RANDNOTIZ

  15.01.2021 Leserbeitrag

«Achtung! S Mosers sy dusse!»

ANITA MOSER
Isolation. Quarantäne. Abstandhalten. Da kommen bei mir Erinnerungen auf und viele Parallelen zur heutigen Situation. Als Neunjährige erkrankte ich an Scharlach. Meine ganze Familie – Vater, Mutter, meine vier älteren Schwestern und mein jüngerer Bruder – mussten für drei Wochen in Quarantäne. Ich durfte das Haus sogar sechs Wochen lang nicht verlassen. Es war im Winter – auch im Baselbiet blieb der Schnee liegen zur Freude der Kinder. Meine Geschwister durften auf dem Zufahrtsweg zu unserem Haus schlitteln. Und ich schaute ihnen vom Schlafzimmer meiner Eltern im oberen Stock durchs Fenster zu. Das war fast wie fernsehen … Etwas Leben in die Bude kam, wenn meine Geschwister auf der Querstrasse zu unserer Zufahrt mit den Schlitten heruntersausten. «Achtung, s Mosers sy dusse …!», hörte man es dann laut rufen und weg waren sie, die Kinder aus dem Dorf. Die Angst vor einer Ansteckung war gross.

Aber die Nachbarschaftshilfe funktionierte gut. Unsere Mutter legte jeweils den Einkaufskorb mit dem Einkaufszettel, das Milchchesseli mit den Milchmarken vor die Türe. Die Nachbarn kauften abwechselnd für uns ein und deponierten die Lebensmittel vor der Eingangstüre, klingelten und … weg waren sie. Die Nachbarn, nicht die Einkäufe ; )

So weit ich mich erinnere, habe ich mich gut mit der Situation arrangiert. Oder ich habs vergessen, wenn es anders war. Aber was tief in meiner Erinnerung eingebrannt bleibt, sind die Spritzen. Es gab damals noch keine Antibiotika. Die Krankheit wurde mit Penizillin behandelt. Jeden Tag eine Spritze. Oder ämel fast jeden Tag. Hörte ich unseren Hausarzt die knarrende Holztreppe heraufsteigen, verkroch ich mich unter die Bettdecke und zog meine Pyjamahose etwas enger um meinen zarten Allerwertesten. Und am Samstag noch etwas fester. Denn dann gabs jeweils die doppelte Dosis, damit unser Hausarzt nicht auch noch sonntags vorbeikommen musste – er wohnte in einem fünf Kilometer entfernten Dorf. In meiner Erinnerung hatte diese Spritze einen riesigen Durchmesser und mein Hintern schmerzt jetzt noch, wenn ich daran denke. Zum Glück gibts die Covid-Impfung in den Oberarm und die zweite Dosis drei Wochen nach dem ersten Piks …

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