Gut gemeint, aber nicht praxistauglich – die beiden Agrarinitiativen

  21.05.2021 Leserbriefe

Am 13. Juni stimmen die Schweizer Bürgerinnen und Bürger über zwei Initiativen ab, die im Falle einer Annahme die Landwirtschaft in der Schweiz massiv verändern würden: Die Initiative für sauberes Trinkwasser und die Pestizidfrei-Initiative. Ob wir es zugeben oder nicht, auf die Produkte aus der Landwirtschaft kann heute niemand mehr verzichten. Es bringt nichts, wenn Bauern in der Schweiz so weit eingeschränkt werden, dass sie nichts mehr produzieren können. Gegner der Initiativen befürchten, dass genau das passieren könnte, wenn die beiden Landwirtschaftsinitiativen angenommen würden. Mögliche Auswirkungen wären:.

Ergänzungsfutter: Seit jeher ergänzen sich Ackerbau- und Tierhaltungsbetriebe in der Schweiz. Ein Verbot, Ergänzungsfutter zuzukaufen spielt Bergund Talbetriebe gegeneinander aus. Gerade wenn, wie dieses Jahr, Mäuseschäden oder andere unvorhersehbare Naturereignisse das Futter knapp werden lassen, würde sich ein Verbot von Zukäufen katastrophal auf die Berglandwirtschaft auswirken. In der Tierhaltung werden Nebenprodukte von Mühlen. Raffinerien und Käsereien bis jetzt sinnvoll verwertet, anstatt dass sie in einer Biogasanlage entsorgt werden müssen. Aus Umweltschutzgründen werden Alpkäser angehalten, die anfallende Schotte sinnvoll zu verwerten. «Um die von Abnehmern gewünschte Qualität der Bergschweine zu halten, ist der Zukauf von Ergänzungsfutter ein Muss,» betont Ueli Haldi, der seit Jahren auf der Alp Seeberg während zehn bis elf Wochen das beliebte Schweinefleisch produziert.

Pflanzenschutz: In den letzten 12 Jahren hat sich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bereits um 40 % reduziert. Nach wie vor gibt es keine Lösung für die gefürchtete Kraut- und Knollenfäule im Kartoffelbau. In nassen Jahren können synthetische Pflanzenschutzmittel einen Totalschaden verhindern und damit den Rohstoff für alle aus Kartoffeln hergestellten Lebensmittel gewährleisten. Hierzulande kommen synthetische Pestizide vor allem bei der Unkrautbekämpfung zum Einsatz. Mit dem Pestizid-Gesetz hat das Parlament eine bessere Lösung erarbeitet, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln tiefgreifend zu optimieren und dadurch die negativen Umwelteinwirkungen zu minimieren.

Antibiotika: Antibiotika in der Tierhaltung werden bereits nur eingesetzt, wenn es unumgänglich ist. Der Antibiotikaverbrauch in der Schweiz wurde in den vergangenen zehn Jahren halbiert. Schon heute herrscht Transparenz: Durch genaue Aufzeichnungen kann zurückverfolgt werden, wer was wann bekommen hat. Die Behandlung von kranken Tieren darf nicht in Frage gestellt werden – das wäre ein grosser Rückschritt.

Die beiden Agrarinitiativen sprechen wichtige Themen an, schiessen aber über das Ziel hinaus: Bei einer Annahme wird die Inlandproduktion von Lebensmitteln, auch auf Biobetrieben, von über 60% auf 40% hinuntersinken. Als Folge davon gehen Hunderte von Arbeitsplätzen verloren, eine grosse Wertschöpfung wandert ins Ausland ab. Einkaufspilgerfahrten in den EU-Raum nehmen zu, es entsteht automatisch mehr Abfall (Food Waste), die Versorgungslage in der Schweiz ist nicht mehr gewährleistet. Nur sehr grosse Betriebe, die die Produktion mit allen Mitteln fördern können, sind in der Lage, auf Direktzahlungen zu verzichten. Eine solche Entwicklung gefährdet die bewährten Familienbetriebe und kann nicht im Sinne der Schweizer Konsumenten sein. Die Probleme, die bei der Nahrungsmittelproduktion entstehen, werden exportiert, statt dass sie in der Schweiz verantwortungsvoll gelöst werden.

Aus diesen Gründen empfiehlt die landwirtschaftliche Vereinigung Saanenland, am 13. Juni rege vom Stimmrecht Gebrauch zu machen und zweimal ein klares Nein in die Urne zu legen.

LANDWIRTSCHAFTLICHE VEREINIGUNG SAANENLAND


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