Willy Läng – der Poyamaler aus Château-d’Oex

  05.03.2021 Porträt

Man findet sie vor allem in der französischsprachigen Schweiz und in Frankreich an Bauernhäusern und Ferienchalets: die dekorativen Poyas des Kunstmalers Willy Läng aus Château-dOex. Die ersten auf rechteckige Holzbretter gemalten Alpaufzüge entstanden vor circa 200 Jahren rund um Greyerz und erfreuen sich steigender Beliebtheit.

VRENI MÜLLENER
Früher konnte es dem in Genf aufgewachsenen Willy Läng nicht weit genug in die Welt hinaus gehen. Nach der Lehre in einem Reisebüro wirkte Läng in Spanien als Reiseagent, arbeitete im Club Med auf Tahiti, bevor er dort während zwei Jahren ein Hotel führte. Ebenfalls auf Tahiti lernte der Weltenbummler seine Frau kennen, die später überallhin mit ihm ging. Es folgte die Tätigkeit als Tauchinstruktor auf den Seychellen und später verbrachten die beiden mehrere Jahre auf Bora Bora in Französisch-Polynesien. Immer wieder griff der Allrounder zu Pinsel und Farbe und übte sein Hobby, die Malerei, aus. Diese Kunst hat er als Bub in Genf bei seinem Nachbarn abgeschaut, seither malt der Autodidakt Bilder mit Sujets aus der jeweiligen Gegend, wo er sich gerade aufhält.

Auszeit für den Rest des Lebens
Die vielen Aufträge fürs Malen liessen in ihm den Plan reifen, ein Sabbatjahr einzuschalten und mit Frau und Sohn in die Schweiz zurückzukehren. Aus diesem Jahr wurden fast 50 Jahre. Zuerst liess sich die junge Familie im Vald’Illiez nieder. In Château-d’Oex fanden sie später eine Bleibe, die bis ins Alter seine Heimat werden sollte.

Musste sich der Familienvater anfänglich noch mit Nebenerwerben über Wasser halten, lebt er nun schon lange Zeit von seinen Bildern. Dies verdankt er vor allem auch der Poyamalerei. Anfänglich wanderte er auf die Westschweizer Alpen, stellte seine Staffelei vor eine Alphütte und malte drauflos. Den Eigentümern gefiel es, wenn ihr Chalet mit Farbe und Pinsel verewigt wurde. Sein Interesse für die Westschweizer Alpwirtschaft entwickelte sich langsam. Der Schritt, seinen ersten Alpaufzug zu malen, war vorprogrammiert, ohne zu wissen, was eine Poya genau ist.

Die Alpaufzüge fertigt Läng auf Bestellung an. Die Bilder aus dem ländlichen Alltag malt Läng auf Holzlatten, auf alte Schranktüren, einfache Bretter, aber auch auf Glockenriemen. Als Vorlage dienen ihm Fotos, die ihm seine Kunden bringen. Manchmal wünschen sie sogar ihr Haus vor einer bestimmten Landschaft, verbunden mit einem traditionellen Alpaufzug. Extrawünsche wie die Rasse der Kühe, zusätzliche Tiere wie Ziegen, Hunde oder Pferdegespanne werden individuell berücksichtigt. Es stört ihn nicht, dass seine Bilder nicht immer der Realität entsprechen. Willy Läng mag Humor und platziert hie und da ein witziges Element in seine Gemälde.

Zahlreiche Kunden aus nah und fern
Zu seinen Kunden zählen Bauern, Besitzer von Bauernhäusern und Zweitwohnungen aus der Schweiz, aber auch aus dem Ausland, vor allem Frankreich.

Etwa zwei Tage braucht der Künstler, um die gewünschte Landschaft mit Pinsel und Farben zu gestalten. Wenn es nicht nur vier bis fünf Kühe braucht, hat er in seiner ehemaligen Nachbarin Arianne Freudiger eine Hobbymalerin gefunden, die die schätzungsweise 80 Beine und 40 Hörner der Kühe, aber auch andere Tiere, die gewünscht werden, und Menschen auf den Zügelweg zeichnet.

Einen grossen Bezug zur Alpwirtschaft hat Läng nicht, dennoch hat er einmal einen Alpaufzug mit seiner Filmkamera begleitet. Zum Filmen sei er gar nicht gekommen, meinte er lachend. «Ich musste den Tieren einfach nur nachrennen, dermassen hatten die es eilig, von Rossinière den Berg hinaufzukommen.» Grosse Zukunftspläne macht der Siebenundsiebzigjährige nicht mehr. Er geniesst Tag für Tag all das Schöne, das ihm das Leben noch schenkt. Der Naturfreund beobachtet die Vögel und freut sich an den Pflanzen in seinem Garten. Wenn er nächsten Sommer auf dem Balkon sein Freiluftatelier einrichten wird, wird er zum x-ten Mal die Gummfluh malen, den Hausberg von Château-d’Oex. «Die Gummfluh kenne ich so gut, ich könnte sie in der Nacht malen, ohne Licht!», versichert «Poya-Willy» – und es fällt nicht schwer, dies dem begnadeten Künstler zu glauben.

www.poyawilly.ch


WAS IST EINE POYA?

Das Wort «Poya» bezeichnet im Freiburger Patois (Dialekt) Alpaufzug. Vor ungefähr 200 Jahren entstand der Brauch, den Moment des Alpaufzugs auf einem einfachen Holzbrett als Gemälde festzuhalten. Im Trachtengewand zeigten sich die Sennen beim Aufstieg zur Alp und hängten das Bild danach für alle gut sichtbar über den Scheuneneingang.


TZAMARTISANS

Die Genossenschaft Tzam’Artisans wurde 1993 als Vereinigung von verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern in L’Etivaz gegründet. «Tzam» bedeutet im Patois Gämse und bezeichnet auch die Einwohner von L’Etivaz).

Heute stellen gegen 30 Genossenschaftsmitglieder ihre Erzeugnisse in der sehenswerten Boutique «La Grange des Tzam’Artisans» an der Grand Rue in Château-d’Oex zum Verkauf aus. Als Höhepunkt bezeichnen die Kunstschaffenden ihren Weihnachtsmarkt, der jeweils im charmant dekorierten Dorf Rossinière stattfindet. Zur zehnten Ausgabe werden Ende November 2021 bis zu 70 einheimische und auswärtige Aussteller erwartet. Bestimmt wird das einen Ausflug ins benachbarte Pays-d’Enhaut wert sein. www.tzamartisans.com


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