«Das Palace übersteht die Krise»

  11.12.2020 Gstaad, Tourismus, Hotellerie / Gastronomie

Die Gäste des Gstaad Palace stammen im Normalfall zu 80 Prozent aus dem Ausland. Reisen in die Schweiz sind momentan meist mit Hürden verbunden und somit leidet das Gstaad Palace. Besitzer Andrea Scherz spricht über die schwierige Zeit.

BLANCA BURRI

Andrea Scherz, werden Sie das Gstaad Palace im Winter öffnen?
Wir öffnen am 21. Dezember.

Obwohl die Palace-Gäste grösstenteils aus dem Ausland kommen und deshalb dieses Jahr vielleicht nicht einreisen wollen oder können?
Ja. Wir halten daran fest, und zwar weil wir weniger Verlust machen werden, wenn wir öffnen, als wenn wir geschlossen bleiben.

Von welchen Zahlengrössen reden wir?
Im schlechtesten Fall rechnen wir mit einem Umsatzrückgang von satten 75 Prozent gegenüber dem Vorwinter. Das heisst, dass wir rund 2,5 Millionen Franken Verlust schreiben werden. Wenn wir geschlossen hielten, würden wir weitere 400’000 Franken verlieren.

Das ist enorm viel Geld!
Ja, in der Tat. Glücklicherweise hatten wir ein paar gute Jahre. Im vergangenen Frühling stand das Palace finanziell sehr gut da. Wir hatten auch für einen grösseren Restaurantumbau gespart. Dieses Polster tut uns in der momentanen Situation gut.

Gibt es eine leise Hoffnung?
Ich hoffe, dass die Einbussen bei nur 50 bis 60 Prozent liegen werden. Das ist mein Best-Case-Szenario.

Muss der Umbau nun verschoben werden?
Wir können ihn unter den gegebenen Umständen nicht ausführen. Es tut schon weh, dass dieses Geld nun statt in den Betrieb fliesst, einfach verschwindet.

Wird das Palace die Krise überleben?
Das Palace übersteht die Krise und hier möchte ich klar ein hartnäckiges Gerücht dementieren und sagen, dass das Palace im Familienbesitz bleibt. Es steht nicht zum Verkauf!

Wie gut schlafen Sie unter diesen Umständen?
Ich schlafe in der Regel gut. Bei mir macht sich der Stress mit Zähnebeissen bemerkbar. Momentan wache ich deshalb oft mit Zahnweh auf.

Wie sehen die Winterbuchungen momentan aus?
Vom 26. Dezember bis 3. Januar gibt es eine Mindestaufenthaltsdauer von acht Nächten. Normalerweise ist diese Periode bereits lange im Voraus gebucht. Momentan sind nur 30 Prozent der Buchungen bestätigt. Ganze 60 Prozent sind provisorisch, zehn Zimmer wurden noch nicht gebucht.

Welche Auswirkungen haben Quarantänepflichten und minimale Flugangebote auf Ihr Hotel?
Das hat grosse Auswirkungen auf unser Geschäft, weshalb die Buchungen momentan auch so harzig laufen. Nur sehr wenige Personen können es sich erlauben, nach den Ferien noch in die Quarantäne zu gehen. Täglich ändern die Bedingungen kantonal, auf Bundesebene und in den Herkunftsländern der Gäste. Und unter alles mischeln sich dauernd Fake News. Das ist enorm herausfordernd und verunsichert die Gäste sehr. Daher verschoben einige den Aufenthalt auf nächstes Jahr. Auch weil die kleinen Freuden des Lebens unterbunden werden, zum Beispiel Tanzen oder Freunde treffen.

Passen Sie die Annullationsbedingungen an die Situation an?
Ja. Stornierungen über Weihnachten/ Neujahr bleiben ein Jahr lang als Guthaben bestehen. Ab Januar können die Gäste kostenfrei stornieren. Ich glaube, das ist für uns der einzige Weg, damit die Gäste es überhaupt wagen zu buchen.

Im Normalfall stammen 80 Prozent der Palace-Gäste aus dem Ausland. Machen Sie nun einen Strategiewechsel?
Den haben wir bereits vor der Pandemie begonnen. Der Auslöser war, dass die Schweiz für Gäste aus dem Ausland sehr teuer geworden ist. In Anbetracht der Frankenstärke haben wir begonnen, die Marktaktivitäten auf Schweizer Gäste auszurichten und sind so auf einen Gästeanteil von 20 Prozent gekommen. Im vergangenen Sommer konnten wir nun noch einmal 50 Prozent mehr Schweizer Gäste gewinnen.

