«Heuer fahren wir nicht – es macht keinen Sinn»

  24.11.2020 Publireportage

Nez Rouge betreut während den Feiertagen 2020 keinen Heimfahrdienst – wegen Corona. Der im Sommer gefällte Entscheid ist sicher richtig, umso mehr die Situation sich ständig noch zuspitzt. Ein Gespräch mit Beni Zimmermann, Präsident von Nez Rouge Berner Oberland.

Wenn die Tage kürzer und die Geschäftsessen häufiger werden, tritt normalerweise der Heimfahrdienst von Nez Rouge in Aktion. Dieser hat es sich schweizweit auf die Fahne geschrieben, jeweils im Dezember Fahruntüchtige in ihrem eigenen Fahrzeug nach Hause zu chauffieren. Denn Alkohol, Müdigkeit, Stress oder Medikamente am Steuer sind ein No-Go. Laut der Beratungsstelle für Unfallverhütung sind aber immer noch bei jedem neunten schweren Verkehrsunfall erhöhte Promillewerte im Spiel. Mit der Aktion Nez Rouge wollen Freiwillige auch im Berner Oberland die Autofahrenden davon abhalten, in fahruntüchtigem Zustand nach dem Schlüssel zu greifen.
So wird in normalen Zeiten jeden Dezember das Säli des Restaurants Kreuz in Allmendingen zum Nez-Rouge-Hauptquartier, wo sich abends die Fahrer* innen für ihre Einsätze einfinden. Nach einem gemeinsamen Essen nehmen sie ab 21.30 Uhr die ersten Anrufe entgegen und chauffieren dann in Zweierteams Fahruntaugliche und ihre Autos nach Hause.
Vonseiten längjähriger Fahrern für Nez Rouge tönt es dann etwa so: «Ich bin pensioniert und engagiere mich gerne ehrenamtlich. Zudem lernt man dabei viele Menschen kennen.» Die Erfahrung zeigt, dass die Leute, die gefahren werden, sehr verantwortungsvoll sind und aus den verschiedensten Schichten und Altersklassen stammen.
«In erster Linie ist Nez Rouge eine Kampagne für mehr Sicherheit im Strassenverkehr», bringt es Beni Zimmermann, Präsident der Sektion Berner Oberland, auf den Punkt. Jedes Jahr koordinieren er und sein Team die rund 300 Freiwilligen und bis zu 600 Fahrten. Auch er fährt mit: «Unsere Familie feiert an anderen Tagen, da habe ich am 24. Dezember Zeit.» Der Schlusspunkt bildet jeweils der Silvester mit etwa 100 Fahrten: In dieser Nacht sind gegen 20 Fahrzeuge und 43 Helfer* innen im Einsatz. Gefahren wird ab halb zehn Uhr abends bis um sechs Uhr morgens: von Feutersoey bis nach Bern, ins Seeland oder bis ins Emmental. Das Gebiet von Nez Rouge Berner Oberland umfasst einen grossen Radius, wobei den Helfer*innen am liebsten die weiten Fahrten sind. Der Service ist kostenlos, eine freiwillige Spende ist natürlich stets willkommen. Dabei geben einige ihr letztes Münzgeld, wobei auch schon eine Tausendernote ihren Besitzer gewechselt hat. Der Erlös geht jedes Jahr an eine andere gemeinnützige Organisation im Berner Oberland.

Wer hat’s erfunden?
Die Idee zum Heimfahrdienst Nez Rouge kam einem Kanadier namens Jean-Marie De Koninck im 1984 in Québec. Ausschlaggebend war eine Radio-Durchsage, wonach 50 Prozent aller tödlichen Unfälle während den Festtagen auf Trunkenheit am Steuer zurückzuführen seien. Dazu liessen die Nachtschwärmer auch im Land des Ahornsirups nur ungern ihre Fahrzeuge beim Lokal stehen. Von Anfang an war De Koninck klar, dass diese Dienstleistung kostenlos sein musste, wobei die dabei gesammelten Spenden an Organisationen verteilt wurden, welche die Jugend und den Amateursport unterstützten. Nez Rouge wurde über Québec hinaus ein voller Erfolg, auch auf der Ebene des Sensibilisierens, und kam 1990 vom Jura her in die Schweiz. Heute gibt es in der ganzen Schweiz 23 Sektionen, und man feierte 2019 das 30-jährige Bestehen.

