Im Saanenland aufgewachsen und jetzt …

  29.12.2020 Serie

Das Saanenland war und ist geprägt von Zu- und Wegzügen. Die Leserinnen und Leser des «Anzeigers von Saanen» sind nicht nur im Saanenland zu finden, sondern in der Schweiz und im Ausland – ja, in der ganzen Welt. Diese «Auswanderer» will «Im Saanenland aufgewachsen und jetzt …» vorstellen.

«Nein», sagt Jérôme dʼHooghe, «bei den Luftkampfübungen steht die Geografie, der Blick von oben aufs Gelände nicht im Vordergrund. Es gibt aber Pausen, in denen ich «ahigugge» und die Aussicht geniesse. Auch aufs Saanenland, auf das Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Ich entdecke so Orte, die ich gerne erwandern möchte und prüfe, ob es für das Skifahren genug Schnee hat.» Der Oberst im Generalstab ist für die Leserschaft des «Anzeigers von Saanen» kein Unbekannter: 2010 erschien ein Porträt des Piloten und dieses Jahr eine Stellungnahme zur Kampfflugzeug-Abstimmungsvorlage. Beim Treffen im Dezember in Payerne ist das Hauptthema sein Verhältnis zum Saanenland.

Es ist eine starke Verbindung zur Region, in der er aufgewachsen ist. «Ich fühle mich dort oben wohl, in meiner Heimat. Saanen ist mein Heimatort, in Feutersoey bin ich gross geworden. Noch immer habe ich viele Bekannte und Freunde. Mit meinen Schulkollegen treffe ich mich regelmässig. Ich erinnere mich an die Lehrerinnen Marianne Montgomery, Gaby von Gunten und Barbara von Grünigen, die Schwester von Thomas, dem SRF-Amerika-Korrespondenten. Er hat uns einmal in der Schule besucht. In der Sekundarschule war dann Theo Schicker mein Klassenlehrer. Im Winter sind wir häufig in der Ferienwohnung in Feutersoey, wo wir auch gelegentlich die Sommerferien verbringen. Meine zwei Kinder haben ihre Wurzeln in Courgevaux bei Murten. Auch meine Frau ist dort eher besser vernetzt als ich, was sich durch meine häufigen arbeitsbedingten Abwesenheiten ergibt.»

Diskretion ist selbstverständlich
Am Saanenland schätze er das Bodenständige: «Bergler sind anders als Unterländer. Mit beiden Füssen stehen die Menschen auf dem Boden. Man kennt einander. Gerade im Saanenland bilden Einheimische und Touristen eine gute Mischung. Die Berühmtheit kauft unbeachtet neben dem Landwirt ein, Diskretion ist selbstverständlich. In St. Moritz zum Beispiel ist das ganz anders, dort will man gesehen werden. Seit meiner Kindheit hat sich das Saanenland nicht stark verändert, und wenn, dann positiv. 20 Jahre habe ich dort gelebt, mit einem Zwischenjahr nach der neunten Klasse in La Neuveville. Danach begann ich meine Lehre auf der Kantonalbank bei Hans Liechti.»

Feutersoeyer treffen sich in Meiringen
Courgevaux, Payerne und die Mehrsprachigkeit in der Armee. Wie ist Jérôme dʼHooghes Verhältnis zur Romandie? «Mein Vater ist zweisprachig, wir hatten einen Wohnwagen in Noville bei Villeneuve und ein Segelboot auf dem Léman. Und im Saanenland sind wir ja umgeben vom Waadtland. Seit 20 Jahren lebe ich in einer zweisprachigen Gemeinde und arbeitete bis vor Kurzem in Payerne. Die Romandie war mir daher nie fremd. Nein, im Gegenteil, die welsche Sprache und Kultur schätzte ich bereits als Junger. Ich arbeite an verschiedenen Orten und und mit vielen Leute. In Meiringen mit seinem Militärflugplatz traf ich zum Beispiel Thierry Ueltschi, auch ein Feutersoeyer, der damals dort Polizist war und letztes Jahr das Volkstheaterfestival Meiringen ins Leben gerufen hat.»

