Gastroszene: sehr schwierige Situation

  03.11.2020 Coronavirus, Hotellerie / Gastronomie

Nur vier Personen pro Tisch, Sperrstunde um 23 Uhr und Maskenpflicht, sobald man im Restaurant herumläuft: Die Corona-Massnahmen sind für die Gastronomie einschneidend. Viele Betriebe, die offen haben, trifft es hart, wie eine kleine Umfrage zeigt.

BLANCA BURRI
Man könnte denken: «Glück gehabt, dass der «Lockdown light» in die Zwischensaison fällt und somit viele Betriebe geschlossen sind.» Diese Aussage stützt Hoteliervereinspräsident Christof Huber nicht. «Die neusten Restriktionen treffen viele Betriebe, welche in der Zwischensaison geöffnet haben. Jeder ist für das Saanenland wichtig.» Die neuen Einschränkungen sind Sitzplatzpflicht, maximale Tischgrösse von vier Personen, Sperrstunde von 23 bis 6 Uhr und Maskenpflicht.

Viererregel und Lösungen
Weshalb die Massnahmen die Branche beeinträchtigen, erklärt Christof Huber: «Die Vierpersonenregel schmälert den Umsatz, weil grosse Tische umsatzintensiver sind als Zweier- und Vierertische.» Die Flexibilität und Spontaneität der Gäste werde durch die Platzbeschränkung stark eingeschränkt. Das kommt aber wohl auf die Einstellung der Gäste an. Im Restaurant Arc-en-ciel in Gstaad bespielsweise kehren momentan hauptsächlich Schweizer Gäste ein. «Sie haben sich bereits im Frühling mit der Viererregel auseinandergesetzt und kennen die Lösung des Problems: Die Gruppe wird aufgesplittet», sagt die Hotelière Christiane Matti. Das werde von den Gästen gut akzeptiert.

Zu Platzmangel kommt es trotz Abstands- und Viererregel im Arc-en-ciel nicht. Respekt hat Matti aber vor der Wintersaison. «Vielleicht müssen wir dann eine Zeitlimite einführen, damit alle Gäste Platz finden.»

Die Mehrheit hält sich an Vorgaben
Im Bro’s in Gstaad treffen sich Einheimische wie Gäste zum Apéro, zum Plaudern und Snacken. Murat Bicik, Inhaber vom Bro’s, bestätigt, dass sich die meisten Gäste an die Regeln hielten. Manchmal gebe es trotzdem schwierige Situationen: «Letzthin wollte eine Sechsergruppe zwei Tische zusammenstossen. Leider dürfen wir das momentan nicht zulassen. Die Gruppe zeigte kein Verständnis und ging.» Das tut dem Vollblutgastronomen weh. «So macht Arbeiten keinen Spass.» Eine Busse oder gar die Schliessung möchte er aber nicht riskieren, weshalb er auf den Regeln besteht.

Sperrstunde um 23 Uhr
Südländer essen in der Regel recht spät zu Abend. Weil die Restaurants momentan bereits um 23 Uhr schliessen, sei das ein Problem, wie Christof Huber festhält. Die Gäste müssten schon vor dem Nachtisch aufbrechen und das schmälere den Umsatz. «Das wird vor allem über Weihnachten und Neujahr zur Herausforderung», glaubt Christiane Matti, «dann werden wieder viele südländische Chaletbesitzer und Touristen im Saanenland weilen und wie immer spät zum Essen kommen.»

Die Sperrstunde ist auch deshalb problematisch, weil nach 22 Uhr normalerweise viele Gastronomiemitarbeitende und Vereinsmitglieder für einen Schlummertrunk einkehren.

Sehr schwierige Zeit
«Für uns ist die Situation extrem schwierig. Aber wir kämpfen!», beschreibt Murat Bicik den «Lockdown light». Mit der Sitzpflicht verlor das Bro’s viele Plätze und somit auch Umsatz. Stammgäste würden einen Restaurantbesuch aus Angst vor einer Ansteckung meiden. Die Angst werde nicht nur durch die hohen Fallzahlen geschürt, sondern auch von der Gerüchteküche, die in regelmässigen Abständen Namen von Betroffenen ausspucke. Trotzdem will das Bro’s offen halten. «Wir werden von den Einheimischen und von den Behörden getragen. Wir möchten etwas zurückgeben.»

Sicherheit ist wichtig
Einen wichtigen Aspekt bringt Christiane Matti ein: «Bei uns tragen alle Mitarbeitenden eine Maske, egal ob an der Front oder im Backoffice.» Dies aus Respekt gegenüber des Gegenübers und als Sicherheit für die Mitarbeitenden, damit sie sich untereinander nicht anstecken. «Unsere Gäste und die Mitarbeitenden sollen sich bei uns sicher fühlen!» Obwohl die Lage ernst sei, wird das Arc-en-ciel durchgehend offen bleiben. «Die Gäste haben das Bedürfnis, an einen sicheren Ort essen zu gehen», begründet sie.

Schlechte Aussichten auf Wintersaison
«Im Moment ist der Buchungsstand für die Wintersaison sehr tief und die Planungssicherheit gering», so Christof Huber. Die Touristiker hoffen, dass die Schweizer wie im Sommer in die Bresche der fehlenden ausländischen Gäste springen werden. Ob und wie die Wintersaison aussehen wird, hängt aber von vielen Faktoren ab. Noch offen ist, ob der Teillockdown bleibt, ob er verschärft wird oder ob die Massnahmen vor Weihnachten aufgehoben werden. «Die vom Bund und Kanton verhängten Massnahmen orientieren sich am Verlauf der zweiten Welle», so Huber. Bei tiefschürfenden Einschränkungen könne es zu Betriebsschliessungen kommen, ist sich Huber sicher. Vor allem bei Restaurants, die personalintensiv seien und in der Regel wenig Reserven hätten.

Unterstützung ist wichtig
«In dieser Extremsituation ist Unterstützung sehr wichtig», betont Huber. Die Kurzarbeit und die Covid-Kredite des ersten Hilfspakets im Frühsommer hätten positive Wirkung gezeigt. Aber es brauche noch mehr: «Momentan versuchen unsere Verbände, politisch die sogenannte ‹Härtefallklausel› zu erwirken.» In Härtefällen könnten die Gastronomen A-fonds-perdu-Gelder oder ein zinsloses Darlehen beantragen. «Das gilt nur für Betriebe, die unverschuldet und eindeutig wegen Corona in finanzielle Nöte geraten sind», klärt er auf. Weiter sei grosse Solidarität gefragt, deshalb ruft Huber Einheimische wie Gäste dazu auf: «Unterstützt die Betriebe, die offen sind!»


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