Herausfordernde Verhandlungen

  18.09.2020 Landwirtschaft, Tourismus

Die Harmonisierung der Entschädigung der Landeigentümer durch die Bergbahnen Destination Gstaad AG (BDG) läuft auf Hochtouren. Die Stimmung bei den Landeigentümern ist unterschiedlich: Alle verstehen, dass es eine Vereinheitlichung braucht, trotzdem gibt es Kritikpunkte.

BLANCA BURRI
Weil die Skipisten und Bergbahnen über fremdes Eigentum führen, geschäften viele Bergbahnen sozusagen auf fremdem Eigentum. Im Gegenzug erhalten die Landeigentümer von den Bahnen eine Entschädigung für Pisten, Zäune, Ertragsausfall, Seil- und Masten, Beschneiungsanlagen sowie Baurechte. Ebenfalls gehört die Freikartenregelung dazu. Das Ganze ist seit jeher ein sehr komplexes Thema.

Ein Blick zurück
Weil die Landeigentümerentschädigung vor der Sanierung der BDG 2016 höher war als im Schweizer Durchschnitt, ist sie Teil des Sanierungsprozesses. Deshalb befindet sich die BDG mitten im Harmonisierungsprozess. Sie ist daran, die Vereinbarungen für 300 Landparzellen im Detail zu analysieren und zu harmonisieren. Die Entschädigungen beruhten bisher auf individuellen Verträgen. Zum Teil sind sie schriftlich vorhanden, zum Teil nur mündlich überliefert. Eine Arbeitsgruppe hat nun ein Reglement ausgearbeitet, das alle Entschädigungen einheitlich regelt und auf dem die neuen Verträge für die Pistenentschädigung basieren (Harmonisierung). Bereits rund 40 Prozent aller Landeigentümer haben die entsprechenden neuen Pistenentschädigungsverträge unterschrieben.

Gewisse Unzufriedenheit
Einige Landeigentümer sind seit Längerem mit dem Verhalten der BDG nicht einverstanden. Sie haben das Gespräch mit dem «Anzeiger von Saanen» gesucht. Da sich die Verhandlungen in einem heiklen Stadium befinden, möchten sie jedoch anonym bleiben. Nach diesem Gespräch ging die Zeitung auf andere Landbesitzer (Ueli Thoenen, Alpgenossenschaft Hornberg, und Dominik Matti, Pächter des Bergs Bodmen bei der Wispile) sowie die BDG zu. Dort sind Verwaltungsratspräsident Heinz Brand und Adrian Di Camillo, Leiter Finanzen, für die Beziehungen mit den Landeigentümern verantwortlich. Im folgenden Artikel werden vier Hauptkritikpunkte behandelt.

Vereinheitlichung wird befürwortet
Dass es eine Vereinheitlichung der Entschädigungen braucht, stellen die Landbesitzer nicht in Frage. Die meisten unterschreiben die Verträge mit einzelnen Vorbehalten. Ueli Thoenen, Präsident der Alpgenossenschaft Hornberg, sagt, die Alpgenossenschaft habe den neuen Vertrag unter drei Bedingungen unterschrieben: 1. wenn mindestens 60 Prozent aller Landeigentümer unterschrieben haben, 2. wenn mindestens 60 Prozent der Entschädigungssumme in den unterschriebenen Verträgen geregelt ist, 3. wenn es alle fünf Jahre eine Neuprüfung der Entschädigungsparameter gibt. Die Bedingungen begründet Ueli Thoenen mit der Solidarität: «Damit ist garantiert, dass nicht nur die Alpgenossenschaft Hornberg, sondern eine Mehrheit der Landeigentümer Federn lässt.» Dass es trotzdem Sonderfälle geben wird, sei normal, so Thoenen. Wichtig bleibe, dass es nicht zu viele seien.

Das Bewertungstool
Was den Landeigentümern zu schaffen macht, sind das Bewertungstool, das Landeigentümerverzeichnis, die Umgangsform und die Nachhaltigkeit.

Das Bewertungstool, das heisst die neue Entschädigungsmethode, wurde von einer Arbeitsgruppe bestehend aus fünf bzw. sechs Landeigentümern (je Einstiegsportal ein Vertreter) und zwei Vertretern seitens BDG entwickelt. «Hinter dem neuen Berechnungstool stecken viele gute Gedanken», sagen die Landeigentümer unisono. «Aber man merkt, dass viele Landwirte und keine Touristiker am Berechnungssystem gearbeitet haben», bemängelt ein Landbesitzer stellvertretend. Das heisst konkret, dass das Tool aus landwirtschaftlicher Sicht berücksichtigt, wie intensiv das Land genutzt wird und auf welcher Höhe es liegt. Je intensiver die landwirtschaftliche Nutzung, desto mehr Taxpunkte gibt es. Deshalb werden Flächen auf dem Berg neu finanziell tiefer entschädigt (0.75 Taxpunkte) als früher, die Talbetriebe dafür höher (3 Taxpunkte). Ebenfalls wird berücksichtigt, wie stark die Beanspruchung der Pisten ist (Pistenfahrzeug, technische Beschneiung etc.). Je höher die Beanspruchung, je mehr Taxpunkte. Ganz ausser Acht gelassen wird, wie viele Einnahmen die Bergbahnen auf einem Berg erwirtschaften, was früher anders war. Zum Beispiel war die Landentschädigung rund um das Gebiet Saanersloch/Hornberg höher als an der Videmanette.