«Anzeiger von Saanen» schlägt «Murtenbieter»
Ein Bindeglied zum Saanenland ist auch der «Anzeiger von Saanen»: «Meine Mutter schenkt mir das Abonnement immer zu meinem Geburtstag. Ich bin ein eifriger und interessierter Leser, der gerne mitdiskutieren möchte, zum Beispiel bei den Bergbahn- und Tourismusprojekten. Meiner Meinung nach sollten da alle Beteiligten am gleichen Strick ziehen. Partikularinteressen müssen hinten anstehen. Das Saanenland hat viel Potenzial, eine gute Durchmischung, eine grosse Bandbreite an Angeboten wie Beachvolleyballturnier oder Country Night. Übrigens: Der ‹Anzeiger von Saanen› schlägt meiner Meinung nach qualitativ den ‹Murtenbieter› und dies bei gleichem Zielpublikum. Wenn ich wählen kann, lese ich lieber den ‹Anzeiger›.»

Courgevaux oder Gurwolf?
Wo wohnt denn die Familie dʼHooghe? Um 1980 sprach man im freiburgischen Courgevaux (Gurwolf) noch zur Hälfte französisch. Mit dem massiven Zuzug von Bernern wechselte die Gemeinde die Sprachregion. Im Jahr 2000 sprach eine kleine Mehrheit der Bevölkerung Deutsch. «Wir suchten einen Wohnort, der für meine Frau aus Konolfingen und unsere beiden Kinder Noëmi und Fabrice möglichst ideal war und zogen nach Courgevaux. Zu Hause sprechen wir Deutsch, die Tochter im Gymnasium in Freiburg mehrheitlich französisch. Vorher besuchten die Kinder den französischen Kindergarten und dann die deutsche Schule.»

Nicht einmal die Ehefrau fliegt mit
Obwohl beim Treffen der Flugplatz in winterlichen Nebel gehüllt ist – keine Seltenheit in der Broye – erzeugt der Ort Fernweh und die Lust, mitzufliegen. «In der Schweiz ist das sehr schwierig. Weder meine Frau noch meine beiden Kinder sind jemals mit mir in einem Militärflugzeug mitgeflogen. Die Restriktionen sind sehr streng. Es gibt vereinzelte Ausnahmen für Politiker, ausländische Luftwaffenchefs und sehr bekannte Persönlichkeiten, wie zum Beispiel einmal Kilian Wenger, als er Schwingerkönig wurde. Die Armee will die Passagiere keiner Gefahr aussetzen. Ein Mitflug in einem Super-Puma, beispielsweise auf die Axalp, ist noch etwas einfacher zu bewerkstelligen. Generell wird die Anzahl der Mitflüge weiter gesenkt. Das hat auch mit den Ansprüchen der Steuerzahler zu tun, die genau schauen, was die Luftwaffe tut.»

Luftwaffe produziert Stabilität
Ja, genau. Was macht sie eigentlich, die Luftwaffe? «Sie ist als Bestandteil der Armee ein Instrument der Sicherheitspolitik. Ich brauche zur Erklärung gerne das Bild einer Werkzeugkiste. Die Werkzeuge der Sicherheitspolitik sind nebst der Armee auch die Diplomatie, Aussenpolitik, Wirtschaftspolitik usw. Im Zusammenspiel generieren diese Instrumente Stabilität und Wohlfahrt für unser Land. Die Schweiz ist neutral, in keinem Militärbündnis. Wir wollen selbständig bleiben und müssen unsere militärischen Aufgaben autonom erledigen können. Verglichen mit Dänemark, das in der Nato ist und nicht alle Verteidigungsaufgaben selber wahrnimmt, muss die Schweiz genau dies tun. Wie eine Feuerwehr stehen wir bereit für den Ernstfall, hoffen aber, nie dafür eingesetzt werden zu müssen. Zudem soll die Armee – und dazu gehört eine vollwertige Luftwaffe – gegen aussen auch ein Zeichen setzen, dass die kleine, aber stabile und wohlhabende Schweiz sich im Ernstfall zu wehren wüsste. Persönlich hoffe ich jedoch, dass dieser nie eintrifft. Es ist ja gerade das Ziel meines Berufes, dies zu verhindern und das macht ihn spannend und interessant.»

