«Bei mir steht das Kochen immer an erster Stelle»

  09.03.2021 Hotellerie / Gastronomie, Porträt

Er war keines jener Kinder, die bereits am heimischen Kochherd ihre Leidenschaft fanden: Manuel Zauggs Begeisterung für den Kochberuf wurde vor allem während seiner Lehrzeit im Posthotel Rössli in Gstaad geweckt. Nach seiner Ausbildung zog es ihn zunächst ins Hotel Ermitage in Schönried, wo er seinen Einstieg in die Spitzengastronomie fand und kontinuierlich in der Küchenhierarchie aufsteigen konnte. Anfang Jahr wurde er nun – mit knapp 27 Jahren – zum Küchenchef der Berner Steinhalle, die letztes Jahr mit 17 Gault-Millau-Punkten sowie einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde, und damit die Spitze der Stadtberner Restaurantszene markiert, ernannt. Am Ziel ist er damit aber noch lange nicht …

FRANZISKA RAAFLAUB
Wie in dieser Zeit üblich, treffe ich Manuel Zaugg digital via Zoom. Natürlich hätte ich ihn am liebsten einen Tag lang in Bern begleitet, um mir ein genaueres Bild von seinem Wirken in der Küche zu machen (und vielleicht auch ein bisschen in der Hoffnung, ein Amuse-Bouche jener Gerichte zu ergattern, die mir sein Instagram-Kanal sporadisch in den sozialen Medien auftischt). Aus der gemütlichen Beobachtung wäre aber ungeachtet der Situation nichts geworden: «Wenn du gestern gekommen wärst, hättest du wahrscheinlich gleich beim Einpacken helfen können – da war die Hölle los!», erzählt mir Manuel Zaugg an diesem Montagvormittag.

Esslust statt Lockdown-Frust herrscht nämlich gerade in der Steinhalle, die auf Initiative von Chef Markus Arnold bereits während der ersten Schliessungen Gerichte zum Mitnehmen anbot und ihr Konzept danach stetig weiterentwickelt hat. Ganze 4-Gang-Menüs können jeweils an den Wochenenden bestellt und zu Hause fertig zubereitet werden. Besonders beliebt in der Bundesstadt ist der Sonntagsbrunch, dessen Vertrieb sogar eine eigens hierfür gegründete GmbH übernommen hat. «Es hat mich sehr beeindruckt, wie wir auf hohem Niveau schnell umdisponieren konnten – Angebote zum Mitnehmen zu kreieren ist eine herausfordernde und interessante Erfahrung, die wir unter anderen Umständen wohl nicht gemacht hätten.» Es stimmt positiv, jemandem zuzuhören, der Herausforderungen als Chancen betrachtet und mit erfrischender Zuversicht in die Zukunft blickt.

Die Vorspeise: eine Lehre mit Verantwortung
Der Weg zum prämierten Chef de Cuisine hat im Saanenland, genauer in der Küche des Posthotels Rössli, begonnen. Eher zufällig, wie Manuel Zaugg erzählt: «Wir haben oft mit der Familie im Rössli gegessen und ich habe dort während der Oberstufe zwei Schnuppertage absolviert. Eigentlich hätte man sich im Berufswahlverfahren verschiedene Betriebe anschauen sollen – mir hat es aber beim ersten Mal so gut gefallen, dass ich meine Eindrücke vertiefen wollte. Zu Hause habe ich in dieser Zeit aber kaum gekocht – einen Kindstraum könnte man es also nicht gerade nennen.» Mit grosser Begeisterung blickt er auf seine Lehrzeit zurück und sieht darin die Grundlage für seinen heutigen Erfolg. Die frische, bodenständige Küche des Rössli sei ein ideales Lehrumfeld gewesen: «Dadurch, dass keine strengen Hierarchien gepflegt wurden, konnte ich mit vielen Freiheiten auf einem super Niveau lernen.»

Der Hauptgang: Aufstieg im Hotel Ermitage
Nach der Lehre zog es Manuel Zaugg in die Küche des Hotels Ermitage in Schönried. «Ich war neugierig, noch etwas anderes zu sehen: Die Präzision und Perfektion der gehobenen Küche haben mich fasziniert.» Er sei schon ziemlich nervös gewesen, vom 3-Sterne- gleich zum 5-Sterne-Betrieb zu wechseln. Seine Courage sollte sich jedoch auszahlen: Mit jedem Saisonbeginn konnte er in der Rangordnung eine Position aufsteigen. Vom Commis de Cuisine zum Chef de Partie bis hin zum Sous-Chef arbeitete er sich hoch; jeweils unter wechselnder Führung. Küchenchefs mit radikal verschiedenen Konzepten und ein internationales Umfeld prägten seine Arbeitserfahrung. Das liegt nicht jedem – schliesslich ist es mit viel Aufwand verbunden, sich immer wieder neu zu orientieren. Für ihn war es aber ideal: «Ich habe die vielen Wechsel positiv empfunden und sehr geschätzt, da ich viel Neues lernen konnte. Ohne den ständigen Umbruch hätte ich wahrscheinlich nicht so viele Erfahrungen sammeln können.»

