Von der Milch zum würzigen Gstaader Bergkäse in der vollautomatischen Käserei

  06.11.2020 Gstaad

Es ist früh am Morgen, über das Tal Richtung Lauenen weht mir der Föhn ins Gesicht. Ich bin mit dem Fahrrad unterwegs, um in der neuen Molkerei der Produktion des Gstaader Bergkäses beizuwohnen. Wie sieht die Käseproduktion in einer hochmodernen Anlage aus?

ERICH KÄSER
Ich werde herzlich von Beat Hehlen, dem Verantwortlichen für die Produktion und Affinage der neuen Molkerei, und Geschäftsführer René Ryser begrüsst. Hygiene ist die erste Voraussetzung in einem solchen Betrieb, deshalb darf ich mich mit einem schönen Plastikmantel, Schuhüberzügen und schickem Haarnetz einkleiden. Beim Eintritt in die Produktionshalle staune ich über die unzähligen Stahlrohre, die den Wänden entlang durch die Halle führen, und über die riesigen Maschinen!

1. Milchannahme
Jeder Bauer, der an die Molkerei Gstaad angeschlossen ist, bringt seine Milch täglich. Weiter entfernte Bauern oder solche, welche die Milch in Kühltanks bei 5°C lagern, können die Milch auch jeden zweiten Tag anliefern. Die über 70 Lieferanten registrieren sich mit einem Chip selber. Die Milch wird aus den Kannen oder dem Anhängertank abgesaugt und in die entsprechenden Tanks gepumpt.

Je nach Saison fliessen zwischen 2500 und 20000 Liter pro Tag in die Stahlrohre und von dort durch das Kühlaggregat in das Milchlager. Pro Jahr werden rund 4 Millionen Liter angeliefert, davon werden 2,4 Millionen Liter direkt verarbeitet und 1,6 Millionen Liter von der Firma Cremo abgeholt.

2. Käsen
Während dem Umpumpen wird die Milch vom Lager über das Thermisierungsgerät auf 64 bis 66°C erwärmt und in das 6000 Liter fassende Käsekessi geleitet. Die Wärme stammt aus der eigenen Holzschnitzelheizung neben der Käserei. Sie wird in zwei Heisswasserspeichern à 14’000 Liter bis auf Abruf gelagert.

Ein Teil der Milch wird jedoch zur Herstellung von Mutschli und Pastmilch abgezweigt. Auf diesem Weg passiert die Milch auch die Zentrifuge, die den Rahm von der Milch trennt.

Nachdem der Milch die Milchsäurebakterien und das Lab zugegeben worden ist, verdickt sich das Ganze bei einer Temperatur von 32°C. Der Käser prüft immer wieder die Konsistenz der gallertartigen Masse. Stimmt die Festigkeit, übernimmt die Käseharfe die Arbeit und schneidet die Masse in erbsengrosse Körner. Hier kommt dann die Erfahrung des Käsers ins Spiel. Er muss ein Auge für die richtige Grösse des Bruchs haben. Denn je kleiner das Korn, desto härter der Käse. Da der Käsefertiger aus Sicherheitsgründen geschlossen bleiben muss, kontrolliert der Käser durch den gelochten Stahldeckel. Anschliessend wird die Käsemasse während stetigem Rühren auf 42°C aufgewärmt, was dem Käse die gewünschte Festigkeit gibt.

3. In Formen füllen und pressen
Nun erfolgt wegen der Automatisierung die grösste Erleichterung in der Handarbeit eines Käsers: Vom Käsefertiger werden die Körner über ein Rohrsystem und Düsen vollautomatisch in die 90 vorgewärmten Formen abgefüllt. Jeder Laib wird zwischen 6 bis 6,5 kg schwer. Dieser Vorgang dauert nur ein paar wenige Minuten.

Danach wird der Käse vollautomatisch unter Druck von 0 bis 80kg während einer Stunde gepresst. Die Käsemilch – auch Molke, Schotte oder Sirte genannt – fliesst aus den Käselaiben.

