Lawinenunglück – wer zahlt?

  26.01.2021 Schweiz

Wer beim Freeriden oder bei Skitouren zu viel wagt, nimmt auch finanziell ein hohes Risiko in Kauf. Versicherungsleistungen können gekürzt werden.

BLANCA BURRI
Beim Tiefschneefahren auf unberührten Hängen laden viele Sportler ihre Batterien auf. Nicht nur Skitourengänger und Freerider, sondern auch Gelegenheitsskifahrer. Diese Freude soll voll ausgekostet werden, solange die Risiken richtig eingeschätzt werden. Denn abseits der gesicherten Pisten gelten andere Regeln als auf der Piste. Das Lawinenrisiko muss selbst eingeschätzt werden und die Tourenplanung entsprechend der aktuellen Lage erfolgen. Seit Statistikbeginn 1936 starben pro Jahr 24 Menschen in einer Lawine. Auch im Saanenland ist der weisse Tod im Winter aktuell. Jedes Opfer ist eines zu viel.

Wer trägt die Kosten?
Wie viel ein Einsatz bei einem Lawinenniedergang kostet, kann nicht pauschal beantwortet werden. «Je mehr Rettungsmittel und Einsatzkräfte aufgeboten und eingesetzt werden müssen, desto höher fallen die Kosten aus», sagt Corina Zellweger von der Rega. In der Schweiz gilt die Erste-Hilfe-Pflicht. Wird der Rettungsdienst wegen eines Lawinenunglücks alarmiert, rückt dieser sofort aus. Erst nach Abschluss des Einsatzes wird geprüft, wer die Kosten übernimmt. Grundsätzlich bezahlen diejenigen Personen, die effektiv gerettet wurden respektive deren Versicherungen, so Zellweger. «Die Rega kann ihren Gönnerinnen und Gönnern gemäss den Bestimmungen diejenigen Einsatzkosten für die von ihr erbrachten oder organisierten Hilfeleistungen erlassen, die von keiner Versicherung übernommen werden müssen.»

Kostenträgerschaft individuell ermitteln
Andres Bardill ist Geschäftsführer der Alpinen Rettung Schweiz. Er sagt aus Erfahrung: «Kein Fall ist gleich.» Deshalb sei die Kostenträgerschaft bei jedem Einsatz individuell zu ermitteln. Für Schweizer Staatsbürger gilt, dass die Unfallversicherungen die Rettungskosten und Heilungskosten in der Regel übernehmen. Darin sind sämtliche Aufwände für Rettung, Behandlung, Medikamente und Transporte eingeschlossen. Beim Einsatz für mehrere Personen oder andere Spezialfälle machen die Versicherungen die Kostenverteilung unter sich aus.

Taggelder und Rentenanspruch können reduziert werden
Die schlechte Botschaft kommt bei den zusätzlichen Geldleistungen wie den Taggeldern von der obligatorischen Unfallversicherung. Sie kann Leistungen bei Grobfahrlässigkeit kürzen. Grundsätzlich kommt sie für 80 Prozent des Lohnes auf, wenn man nach dem Unfall nicht gleich wieder arbeiten kann. Ist die betroffene Person jedoch ein allzu grosses Risiko eingegangen (Grobfahrlässigkeit), kann sie die Taggelder während maximal zwei Jahren kürzen.

Die Versicherung kennt zudem den Begriff Wagnis, wenn der Sportler mit der Möglichkeit rechnet, dass etwas passiert. Ist ein Sportler ein sogenanntes Wagnis eingegangen, kann sie die Geldleistung für Renten oder Ähnliches sogar kürzen oder verweigern. Doch auch hier ist jeder Fall ein Einzelfall. Martin Schmid von der Versicherungsgesellschaft Axa schreibt: «Wenn ein routinierter Skifahrer bei schönem Wetter ein paar Schwünge im Pulverschnee geniesst und er einfach unglücklich stürzt, wird es nicht zu einer Leistungskürzung kommen. Wenn aber ein unerfahrener Skifahrer bei hoher Lawinengefahr die Piste verlässt und in ein Schneebrett gerät, muss er tatsächlich mit einer Leistungskürzung rechnen.»

Wer haftet genau?
Und wer kommt für den Schaden an Skiausrüstung und so weiter auf? Die Privathaftpflicht des Tourenskifahrers, der das Schneebrett oder die Lawine auslöst, übernimmt sowohl Sach- als auch Personenschäden, die dadurch entstanden sind. Es sei denn, es wird ihm Grobfahrlässigkeit nachgewiesen, dann kann es zu Kürzungen kommen. Grobfahrlässig handelt, wer die elementarsten Vorsichtsregeln missachtet. Deshalb empfehlen die Versicherungsunternehmen, dass sich Tourengänger und Freerider bei heiklen Verhältnissen und in exponiertem Gelände nur unter Anleitung einer sehr erfahrenen Person oder eines Bergführers bewegen. Bei der Beurteilung des Unfalls werden wiederum alle Faktoren einbezogen. Dazu gehören Wetter- und Schneeverhältnisse zum Zeitpunkt des Unfalls, die Fahrweise, die Gefährlichkeit der Abfahrt, die Ausrüstung, die Routine und Vorkenntnisse der Wintersportler. Die Lawinensituation wird ebenfalls beurteilt. Für eine sichere Tour gilt: Das Lawinenbulletin wird ernst genommen, die Tour sorgfältig geplant und dem eigenen Können angepasst.

Fazit: Versicherungen zahlen, aber …
Bestehen die obligatorische Unfallversicherung und eine Haftpflichtversicherung, übernehmen diese die meisten Kosten und Kostenfolgen eines Lawinen- oder Schneebrettunfalls. Darin eingeschlossen sind die Kosten für Suche, Rettung, Heilung, Transport, Unfalltaggeld, Renten und Personen- sowie Materialschaden. Geschah der Unfall grobfahrlässig oder aufgrund eines besonderen Wagnisses, können das Unfalltaggeld sowie Renten gekürzt werden und bei Schäden kann es zu Kürzungen kommen.


DAS PASSIERT NACH EINEM NOTRUF

Bei einem Lawineneinsatz zählt jede Minute, da die Überlebenschancen bereits nach kurzer Zeit rapide sinken. Es gilt, augenblicklich eine Vielzahl von Rettungskräften zu mobilisieren, um allfällige Verschüttete schnellstmöglich zu finden und sie medizinisch zu versorgen. Darum bietet die Rega in jedem Fall sofort die notwendigen Mittel auf. Dazu gehören nicht nur Rettungshelikopter, sondern auch die SAC-Hundeführer, die SAC-Bergretter und allenfalls kommerzielle Helikopterunternehmen, um zusätzliche Einsatzkräfte zum Einsatzort zu fliegen. Das aufgebotene Dispositiv ist von der Alarmmeldung abhängig, also zum Beispiel davon, wie viele Personen unter oder in den Schneemassen vermutet werden. Wichtig für eine rasche und koordinierte Rettungsaktion ist, dass alle Luftrettungs- und Einsatzmittel zentral über eine Stelle, namentlich die Rega-Einsatzzentrale, koordiniert werden. Je nach Ort und alarmierender Person nimmt die Rega-Einsatzleitung parallel dazu sofort mit der Polizei, dem Pistenrettungsdienst oder der SAC-Rettungsstation Kontakt auf. Die Leitung auf dem Unfallplatz übernimmt dann rasch die lokal oder regional verantwortliche Organisation (Polizei, SAC, Pistenrettungsdienst).

Quelle: Schweizerische Rettungsflugwacht Rega


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