Verlagerung der Entschädigung
Ziel der Harmonisierungsbestrebungen der BDG ist, eine branchen-/benchmarkübliche Pistenentschädigungen. Von St. Stephan bis Rougemont wird 3 Prozent des relevanten Nettoverkehrsumsatzes entrichtet. Durch die individuellen Verträge trifft es einige Landeigentümer aber viel härter als andere. Ein Landeigentümer, mit dem der «Anzeiger von Saanen» gesprochen hat, erhält gerade noch 17,5 Prozent des ehemaligen Beitrags. Nehmen wir als Beispiel eine Entschädigung von 15’000 Franken, die künftig auf 2625 Franken schrumpft. «Dieser Unterschied ist für uns markant», sagt der betroffene Landeigentümer.

Die BDG bestätigt, dass es zum Teil grosse Verlagerungen der Entschädigungen gebe. Eine Harmonisierung bringe mit sich, dass es, bezogen auf die Höhe der Entschädigung, «Gewinner» wie «Verlierer» gibt. Im Gegensatz dazu wäre eine Angleichung gewesen, bei der die höheren Entschädigungen als Referenz gegolten hätten, was die BDG nie anstrebte. Verwaltungsratspräsident Heinz Brand: «Das genannte Beispiel zeigt zudem auf, dass die individuellen Verträge nicht fair waren. Einige Landeigentümer haben bisher profitiert.» Das Argument, dass das Saanersloch und der Hornberg die Goldkuh der BDG sei und dort deshalb höhere Beträge ausbezahlt werden sollten als anderswo, lässt er nicht gelten. «Es ist egal, wo wir wie viel Umsatz erwirtschaften, wir sind eine Unternehmung und wir wollen alle gleich behandeln.»

Das Landeigentümerverzeichnis
«Vor der Ära In-Albon/Brand wurde viel verschlampt», ist sich Ueli Thoenen sicher. Deshalb müssten die aktuellen Verantwortlichen viel ausbügeln. Dem stimmen auch weitere Landeigentümer zu, welche die Situation schon lange beobachten. Ihnen ist aufgefallen, dass bei einigen Mitarbeiterwechseln viel Wissen verloren gegangen sei. Dazu sagt Adrian Di Camillo, dass die ganze Thematik Landeigentümerverzeichnis ein sehr komplexes Thema sei. Die BDG sei 2004 fusioniert worden, die Verträge stammten aber grösstenteils aus der Zeit, als die Vorgängergesellschaften ihre jeweiligen Bergbahnen gebaut haben. Ergänzungen seien teilweise handschriftlich erfasst, andere seien nur mündlich überliefert worden. Leider sei das Landeigentümerverzeichnis inklusive der dazugehörenden Abmachungen und Verpflichtungen nie zentral, einheitlich und somit einfach nachvollziehbar abgelegt worden. Deshalb sei es besonders schwierig, die Übersicht über die 300 Grundstücke zu erlangen. Di Camillo bestätigt: «Bisher erfolgte die Datenpflege und -ablage der Landeigentümer bei der BDG nicht zeitgemäss.» Seit der Sanierung vor fünf Jahren arbeitet die BDG an der Aufarbeitung des Verzeichnisses. Hierzu hat ein Ingenieurbüro im Auftrag der BDG eine GIS-Datenbank angelegt. «Wir speisen diese Datenbank nun laufend, aber es wird noch länger dauern, bis alle Daten elektronisch erfasst und korrekt zugeordnet sind», informiert Di Camillo.

Wechsel macht Sorgen
Ende September steht nun ein weiterer Personalwechsel an. Adrian Di Camillo, der gemeinsam mit Heinz Brand für die Anliegen der Landeigentümer verantwortlich ist, verlässt die BDG. Einige Landbesitzer hatten viel Hoffnung in ihn gesetzt. Sie gingen davon aus, dass er ihre Anliegen klärt. Mit dem Wechsel befürchten sie eine weitere Lücke. Heinz Brand beruhigt: «Adrian Di Camillo wird uns vorerst als Teilzeitmitarbeitender in Sachen Landeigentümer noch während eines gewissen Zeitraums erhalten bleiben. Gemeinsam wollen wir die Angelegenheit ganz bereinigen.». Zudem sei mit Sandro Karlen bereits ein Nachfolger für ihn gefunden worden.