4. Pflegen
Die mächtige Pressmaschine wird mit ein paar Knopfdrucken so gesteuert, dass sie Kassetten mit je sechs Käsen holt und auf das Förderband schüttelt. Jetzt muss der Käser wieder selber Hand anlegen und die fertigen Laibe in die «Sekundärformen» legen.
Die gestapelten Käse kommen nun in den Abtropfraum. Während dem Abtropfen verliert der Käse noch mehr Wasser und der Milchzucker wird in Milchsäure umgewandelt, die den Käse konserviert.

Der nächste Produktionsschritt findet im Salzbad mit einem Salzgehalt von über 20 Prozent statt. Das ist mehr als im Toten Meer, Lebewesen haben keine Chance zu überleben, was zur Haltbarkeit des Käses beiträgt. Dort bleibt er 24 Stunden lang.

Übrigens: Das gleiche Salzwasser kann 40 bis 50 Jahre lang verwendet werden, wenn es immer sauber und hygienisch behandelt wird. Mit dem Fortbestand des alten Wassers ist auch eine gleichbleibende Qualität gesichert. Denn frisches Salzwasser anzusetzen ist gar nicht so einfach, weiss Beat Hehlen.

5. Reinigen
Am Schluss des Käseherstellungsprozesses müssen die ganzen Apparate und Maschinen gründlich gereinigt werden. Die Mischung aus Wasser, Lauge und Salpetersäure wird anschliessend so aufbereitet, dass das Spülwasser von den Bakterien in der ARA in klares Wasser umgewandelt werden kann. Die Reinigung läuft, wie alles andere auch, computergesteuert.

6. Lagern und fertigen
Die frischen Laibe werden nach dem Salzbad in das Käselager gezügelt und täglich vom schweigsamsten und arbeitsamsten Mitarbeiter 24 Stunden und 7 Tage in der Woche gepflegt: Der Roboter übernimmt das tägliche Schmieren und Wenden im Stundenakkord von 500 Laiben. Im Käselager der neuen Molkerei können bis zu 25’000 Käse gelagert werden.

Nach 4 bis 6 Monaten Reife ist der Gstaader Bergkäse bereit zum Verkauf. Der grösste Teil wird zu Gstaader Kräuterkäse veredelt. Die getrockneten Kräuter werden zum Teil von der Firma Swiss Alpine Herbs in Därstetten bezogen.
Übrigens: Jeder Käse wird mit der EU-Nummer der Molkerei und dem Datum markiert, Käse aus Milch von reinrassigen Simmentaler Kühen in einer besonderen Farbe.

7. Weitere Produkte
Die Molkerei hat unterschiedliche Produkte auf dem Markt: Gstaader Bergkäse, Gstaader Kräuterkäse, Raclettekäse, Mutschli in verschiedenen Formen und Weissschimmelkäse (Rahmli).

Hier noch ein Wort zur Pastmilch: Pro Woche werden 1200 Liter hergestellt. In der Saison muss das Doppelte zur Verfügung stehen. Die Milch wird hierfür auf 72°C erhitzt, verkauft wird sie unter anderem in der Molkerei Gstaad.

Täglich verarbeitet die Molkerei 1200 Liter Milch zu 180 Mutschli oder Rahmli. Diese werden im Gegensatz zum Bergkäse nicht gepresst, die Masse fällt durch das Eigengewicht in sich zusammen.

Der grösste Teil der Molke wird von der Firma Rolli Transport abgeholt und für Mastbetriebe aufkonzentriert. Ein Teil wird auch an Schweine im Saanenland verfüttert.


Das Team

Produktionsleiter Beat Hehlen ist Käser aus Leidenschaft. Er hat noch viele weitere Ideen für die Herstellung von verschiedenen Sorten Käse und deren Affinage!

In der Molkerei an der Lauenenstrasse arbeiten (von links): Roland Keusen (Käseproduktion), Fernando Pereira (Käsepflege), Beat Hehlen (Produktionsleiter), Patrick Kohli (Käser) und Simon Aellen (Käseproduktion).


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