Freiheit auf Ski

  05.01.2021 Wintersport, Sport

Freeskiing hat als Extremsport stark an Popularität gewonnen. Auch Benz Reichenbach aus Saanen praktiziert diesen Sport bereits jahrelang – und verrät, was dahintersteckt.

NADINE HAGER
Wintersport am Limit: Freeskier fliegen trickreich über Schanzen oder suchen sich weit abseits der Pisten den Weg durch tief verschneites – und oft absturz- und lawinengefährdetes – Terrain. Benz Reichenbach ist einer von ihnen. Er ist in Saanen aufgewachsen und schon von Kindesbeinen an dabei. «Schon als Junge habe ich mir mit meinen Kollegen zusammen Sprünge und Tricks beigebracht», erzählt er. «Jetzt bin ich aber hauptsächlich neben den Pisten unterwegs.»Freeskiing vereint zwei Disziplinen: Die eine ist Freestyle in Gelände oder im Park, bei dem man mit Hindernissen arbeitet oder Sprünge absolviert. Die zweite Disziplin ist das Freeriding, womit Abfahrten jenseits der Pisten gemeint sind. Benz Reichenbach ist in beiden Bereichen daheim.

Dahinter ist mehr
Ob, wie und wo er Ski fahren gehen will, entscheidet Benz Reichenbach immer spontan. «Wenn ich am Morgen aufstehe und sehe, dass das Wetter gut ist, rufe ich einen Kollegen an. Wir verabreden uns und los gehts.» Ganz so einfach ist es jedoch nicht: Das Freeskiing verlangt eine sorgfältige Vorbereitung. Dies zeigt sich schon in Form von Benz Reichenbachs Materiallager: Er besitzt zwölf Paar Ski für die unterschiedlichen Schneeverhältnisse.

Schlechte Planung kann einem bei Absturz- und Lawinengefahr das Leben kosten. Deshalb bereitet sich Benz Reichenbach immer sorgfältig vor: Die wichtigste Vorbereitung sei es, das Wetterbulletin zu lesen, um die Pistenverhältnisse und Lawinengefahr zu prüfen, erklärt er. Doch damit ist es nicht getan. «Wir sind immer mindestens zu zweit und tragen Lawinenrucksäcke, die uns im Schnee Auftrieb geben, falls wir verschüttet werden. Ausserdem haben wir immer Ausrüstung dabei, um den Kollegen bei einer Verschüttung unter dem Schnee zu lokalisieren und zu bergen – beispielsweise eine Schaufel und eine Sonde. Und auch eine Thermodecke und ein Erste-Hilfe-Set habe ich immer dabei.»

Risikoreicher Lifestyle
Die Gefahren des Extremsports sind jederzeit präsent. «Beim Freeriding muss man immer damit rechnen, dass etwas passiert – egal, wie sicher man sich fühlt», erklärt Benz Reichenbach. «Das Ziel ist es, das Risiko so stark zu minimieren, dass man so sicher wie möglich ist und man sich nie von einem falschen Sicherheitsgefühl täuschen lässt.» Der Sportler hat auch schon Lawinen neben sich niedergehen sehen. Solche Erlebnisse würden ihm vor Augen führen, dass Freeskiing immer gefährlich sei und es den nötigen Respekt brauche, sagt er. Der Dreissigjährige nimmt sein Hobby also nicht auf die leichte Schulter. Angst hat er trotzdem keine: «Es ist immer gefährlich, aber auch immer schön. Man muss einfach genau wissen, wo man ist und was man macht – das Bewusstsein der Gefahr muss da sein.» Sich zu Abfahrten überwinden oder seinen Mut zusammenkratzen muss Benz Reichenbach jedenfalls nicht. «Ich bin mit dem Freeskiing aufgewachsen. Es ist mein Lifestyle, das ist mein Ding: Ich erlebe den bodenlosen Flow. Man kann kreativ sein, die Natur geniessen und seine Unterschrift im Tiefschnee hinterlassen. »

Der Aufschwung
In den letzten fünfzehn Jahren haben immer mehr Menschen das Freeskiing für sich entdeckt. Benz Reichenbach führt dies auf verschiedene Faktoren zurück: «Die Ausrüstung ist viel besser geworden, deshalb ist das Freeskiing komfortabler geworden», erklärt er. «Ausserdem erfährt man von dieser Sportart im Fernsehen und in den sozialen Medien: Es wird populär gemacht.» Ohnehin sei es momentan Trend, die Natur aufzusuchen – und mit den heute angebotenen Kursen wäre es leichter als früher, sich die Extremsportart anzueignen.

Benz Reichenbach begegnet diesem Aufschwung des Freeskiings kritisch. «Es besteht die Gefahr, dass der Respekt vor den Risiken dieser Sportart verloren geht. Wer die Gefahren nicht richtig einschätzt, gerät schnell in eine lebensbedrohliche Lage – und gefährdet dabei nicht nur sich selbst, sondern auch alle anderen Menschen, die in diesem Gebiet unterwegs sind», führt Benz Reichenbach aus. Es gilt also, diesen Sport mit Vorsicht zu geniessen. Der Saaner hat sich dazu entschieden, die Gefahren bewusst in Kauf zu nehmen: «Freeskiing ist die komplette Freiheit. Und diese geniessen zu können, ist ein Privileg.»


ZUR PERSON

Benz Reichenbach ist 30 Jahre alt und in Saanen aufgewachsen. Als Saisonnier hat er jeweils im Sommer als Bauspengler gearbeitet, während er parallel eine Skilehrerausbildung absolvierte und später auch regelmässig im Winter auf diesem Beruf arbeitete. Er ist Mitglied im Demoteam von Swiss Snowsports und für diese Firma zudem schweizweit als Ausbildner von Skilehrern tätig. Wenn Benz Reichenbach im Winter nicht gerade auf den Ski oder dem Snowboard steht, surft er oder schwingt sich aufs Bike.


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