ist ebenfalls sehr gross. Auch Nationale Leistungszentren sind interessiert und kommen bereits heute ins Trainingszentrum, das mit kurzen Wegen zum Trainingsort (keine langen Anfahrten, kein Gondelzubringer) punktet.

Mit einer professionellen Trainingsanlage können Skispringer und alpine Rennathleten bestmöglich an den Schneesport auf Renn- und Wettkampfebene herangeführt werden. Die nicht beschneite Langlaufloipe, die auf der gegenüberliegenden Strassenseite vorgesehen ist, soll die Trainingsloipe in Schönried ergänzen. «Die Zusammenarbeit mit Schönried erscheint uns für die Langlaufathleten und die nordischen Kombinierer sehr wertvoll», unterstreicht Hauswirth.


SKISPRINGER SANDRO HAUSWIRTH ZUM PROJEKT SKIFUTURE

«Ich bin überzeugt, dass sich mit diesem Projekt viel mehr junge Athletinnen und Athleten der Region für das Skispringen begeistern würden. Mit einer Einstiegsschanze, die praktisch vor der Haustür liegt, gewinnt die Disziplin an Attraktivität. Ich habe viele kleine begeisterte Skifahrer gesehen, die im Winter über die Schneeschanzen geflogen sind und es cool fanden. Aber wenn der Schnee weg war, haben sie das Skispringen wieder aus den Augen verloren. Auf der geplanten Anlage könnten die Kinder im Sommer auf speziellen Matten, die auf den Schanzen aufliegen, auch trainieren und bei den Kollegen, die zuschauen kommen, ist vielleicht plötzlich auch die Neugier geweckt. Ich hätte mir so etwas sehr gewünscht in meinen Anfangsjahren. Die Realität sah jedoch anders aus. Mit Zug und Bus reisten wir für das Training jeden Mittwoch in den französischen Jura. Es ist eine enorme Chance für den Schneesportnachwuchs im Saanenland und in den Nachbarregionen. Übrigens käme auch ich noch in den Genuss, denn auch die Springer der Kadergruppen starten nach der Saisonpause im Frühling mit dem Training auf Jugendschanzen. Das wäre was, wenn ich zum Training von daheim aus laufen könnte.»

 


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