Rauhnächte

JENNY STERCHI
Als ich Kind war, erzählte mir meine Grossmutter von den «Zwölf Nächten» und der Magie, die ihnen innewohnt. «Was du in den Nächten zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag träumst, das geht in Erfüllung», versprach sie, unterstützt von meiner Mutter, mir und meiner Schwester jedes Jahr aufs Neue. Dabei würden die Träume, sogar kalendarisch geordnet, Wirklichkeit werden. Also der Traum in der ersten dieser «Rauhnächte», wie die zwölf Nächte auch genannt werden, würde demnach im Januar schon Realität. Aufs Höchste konzentriert schliefen wir jeweils mit dem Wunsch nach einem herrlichen Traum ein. Wie frustrierend war die Erkenntnis am nächsten Morgen, entweder nichts geträumt zu haben oder sich «uf ke Geissart» an den Traum erinnern zu können. Meine Grossmutter ist nicht mehr auf der Welt, aber ich halte an diesem Aberglauben fest und gebe die zauberhafte Macht dieser Nächte an meine Kinder weiter. Auch wenn ich heute von Monat zu Monat Erlebnisse habe, die weder magisch noch sagenhaft sind, versuche ich, mich durch das Jahr hindurch an die Träume zwischen Weihnachten und Epiphanias zu erinnern. Umso mehr, wenn es etwas Schönes war. Rückblickend verunsichert mich dieses Orakel ein wenig. Denn hätte ich tatsächlich geträumt, was sich in diesem Jahr hier abgespielt und zugetragen hat, ich wäre zwölf Nächte lang schlaflos geblieben. Aber ich bleibe abergläubisch … zumindest was die Rauhnächte angeht. Zumal sie dieser Tage gar magisch anmuten mit dem Mondschein über der verschneiten Welt. Und wer weiss schon, ob das Schöne, was mir in diesem Jahr trotz allem widerfahren ist, nicht doch Teil meiner Träume während der letzten Rauhnächte war. Vergessen Sie nicht, auch das Gute wahrzunehmen, wenn das Mühsame Ihnen den Schlaf und die Zeit raubt. Denn das Jahr vergeht, aber das Leben führen Sie … Kommen Sie gesund in ein gutes neues Jahr!

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