Partner auf Augenhöhe?
Nicht alle Landeigentümer kommen mit den Umgangsformen der BDG zurecht. Sie beklagen einen rüden Umgangston, unbeantwortete E-Mails, Versprechungen, die nicht eingelöst werden und Aussagen, die sie als Druckmittel verstehen. Das geht nicht allen gleich. Ueli Thoenen zum Beispiel fühlte sich mit seinen Anliegen und Ansichten von der BDG immer ernst genommen. Gleich geht es Dominik Matti, Pächter des Bergs Bodmen bei der Wispile. Eine andere Person beklagt sich: «Ich finde, die BDG sieht mich nicht als Partner, sondern als Manövriermasse.» Diese Person ist enttäuscht, dass ihr nicht auf Augenhöhe begegnet wird. Damit ist sie nicht alleine, denn die Aussage wird von verschiedenen Landeigentümern gestützt. Dieses Problem sei vor allem in der mündlichen Kommunikation spürbar. Wenn die BDG etwas wolle, werde Druck ausgeübt und nicht mit offenen Karten gespielt. In diesem Punkt wehrt sich Heinz Brand: «Wir sind immer für Transparenz.» Es könne schon sein, dass seine autoritäre Art und seine laute Stimme nicht immer gut ankomme, aber: «Ich will eine Linie haben und alle Landeigentümer gleich behandeln. Das Ziel der BDG ist es, 60 bis 70 Prozent aller Landeigentümer einheitlich zu entschädigen und das geht nicht, wenn ich auf jede Forderung eintrete.» Aber er begegne allen Landeigentümern mit Respekt und er nehme sie ernst, sagt Brand.

Leere Versprechungen
Selbstkritisch zeigen sich Adrian Di Camillo und Heinz Brand beim Thema leere Versprechungen. In den Jahren vor der Sanierung sind vereinzelt Abmachungen getroffen worden, welche nicht umgesetzt worden sind. Wenn der BDG ein Fehler unterlaufen sei oder wenn sie etwas von den Landeigentümern gewollt habe, habe sie teilweise unrealistisch reagiert. Grosse Versprechungen seien gemacht worden und zum Teil nie eingelöst worden. «Damals hatte die BDG so viele und so vielschichtige Probleme, dass sie wohl die Übersicht verloren hat», erklärt Brand. Die Versprechungen seien zwar notiert, aber zum Teil nie oder manchmal nicht zur Zufriedenheit der Landeigentümer eingelöst worden. «Wir arbeiten nun all diese Fälle auf und bei allem, was wir anpacken, tauchen wieder neue Ungereimtheiten auf. Das ist sehr anstrengend und zeitraubend, aber wir wollen uns diesen schwierigen Situationen stellen und endlich klar Schiff machen.»

Wirtschaftlichkeit vor Biodiversität
Die Landeigentümer kritisieren in ihrem letzten Punkt die Ansichten betreffend Nachhaltigkeit. Sie beklagen, dass die BDG im Bereich der natürlichen Ressourcen aus ihrer Sicht zu rücksichtslos handelt. Als Beispiel nennen mehrere Grundstückbesitzer, dass bei Bauarbeiten auf einer grösseren Kulturfläche Schaden entstanden sei, als abgemacht. Diese würden dann oftmals nicht zufriedenstellend aufgeräumt, beseitigt oder entschädigt. «Ich finde, in diesem Punkt denkt die BDG zu wirtschaftlich und zu wenig ökologisch und nachhaltig», hält jemand fest. Heinz Brand und Adrian Di Camillo wehren sich: «Unsere Bautrupps machen grundsätzlich hervorragende Arbeit.» Aber auch hier gelte: «Wo gearbeitet wird, gibt es Fehler.» Bei einzelnen Landeigentümern seien in der Vergangenheit Schäden entstanden und die seien nicht zur Befriedigung der Eigentümer beseitigt worden. Brand wiederholt: «Wir sind daran, aufzuräumen und aufzuarbeiten, aber es gibt noch viel zu tun.» Wichtig sei, dass die laufenden Verhandlungen sauber geführt würden und dadurch ein nachhaltiges und partnerschaftliches Verhältnis mit allen Landeigentümern aufgebaut werden könne.

Nicht organisiert
Wie einleitend beschrieben, ist die Zusammenarbeit der Landbesitzer mit der BDG ein heikles und komplexes Thema. Wichtig erscheint, dass die aktuelle Harmonisierung sauber und respektvoll geschieht und die weitere Zusammenarbeit der beiden Partner auf ein solides Fundament zu stehen kommt.

Weitere Recherchen haben ergeben, dass sich die Landeigentümer trotz der gemeinsamen Interessen weder gemeinschaftlich organisiert noch die landwirtschaftliche Vereinigung Saanenland als Mediator um Hilfe gebeten haben.

Wenn 60 bis 70 Prozent der Landeigentümer die Verträge unterzeichnen, wird das Landeigentümerreglement und somit die Harmonisierung der Pistenentschädigung durch den Verwaltungsrat in Kraft gesetzt.


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