In einer Medienmitteilung haben Sie sich als Familienhotel positioniert. Hat das mit der Pandemie zu tun?
Familien waren uns immer wichtig. Aber vielleicht haben wir bisher zu wenig darüber gesprochen. Ich habe bemerkt, dass viele Menschen Schwellenangst haben. Auch Leute, die sich das Palace leisten könnten, denken, sie hätten zu wenig Glamour dafür. Da stehen wir in einem Spannungsfeld zwischen den Stars und Sternchen, die das Palace berühmt machen, und den «normalen» Gästen, die uns ebenso wichtig sind.

Welche Unterkunftsarten im Saanenland leiden momentan am meisten?
Wahrscheinlich wir, das Palace. Wir haben den wohl höchsten Ausländeranteil. Die Gästestruktur haben wir nicht gesteuert, sie ist organisch gewachsen. Bisher ging die Strategie immer gut auf, weil das Palace nicht auf einen einzigen Markt setzte, sondern auf viele verschiedene Herkunftsländer.

Was braucht es, um das Überleben der Hotellerie und Gastronomie zu gewährleisten?
Ich hoffe, alle Hotels im Saanenland überleben. In den Bergregionen haben viele von der Situation profitiert. Das schöne Herbstwetter und die Restriktionen in den umliegenden Kantonen haben viele Gäste ins Saanenland gespült. Wir hoffen, dass die Pandemie bald überstanden ist. Wir müssen möglichst schnell wieder zur Normalität zurückkommen.

Wie geht es den Fünfsternehäusern in anderen Regionen?
Es gibt Gewinner und Verlierer. Die Stadthotellerie ist aufgrund der fehlenden Geschäftsreisenden extrem stark am Leiden, auch Berghotels mit einem hohen Ausländeranteil zum Beispiel im Bündnerland im Fünfsternebereich. Das Castello del Sole im Tessin gehört hingegen zu den Gewinnern. Mit seinem südlichen Flair konnte es im Sommer von den Schweizer Gästen mehr denn je profitieren.

Welche Auswirkungen hat die momentane Situation auf die Anzahl der Mitarbeitenden?
Das Schutzkonzept löst keinen höheren Bedarf an Mitarbeitenden aus. Aber wir haben mehr Mitarbeitende angestellt, als für die vorgesehene Auslastung nötig wären, weil wir trotz strikter Einhaltung aller Massnahmen mit Covid-Ausfällen und Quarantäne rechnen müssen.

Mussten Sie Mitarbeitende entlassen?
Nein. Wir beschäftigen weiterhin alle Jahresmitarbeitenden. Jedoch stellen wir weniger Saisonmitarbeitende an, weil der Nachtclub GreenGo geschlossen bleibt und weil das aktuelle Schutzkonzept die Anzahl Plätze in unseren Restaurants massiv reduziert.

Was passiert, wenn ein Gast am Virus erkrankt ist?
Wenn ein Gast positiv getestet wird, wird der Kantonsarzt mit dem Gast bestimmen, wie das weitere Vorgehen ist. Für Quarantänefälle ist mein Team geschult. Aber wir nehmen keine Gäste an, die bei der Anreise bei uns in Quarantäne gehen möchten.

Die Restriktionen schränken die Bewegungsfreiheit der Gäste ein. Lässt sich die Fünfsternegastung das sagen?
Es könnte in einzelnen Fällen vielleicht schwierig werden, die Massnahmen durchzusetzen. Ich habe mich schon gefragt, ob ich bei der Polizei eine Uniform ausleihen soll (lacht). Voraussichtlich werde ich den einen oder anderen Fall einen Gast enttäuschen müssen, weil ich keine Ausnahme machen kann. Dafür setze ich den Ruf des Palace nicht aufs Spiel.


ALARMIERENDES BILD

Laut HotellerieSuisse trifft die zweite Pandemiewelle die Hotellerie hart. Eine Entlassungswelle sei bereits in vollem Gange. Damit der Entlassungswelle nicht auch noch eine Konkurswelle folgt, fordert der Verband zu einer raschen Umsetzung der Härtefallhilfen in Form von zinslosen A-fonds-perdu-Beiträgen für Betriebe, die unverschuldet durch Corona einen Umsatzeinbruch von mindestens 40 Prozent verzeichnen. Die Krise löst auch eine steigende Kurzarbeitsquote sowie Investitionsstopps aus.

Da die Gäste aus dem Ausland fehlen, rechnet die ETH-Konjunkturforschungsstelle (KOF) im kommenden Winter in den Bergen mit einem Logiernächterückgang von 30 Prozent. Diese Prognosen beruhen darauf, dass es keine weiteren Verschärfungen der Massnahmen gibt.


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