Die IMMA zu Gast im Wohnzimmer

  02.03.2021 Kultur, Musik

Ein Konzert, das von Studenten der International Menuhin Music Academy (IMMA) präsentiert wurde, fand seine Zuhörer per Videostream daheim an Bildschirmen und Tablets.

JENNY STERCHI
Als Gönnerkonzert veranstalteten die Saaner Freunde der IMMA am letzten Freitag ein Konzert mit einem Kammermusikorchester aus Studenten und Lehrkräften der Akademie. Als Videoübertragung war diese Veranstaltung im Internet zu sehen. In der Vorbereitung hatten die Studentinnen und Studenten im Februar Meisterkurse und Unterrichtseinheiten mit grossartigen Lehrkräften wie Béatrice Muthelet und Gábor Takács-Nagy absolviert.

Leere Kirche voll Musik
Anstatt eines grossen Publikums hatten diverse Aufnahmegeräte ihre Plätze in der Kirche von Saanen gefunden. Auf der Homepage der IMMA und auf «The Violin Channel», einer renommierten Plattform für klassische Musik, wurden dem Zuhörer die virtuellen Türen zu einem reichlich einstündigen Konzert geöffnet. Neben der Musik sorgten die Kameras für verschiedene Perspektiven, aus denen sie die Musikerinnen und Musiker einfingen.

Die fünf Solisten Asako Iimori, Hsuan-Min Chang, Samuel Hirsch, Davide Navelli und Luka Galuf boten im ersten Teil des Konzertes neben Internationalität auch brillante musikalische Kunst. Sie gaben das Streichquintett in G-Moll, KV 516, von Wolfgang Amadeus Mozart zum Besten. Die Virtuosität der einzelnen jungen Musikerinnen und Musiker berührte ebenso wie das präzise Zusammenspiel.

Im zweiten Teil brachte ein 16-köpfiges Kammerorchester, ebenso maskiert wie die Solisten zuvor, Dmitri Schostakowitsch’ Kammersinfonie op. 110a zu Gehör. Mit diesem Werk bot sich den jungen Künstlern nicht viel Raum, Leichtigkeit und Frohsinn zu verbreiten. So melancholisch, so schwer waren die Motive angelegt. Die Erklärung dafür liegt in der Absicht, mit der Schostakowitsch diese Sinfonie geschaffen hatte. Demnach setzte sich laut Kammermusikführer der Komponist darin mit den unmenschlichen Taten der Faschisten während des Zweiten Weltkriegs auseinander.

Vom spielerischen Können und von ihrer musikalischen Leidenschaft überzeugten die Musikstudenten trotz physischer Distanz zu ihrem Publikum.

Neue Erfahrung, viel Potenzial, aber kein Ersatz
Wer als Zuhörer das Konzert in der Kirche live erleben würde, müsste sich während der Musikvorträge mit einem einzigen Blickwinkel auf die Musikerinnen und Musiker zufriedengeben. Die Möglichkeit des Platzwechsels ergibt sich in der Regel nicht. Das Videostreaming am Freitag eröffnete dem Zuschauer sowohl Nahaufnahmen der Künstler als auch den Blick von der Empore.

Mit Kindern unter dem Publikum daheim ergab sich mit der Videoübertragung die Möglichkeit, ein klassisches Konzert unter vereinfachten Bedingungen zu erleben. Nicht am Platz bleiben zu müssen, fragen zu dürfen ohne jemanden zu stören und das Sofa zu verlassen, wenn es zu schwierig zu verstehen ist.

Aber das Verbeugen der jungen Künstler am Ende des Konzerts vor leeren Kirchenbänken erschien dann doch irgendwie absurd. Für junge wie auch etablierte Musiker ist doch der Applaus die wichtigste Rückmeldung. Das Videostreaming belebt zum Glück die stillgelegte Kulturszene, ersetzt aber keinesfalls das Erlebnis eines Konzertes mit «echtem» Publikum, weder bei den Besuchern noch bei den Protagonisten.

 


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