Der Tanzbode

  29.01.2021 Serie

In unserer Reihe «Aus alter Zeit im Saanenland» erzählen Leser/innen Episoden – Geschichtliches, Erlebtes, Erinnerungen – aus früheren Zeiten.

Em 17. Jahrhundert hät nach der Reformation d Chilche es strängs Regimänt gfüert. D Chorgricht si für Rächt u Ornig zueständig gsy. Nume di sältene, schwere Verbräche sy a Castellan vo Saane wytergleitet worde. Ds Feschte, Tanze, Chegle u Röike sy verbote gsy. Di junge Lüt hei oppa gluegt, wi mu das Verbot chönti umgah. Im Topfelsbärg, underem Walighürli, isch der Tanzbode. Mu hät e wunderbari Ussicht vom Spitzhore bis zum Diableremassiv. Süsch gseht mu net grad vo uberal derzue. Ds Devi Matti u Johann Gander, jung Pursche, wo em hindere Walig sy z Bärg gsy, hei gfunde, jetz müessi wider emal öppis gah. Däne Kollege, wo sie ne hei zuetrüwt dichtzhalte, hei si Bscheid gmacht, mu wälti sich de nächschte Sunntig uf em Tanzbode träffe, d Meitleni söle sich o organisiere. Ds Gygerhänsi isch met syne Kollege gsy z hah, für cho z spile. Gottlieb Brand hät uf der Walliser Wischpile es Fässli Wyn greicht. Wo du ds Wätter am Sunntig isch guet gsy, isch däm Feschtli nüt meh em Wäg gsy, ussert, dass mu hät müesse luege, dass nume di Rächte öppis dervahvernäh.

Em vordere Walig sy zu där Zyt, wi di alte Hofstatti zeige, sicher meh wäder es Doze Hüttleni gschtande, wo jedi Familie met drüj, vier Chuelene u es paar Geisse sy z Bärg gsy. Under anderne äbe o Chorrichter Brächt Jaggi mit syr Tächter Anna. Die hätte natürlich nüt därvah söle vernäh. Am Sunntig, wo d Gspänleni eso gspässig sy verschwunde, hät d Anna glich öppis gspane u dem Vatter gseit, si wäli gah gugge obs am Hürli Eierschwümmleni heigi. Sie hät du d Musik ghört u hinder de Tanndlene vürha gluegt, was da geit. Im Winter er Predig hät si heimlich uf d Mannesyte zu Johann Gander, emene flotte, aber ärmere Pürschtel vor Halte glüsslet, u Fröid amu uberchoo. Wo d Anna gseht, dass Johann met der Ursel Huswürth tanzet, u die sich net grad abchert, woh är ra es Müntschi wot gäh, hät ra das unerchant weh ta. Sie isch trurigi u toubi desahi u hät gsinet, däne wäli si derfür tue. Si hät Papa Brächt verzellt, was da isch gange. Dä hätti das scho vo Amts wäge im Herbscht müesse vor ds Chorgricht bringe. Är hättis nie zuegäh, aber es hät ne o e biz möge, dass syni Tächter vo där Gsellschaft isch usgschlosse gsy.

Gottlieb Brand, Johann Gander u ds Devi Matti hei du vor Chorgricht müesse erschyne. Zerscht hät Gottlieb müesse Uskunft gäh, ob är da es Fäscht heigi gholfe mache. Är wüssti nüt därvah, aber si sölle Johann, wo ussna am warte sigi, frage. Johann hät o nüt wäle wüsse, aber velecht wüssi ds Devi öppis. Dä hät natürlich o kei Ahnig ghabe, aber velecht heigi Gottlieb öppis vernoh. Ds Chorgricht hät du die Verhandlig vertaget u ne Monet speter hei di drüj weder müesse aatrabe, met dem glyche Ergäbnis. Das Verfahre hät sich uber es halbs Jahr hizoge. Ali wo derbi sy gsy, hei zäme ghabe, eso hät ds Chorgricht nüt chöne mache, u sie hei zähneknirschend müesse ufgäh.

E biz speter sy d Anna u Johann enandere begägnet wo grad niemer andersch isch umha gsy. Johann hät d Anna z Red gstellt, wärum sie bem Vatter sygi gah rätsche. D Anna hät afa grine, u ab alem Schnüpfe Johann bychtet:«Äs hät mi drum eso möge, woni ha gseh, dass due met der Ursel karisierisch.» Dä git Bscheid, das isch nume halb so ärischt gsy, i ha scho lang a dier Freud. Aber i ha net der Gurasch ghabe, bi der azchlopfe, der Vatter weri allwäg net yferschtande, u nach där Gschicht isch das sicher net grad besser worde.

Die zwöi hei enandere du wes esch müglich gsy, heimlich troffe. Bis d Anna Johann hät glah usrichte, sie müessi ne ubedingt gseh. Da hät sie ihm du unglüklich gseit, sie uberchämi es Chind! Was sie emel o sölli mache. Johann, wo net e ungrada Pursch isch gsy, seit zuera: «De müesse wer das halt wohl oder übel dem Vatter gah bybringe.» Johann hät ala Muet zäme gchratzet u isch met der Anna heim. Wohl, das hät du es Tonderwätter gäh, dass für öppis isch gsy. Johann hät sich für d Anna gwert, är lassi sa net em Stich, o wen är arma sygi, wärche chöni är, u oppa scho für ne Familie sorge. Nachdäm der Vatter sich du e biz hät beruehiget ghabe, hät er ungäre ygwiliget, de wärdi halt müesse ghüratet sy. Ds Chorgricht hät churz vorhär e ledigi Mueter zu nün Tag im Ture be Wasser u Brot verurteilt, nume wil sie kei Vatter hät ghabe zu ihru Chind. Brächt hät d Anna ja scho gäre ghabe u ra das net wäle aatue. «De gaht halt e Gotts Name das Hochzyt gah agäh!»

Wo du das härzig Meiteli em Wiegeli isch gläge, hät er doch o Fröid ghabe u däm Pärli mit enere chlyne Burery uf der Halte e biz zwägholfe. Speter hei du d Anna u Johann der Betrib vo Brächt ubernoh. Sie hei guet zu Grosspapa gluegt u ali hei di Gschicht vom Tanzbode vergässe.

WALO PERRETEN

Nachsatz: Ohne die nötigen Coronamassnahmen anzuzweifeln, hat diese Geschichte eine Gewisse Ähnlichkeit mit der momentanen Situation. Zur 550-Jahrfeier der Kirche Gsteig liessen wir alte Chorgerichtsmanuale von Reinold Brand umschreiben. Die Verhandlung über eine verbotene Tanzveranstaltung auf der Halten, die mehrere Monate dauerte und ohne Ergebnis endete, war im Chorgerichtsmanual protokolliert. Auch das unbarmherzige Urteil über die ledige Mutter findet man im Manual.

Wissen auch Sie noch Begebenheiten aus früheren Zeiten? Zögern Sie nicht, greifen Sie zur Feder und schreiben Sie uns: «Anzeiger von Saanen», Anita Moser, Redaktion, Kirchstrasse 6, 3780 Gstaad, oder per Mail: anita.moser@ anzeigervonsaanen.ch


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