In diesem Jahr ist alles anders
Aufgrund der unsicheren Situation rund um Corona haben die Verantwortlichen von Nez Rouge Sektion Berner Oberland im Juli entschieden, heuer zu den Festtagen keinen Heimfahrdienst durchzuführen. Dazu Beni Zimmermann: «Ausschlaggebend war für uns die Ungewissheit, wie es im Dezember aussehen wird punkto Abstandsregeln, Schutzhandschuhe oder Mundschutz.» Daher hat man schweren Herzens diesen durchaus vernünftigen Entscheid fällen müssen. Er entpuppt sich nun als unbedingt richtig. Zumal zwar auch in diesem Jahr die Dezembertage kurz werden, es jedoch dann allzu viele Anlässe und Geschäftsessen schlichtweg nicht geben wird. Die Nez-Rouge-Sektion Berner Oberland würde in diesem Jahr ihre 18. Saison bestreiten. Nun wird diese umständehalber also nicht angetreten. Doch freut man sich jetzt schon auf die 19. Aktion im Jahr 2021.

Nez Rouge im Berner Oberland
Der Belper und Betriebsleiter eines Backwarenunternehmens in Münsingen, Beni Zimmermann, ist seit über zehn Jahren bei Nez Rouge dabei. Das Amt des Präsidenten für die Sektion Berner Oberland bekleidet er das vierte Jahr. Der 46-Jährige erzählt von seiner ersten Begegnung mit Nez Rouge: «Wir feierten Geschäftsweihnachten. Nach dem offiziellen Teil gingen wir noch in eine Bar und tranken Rotwein. Irgendwann sagte ich mir: Ich darf nicht mehr fahren! Da kam mir Nez Rouge in den Sinn. Die haben mich in meinem Auto dann heimchauffiert, was ich einfach eine gute Sache fand. Woraufhin ich mich bei der Sektion Berner Oberland als freiwilliger Fahrer meldete.»

Neben Beni Zimmermann sind im Vorstand noch weitere sieben Mitglieder. Sie bilden zusammen den Verein Nez Rouge Berner Oberland. Alle übrigen sind Freiwillige, die als Fahrer*innen tätig sind oder in der Zentrale den Telefondienst betreuen. «Im letzten Jahr haben wir 1065 Personen heimchauffiert, dabei 22’843 Kilometer zurückgelegt – mit 122 Fahrzeugen», gibt Beni Zimmermann Auskunft.

Mit Blick in die Zukunft
Natürlich hoffen alle auch bei Nez Rouge auf die Rückkehr in eine gewisse Normalität und Planbarkeit. Die Zukunft steht jedoch bekanntlich immer in den Sternen. Erst recht jetzt! «Es wäre schön, wenn wir im nächsten Jahr wieder unserer Mission dienen können!», fasst Beni Zimmermann zusammen. Dazu braucht es vor allem ein starkes Team an freiwilligen Mitarbeitenden. Nez Rouge Berner Oberland freut sich stets über frische, gerne auch junge Gesichter. Bei Interesse kann man sich via Website melden und unverbindlich informieren. Barbara Marty

Nez Rouge empfiehlt:
– Rechtzeitig Heimfahrt organisieren
– Im Voraus geeigneten Fahrer bestimmen
– Angehörige anrufen, Taxi oder ÖV nehmen
– Vor Ort übernachten

Nez Rouge Berner Oberland www.nezrougebeo.ch

 


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