Nach etwa vier Jahren kam jedoch die Erkenntnis, dass ein traditioneller Grossküchenbetrieb wahrscheinlich nicht das ideale Umfeld für ihn ist. Strenge Hierarchien und saisonal wechselnde Brigaden entsprachen Manuels ehrgeizigem Wesen nicht wirklich: «Ich konnte gut nachvollziehen, dass Saisonmitarbeiter manchmal andere Prioritäten haben, in erster Linie ein Einkommen für sich und ihre Familien generieren möchten und vielleicht etwas weniger am grossen Ganzen interessiert sind. Bei mir steht aber immer das Kochen an erster Stelle.»

Das Dessert: vom Sous-Chef zum Küchenchef in der Steinhalle
Vor gut zwei Jahren verliess er schliesslich das Ermitage und das Saanenland, auch um näher bei seiner Familie zu sein, die zwischenzeitlich Richtung Bern und Zürich gezogen war. Dieser Entschluss führte ihn zur richtigen Zeit an den richtigen Ort: In der Steinhalle war in diesem Moment eine Stelle als Sous-Chef ausgeschrieben. «Ich habe nicht damit gerechnet, gleich wieder als Sous-Chef einsteigen zu können, und war sehr motiviert. Hätte mir damals jemand gesagt, dass ich zwei Jahre später gar zum Küchenchef ernannt würde – ich hätte es kaum geglaubt!»

Unter den Michelin-prämierten Restaurants ist die Steinhalle eher unkonventionell aufgebaut: Das Team ist klein und die Hierarchien sind flach. «Hier muss man vom Fisch direkt zur Eiscreme wechseln können, das macht es interessant.» Mit einem Blick in die Speisekarte lässt sich erahnen, weshalb es Manuel Zaugg dort gut gefällt: Eine internationale, aber gradlinige Küche prägt das Bild. «Makrele mit Rettich und Ponzu» oder «Bananenglace mit Kürbiskern» stehen dort zum Beispiel – ganz ohne blumige Umschreibungen. «Der Stil von Chef und Besitzer Markus Arnold gefällt mir sehr gut: eher minimalistisch anstelle von zahlreichen Komponenten, dafür geschmacklich raffiniert und ohne Kompromiss bei der Qualität.» Auch den persönlichen Bezug zu den Händlern schätzt Manuel Zaugg sehr, wobei dies auch seine Tücken hat. «Gelegentlich kaufe ich vielleicht ein bisschen mehr als nötig …»

Der Digestif: Erfahrungen im Ausland sammeln
Aktuell kann aber kaum zu viel eingekauft werden. Die Wochenendmenüs und Brunch-Arrangements sind jeweils rasch ausverkauft. Vorläufig will Manuel Zaugg denn auch in der Steinhalle bleiben: «Ich kann hier noch viel mitnehmen.» Er plant jedoch, in näherer Zukunft Auslanderfahrung zu sammeln. Mit allzu grossen Zielen setzt er sich aber nicht unter Druck. «Ich mache einfach weiter wie bisher: Schritt für Schritt – und lasse mich überraschen, was das Leben für mich bereithält.»


ZUR PERSON

Name: Manuel Zaugg
Jahrgang: 1993
Wohnort: Bern
Aufgewachsen in: Saanen

2010–2013: Lehre im Posthotel Rössli Gstaad
2013: Militärdienst
2014–2018: Einstieg als Commis de Cuisine, Austritt als Sous-Chef im Hotel Ermitage Schönried
2018–2020: Sous-Chef in der Steinhalle Bern
Seit 2021: Küchenchef der Steinhalle Bern

Aktuelles Lieblingsgericht: Auf Bambuskohle grilliertes Wolfsbarschfilet an Pilz-Beurre blanc, gepickelter Blumenkohl und Schnittlauch-Öl aus Geflügelfett. Privat darf es auch mal Pasta mit Pesto sein.

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