«Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt»

  18.12.2020 Vorschau

Nach diesem bekannten Zitat von Blaise Pascal ist die Ausstellung der Werke von Louise Bourgeois benannt: «The Heart Has Its Reasons». Die Skulpturen und Zeichnungen der Grande Dame der Spätmoderne können vom 19. Dezember 2020 bis zum 3. Februar 2021 im Tarmak22 oder – Covid oblige – auch online besucht werden.

Ein Paar, eng umschlungen, das Haar der weiblichen Figur formt eine exzentrische Spirale um die männliche Figur. Befestigt ist die Aluminiumskulptur an einem dünnen Drahtseil und dadurch in der Schwebe gehalten. In «The Couple» (2007–2009), einem der Schlüsselwerke der Ausstellung, kommt in der Hängung des Werkes die Fragilität und Unsicherheit der Beziehung zum Ausdruck. Die engen Windungen der Spirale dagegen legen sich schützend um die Figuren und wehren Trennungs- und Verlustängste ab.

Jenseits rationaler Erklärungen
Gegensätze – Körper und Psyche, geometrisch und organisch, weiblich und männlich, bewusst und unbewusst – treiben das Werk Bourgeois’ als Ganzes an. Die Ausstellung im Tarmak22 befasst sich mit Bourgeois’ Bedürfnis nach Liebe – dem «Polarstern», ohne den sie nicht leben konnte. Zentrale Motive ziehen sich wie ein roter Faden durch «The Heart Has Its Reasons»: das Paar, die gepaarte Form, das Haus, das Bett, die Landschaft und die menschliche Anatomie.

Louise Bourgeois hielt an der pascalschen Überzeugung fest, dass es in unserer emotionalen und psychologischen Wahrnehmung des Anderen etwas gibt, was sich rationaler Erklärung entzieht oder gar über sie hinausgeht. Woher kommt der Bezug zu Blaise Pascal? Bourgeois studierte anfänglich Mathematik und Philosophie an der Sorbonne in Paris und schrieb sogar ihre Abschlussarbeit über Pascal. Nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1934 wandte sie sich jedoch der Kunst zu.

Frühkindliche Traumata und weibliche Sexualität
Hauser und Wirth ist es eine Ehre, Louise Bourgeois\\' Werke von 1949 bis 2009 diesen Winter in die Schweizer Alpen zu bringen, gilt sie doch als eine der wichtigsten und einflussreichsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie wurde 1911 in Paris geboren, lebte aber von 1938 bis zu ihrem Tod 2010 in New York. Bourgeois’ künstlerischer Prozess war angetrieben durch eine introspektive Realität, die oft verwurzelt war in dem kathartischen Wiedererleben von frühkindlichen Traumata und der offenen Auseinandersetzung mit weiblicher Sexualität.

International renommiert
Ihren internationalen Durchbruch erzielte Louise Bourgeois 1982 mit der Retrospektive im Museum of Modern Art in New York, ihrer Teilnahme an der Documenta IX 1992 und ihrer Repräsentation der Vereinigten Staaten auf der 45. Venedig Biennale 1993. 2001 wurde Bourgeois als erste Künstlerin von der Tate Modern beauftragt, die Turbinenhalle mit ihrer Kunst zu bespielen. Die Retrospektive ihres Werkes in der Tate Modern im Jahr 2007, die anschliessend im Centre Pompidou in Paris oder dem Guggenheim Museum in New York gezeigt wurde, zementierte ihr Vermächtnis als herausragende Grande Dame der Spätmoderne.

PD/ SONJA WOLF

Tarmak22 Gstaad Saanen Flughafen Öffnungszeiten: Dienstag–Sonntag, 11–17 Uhr oder nach Vereinbarung Tel. +41 33 748 62 00, www.hauserwirth.com
Das Ciné-Theater Gstaad zeigt den Dokumentarfilm «Louise Bourgeois: The Spider, the Mistress and the Tangerine» im Rahmen des Cinem-Art–Programms am 20. Dezember sowie am 8. und 22. Januar.


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