Die Kirche und die Konzernverantwortungsinitiative –Auftritt von Pfarrer B. Bader

  24.11.2020 Leserbriefe

Im Moment werden wir als Stimmbürger von Interessensvertretern aus den zwei Lagern und von den Medien täglich mit Informationen zu dieser Initiative überflutet. Dazu werden die Aktionen und das Engagement für oder dagegen in hitzigen, öffentlichen Debatten auf ungewohnt harte, ich bin geneigt zu sagen, amerikanisch inspirierte Weise, ausgetragen.

Als Mitglied der Kirchgemeinde Saanen-Gsteig bin ich der Meinung, dass es richtig ist, dass beflaggte Kirchen nicht Brauch werden sollten. Dass unser Pfarrer aber vertritt, dass Christentum und Kirche sich nicht politisch engagieren sollen, finde ich befremdend. Wie schon Watzlawick festgestellt hat, kann man bzw. kann auch die Kirche nicht «nicht kommunizieren». Anders verstanden: Keine Reaktion ist eben auch eine Reaktion. Das heisst, sie toleriert «nicht handeln» oder Verhalten, das verantwortungslos ist. In diesem Sinn finde ich es durchaus vertretbar, dass die Kirche in Fragen, in denen es um Verantwortungsnahme für unsere Umwelt und für den Einhalt von grundlegenden Menschenrechten auf der ganzen Welt geht, Stellung bezieht. Die Kirche mit ihren Verantwortungsträgern kann sich nicht in allen Fragen aus der Verantwortung der klaren Stellungnahme ziehen. Sonst hätte sie nichts aus den Lehren der Staatsgräuel der vergangenen Jahrhunderte gelernt. Wir wünschen uns ja gerade auch von den Verantwortungsträgern der muslimischen Religiösen, dass sie endlich öffentlich und klar gegen die extremistischen Auswüchse und Gewaltexzesse Stellung beziehen würden. Die Frage dreht sich für mich darum, wie sie das tut.

Aus diesem Grund fühle ich mich als Kirchenmitglied von Pfarrer Bruno Bader weder verstanden noch vertreten, wenn er mich als engagiertes Kirchenmitglied in die Nähe von religiösen Eiferern und Fanatikern wie die Taliban rückt. Er kommt mir damit nicht, wie er sagt, als «Schriftgelehrter», sondern viel mehr als «Belehrer» vor, der mir als redegewandter Disputierer erklärt, was echtes reformiertes Verständnis ist. Mit diesem Verständnis engagiert er sich im «Nein-Komitee»?

Die Gegner der Konzernverantwortungsinitiative hätten ja eigentlich keinen Grund, sich mit soviel Geld und Hochglanzprospekten und Lobbyieren gegen die Initiative zu wehren, wenn sie ihre vielfach deklarierte Selbstverantwortung wirklich umsetzen: Dann erfüllen sie die Standards der Initiativinhalte und müssten keine kostspieligen Klagen befürchten und nicht mit mehreren widerlegten «Fakten» und Fehlinformationen versuchen, die Initiative schlecht zu reden.

Dass eine ganze Gruppe junger Menschen aus dem Saanenland und Obersimmental öffentlich im «Anzeiger von Saanen» ihre Position erläutert, stimmt mich zuversichtlich: Die jungen Menschen sind bereit, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen, sie engagieren sich gemeinsam öffentlich und dies über die Saanenmöser hinweg: bravo. Auf solche junge Menschen vertraue ich.

VERENA MARTI, GSTEIG


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