Von Sandwiches und Urwaldexpeditionen

  11.09.2020 Leserbeitrag

RANDNOTIZ

NADINE HAGER
Jeden Abend gerate ich in dieselbe Situation: Wenn ich nach Hause komme und die Wohnungstür hinter mir ins Schloss drücke, atme ich auf zwischen einem anstrengenden Tag, der hinter mir liegt und einem anstrengenden Abend, der vor mir liegt. Arbeit und Einkäufe sind dann zwar abgehakt – doch Wäsche, Küche und Buchhaltung warten bereits auf mich. In diesem Sandwichmoment der Erschöpfung ohne Aussicht auf eine Pause ist es nur verständlich, dass ich mit Motivation geize. Als ob ich den anstehenden Pendenzen freiwillig meine Energie hergeben würde nach einem anstrengenden Arbeitstag! Für Details habe ich dann absolut keine Nerven mehr. Und genau damit steuere ich mich selbst ins Abseits – jede Woche von Neuem. Dann nämlich beginne ich alles, was ich in die Finger bekomme, einfach irgendwohin zu pfeffern. Die Jacke über den Stuhl, den Rucksack in die Ecke, die Schuhe in den Gang ... Kamera auf den Esstisch, Socken auf das Sofa, Kopfhörer auf das Bett, Kameraakkus in die Küche und alles andere: auf den Boden. Als ob ich meine kostbare Energie verschwenden würde, auch nur eine Sekunde zu überlegen, wohin ich all das Zeug schmeisse. Ich meine, wo keine Energie ist, ist auch keine Ordnung. Und so kommt es: Tag für Tag scheinen meine Besitztümer die «Mission Wohnungsinvasion» voranzutreiben und überwuchern dabei alles, was in Reichweite liegt. Das ist die Symptomatik des Die-Luftist-raus-und-ich-will-nicht-mehrdenken-Syndroms. Und jede Woche beginne ich deshalb von vorne damit, meine Wohnung aufzuräumen. Wie eine Urwaldexpedition ist das – ein langsames Vortasten in unübersichtlichen Gefilden. Vor allem aber ist es anstrengend. Welch ein aussichtsloser Teufelskreis!

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