Auf den Punkt gebracht

  26.03.2021 Saanen

Wie kommen die Punkte auf die Tasse? Die Mitarbeitenden des Heimatwerks Saanen durften sich diese Frage an einem Betriebsausflug selber erarbeiten. Das wissen darum hat ihre Sicht auf die Dinge verändert.

KEREM S. MAURER
In diesem Jahr fallen viele Generalversammlungen fast noch etwas trockener aus, als in den Jahren zuvor. Weil – Sie ahnen es – eben nicht viel passiert ist, ausser dass ein neues Virus ... doch darum geht es nicht, sondern um den letzten Betriebsausflug des Heimatwerks vor Corona, der den Mitarbeiterinnen nicht nur Spass, sondern auch wichtige Erkenntnisse gebracht hat. Mit «trocken» kann man schliesslich nicht nur Hauptversammlungen assoziieren, sondern auch Ton, Erde, sprich Keramik. Neben vielen anderen stilvollen Produkten aus lokaler, nationaler und vereinzelt auch internationaler Herkunft gibt es im Laden des Heimatwerks Saanen ganz viele Sachen aus Keramik: Geissen, Teller, Schalen, Krüge, Tassen und so weiter. Vieles davon ist mit schönen, kreisrunden, regelmässig verteilten Punkten verziert. «Alles Handarbeit, sogar die Punkte», sagt Brigitte Freidig, seit sechs Jahren Geschäftsführerin im Verkaufsladen des Heimatwerkes Saanen. Sie muss es wissen, dann sie hat es selber erfahren.

Wie schwierig kanns denn schon sein?
Der letzte Mitarbeiterausflug des Heimatwerks Saanen führte die Mitarbeiterinnen in eine Töpferei. Und zwar in jene Töpferei, wo das Geschirr mit den Punkten hergestellt wird. Die Mitarbeiterinnen um Brigitte Freidig staunten nicht schlecht: Bis so ein Keramiktassli fertig ist, nimmt es der Töpfer bis zu zwanzig Mal in die Hand. Drehen, abdrehen, henkeln, Grundfarbe auftragen, Punkte zielgenau fallen lassen, vorbrennen, glasieren und fertig brennen sind nur einige der dazu notwendigen Arbeitsschritte. «Wir durften alle selber ein Tassli gestalten», erinnert sich Brigitte Freidig, die – andere versuchten sich mit Blumen oder Tieren – Punkte machen wollte. «Wie schwierig kann das schon sein?», sagte sie lachend und unterschätzte die Arbeit gewaltig. Als die Mitarbeiterinnen dann ganz konzentriert und fast andächtig am Malen waren, wurde es plötzlich still im Raum. «Ich habe keinen einzigen schönen, runden Tupfen dahin gebracht, wo ich ihn haben wollte.» Von dem Moment an betrachtete sie die getupften Keramiksachen mit anderen Augen.

Wissen weckt Verständnis
«Zu wissen, welch enormer Aufwand hinter einem Tassli steht, bis es in den Laden kommt, verändert die Wahrnehmung grundlegend», so die Geschäftsführerin. Bis eine Tasse fertig ist, dauere es etwa 20 Minuten, erklärte der Töpfer den interessierten Mitarbeiterinnen des Heimatwerks, der, wenn er schon mal dabei ist, gerne 100 Tassen gleichzeitig töpfert. Und dennoch ist jede letztlich ein Unikat. Nicht eingerechnet in den 20 Minuten sind die rund 40 Stunden, welche die Tassen bei über 1000 Grad im Ofen verbringen. Sämtliche Keramik im Heimatwerk Saanen wird lokal oder regional gefertigt. Sogar der Grundstoff des Töpfers, der Ton, stammt aus der Schweiz. Aus Einsiedeln, um genau zu sein.

Lokales Denken
Die Krise rund um das Virus habe eines deutlich gemacht, überlegt Brigitte Freidig. Viele Menschen in ihrem Umfeld hätten wieder angefangen, bewusster und lokal einzukaufen. Man achte wieder vermehrt darauf, was hinter einem Produkt steht, bevor es in den Laden kommt, wie und woraus es gemacht wird. Insbesondere Keramik wurde im vergangenen Geschäftsjahr deutlich mehr verkauft als zuvor. So gesehen war der letzte Betriebsausflug des Heimatwerkes Saanen mehr als nur ein Ausflug. Er hat den Mitarbeiterinnen die Augen geöffnet für ein für sie alltägliches Produkt: ein getupftes Tassli, das in seiner schlichten, zeitlosen Schönheit einiges auf den Punkt gebracht hat.


AUS DER GENERALVERSAMMLUNG

Beide Stimmberechtigte (Gemeinde Saanen und der Frauenverein) haben sämtliche Traktanden genehmigt. Christa Cairoli wurde als Präsidentin und Dana Berchten als Sekretärin wiedergewählt.


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