Der sehr wahrscheinlich schnellste Saaner
Ganz alleine ist die Schweiz aber nicht beim Überwachen ihres Luftraums? «Nein, wir arbeiten sehr eng und gut mit unseren Nachbarländern zusammen. Insbesondere im Luftpolizeidienst. Wir haben bilaterale Abkommen mit unseren Nachbarn und müssen in den Verfahren kompatibel sein. Zudem trainieren unsere Piloten regelmässig im Ausland: zum Beispiel im britischen Yorkshire und früher in Norwegen Nachtflüge. Wir fliegen aber auch in Schweden, Deutschland, Frankreich, Spanien und gelegentlich auch in anderen europäischen Nationen. Einerseits, um mit anderen Luftwaffen trainieren und uns messen zu können, andererseits, um von grösseren Lufträumen zu profitieren und in tiefen Höhen Überschall zu fliegen, was in der Schweiz nicht möglich wäre.»

Eine letzte Frage: Was merkt der sehr wahrscheinlich schnellste Saaner bei einem Überschallflug? Jérôme dʼHooghe lacht: «Eigentlich nichts Spezielles, nur die entsprechende Geschwindigkeitsanzeige.» THOMAS RAAFLAUB


SO WURDE JÉRÔME DHOOGHE BERUFSMILITÄRPILOT UND OBERST IM GENERALSTAB

– 1994 Militärpilotenausbildung – Piloten-Rekrutenschule, Unteroffiziersschule, Offiziersschule
– 1996 Brevet zum Leutnant und Militärpiloten
– Bis 1999 Berufsmilitärpilotenschule und zivile Linienpilotenlizenz
– Parallel dazu bis 2001 Einsatz Militärfluglehrer auf PC-7 und Hawk-Jet-Trainer sowie Einsatzpilot auf Mirage-Aufklärer in Dübendorf
– 2001 Wechsel nach Payerne – Umschulung auf FA-18, bis 2017 Einsatzpilot auf F/A-18

Berufliche Stationen
– Bis 2006 Staffelpilot F/A-18, anschliessend Chef Fachdienst Luftkampf (zuständig für taktische Ausbildungen und Verfahren)
– 2010–2014 Geschwaderkommandant in Payerne, danach bis 2017 Chef Sparte Luftverteidigung
– 2018–2019 stellvertretender Kommandant und Stabschef des Militärflugplatzes Payerne und seit 2020 Chef A3/5 (Operationen und Planung) im Luftwaffenstab. Als Berufsmilitär erlebt man alle paar Jahre wechselnde und neue Aufgaben (Jobrotation oder Aufstieg) und hat die Möglichkeit, sich stetig weiterbilden zu lassen.

Militärische Ausbildung
Führungslehrgänge 1 und 2, Generalstabslehrgänge 1–5.

Zivile Ausbildung
– 2005–2006 Executive MBA, Berner Fachhochschule
– 2017–2018 Master in internationaler Sicherheitspolitik Uni Genf mit 21 beruflich und akademisch erfahrenen Mitstudenten aus Vietnam, Thailand, Kirgisien, Südsudan … wovon ca. ein Drittel aus dem Bereich Militär, ein Drittel aus der Diplomatie/Aussenpolitik und ein Drittel aus anderen Bereichen wie NGOs (nichtstaatliche Organisationen – z.B. Rotes Kreuz) kamen. Spannend war dabei nebst der Theorie vor allem das vernetzte Denken und der Austausch zwischen den allesamt fachkundigen Studenten und Professoren aus den verschiedenen Kulturkreisen und Organisationen.

 


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