In den nächsten zwei Jahren sollen die Gemeinden des Kantons Bern schrittweise ein Netz von Notfalltreffpunkten aufbauen. Auch im Saanenland laufen entsprechende Vorbereitungen.

KEREM S. MAURER
Worstcase-Szenario: Bei schweren Katastrophen wie Erdbeben, Unwetter oder länger andauerndem, grossflächigem Stromausfall könne es passieren, dass Telefon und Internet ausfallen oder dass es – je nach Situation – zu Versorgungsengpässen bei Gütern des täglichen Bedarfs komme. Im schlimmsten Fall sei sogar mit Todesopfern zu rechnen, weil medizinische Notfälle oder Brände nicht rechtzeitig gemeldet werden könnten. So steht es in einer Medienmitteilung der Sicherheitsdirektion des Kantons Bern. Diese will, dass alle Gemeinden des Kantons in den nächsten zwei Jahren ein Netz von total 236 Notfalltreffpunkten (NTP) aufbauen. Konzeptionelle und materielle Unterstützung soll es dafür vom Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär (BSM) geben.

Obersimmental hat sie schon
Auf der Website notfalltreffpunkt.ch ist ersichtlich, welche Gemeinden bereits einen solchen Notfalltreffpunkt eingerichtet haben. Von den vier Gemeinden des Obersimmentals hat dies Boltigen, Zweisimmen und St. Stephan bereits getan. Im Saanenland gibt es noch keinen einzigen. Woran liegt das? Andreas Zoppas, Fachleiter Sicherheit bei der Einwohnergemeinde Saanen, erklärt, dass die Planung dieser Notfalltreffpunkte Sache des Regionalen Führungsorgans (RFO) sei. «Wir sind dran, in Absprache mit den Gemeinden Lauenen und Gsteig die allfälligen Standorte solcher NTP auf den jeweiligen Gemeindegebieten zu definieren.» Dann würden entsprechende Anträge an den Kanton gestellt, bevor definitive Entscheide gefällt würden. Auch Lauenen und Gsteig signalisierten auf Anfrage Bereitschaft, Notfalltreffpunkte einzurichten.

Was genau ist ein Notfalltreffpunkt?
Notfalltreffpunkte stellen in Notlagen Anlaufstellen für die betroffene Bevölkerung dar. «Dort erhalten die Betroffenen Informationen zur aktuellen Lage und dem weiteren Geschehen», heisst es in der Medienmitteilung. Ebenfalls bestünde in den NTP die Möglichkeit, über POLYCOM, dem stromnetzunabhängigen Funknetz der Behörden und Blaulichtorganisationen, Notrufe abzusetzen. Dank Notstromversorgung können NTP auch bei Stromausfall ihren Betrieb aufrechterhalten. Wann welche NTP in Betrieb sind, erfährt die Bevölkerung via Radio- und Fernsehdurchsagen, über Alertswiss-Meldungen oder – falls diese Kanäle nicht mehr zur Verfügung stehen – via Lautsprecherdurchsagen in den Gemeinden.

Für NTP sind Räumlichkeiten in öffentlichen Gebäuden wie Schulhäusern, Turnhallen oder Mehrzweckhallen vorgesehen. Im Ereignisfall werden diese mit auffälligen Fahnen mit dem NTP-Logo (siehe Bild) markiert. Als weiträumige Orientierungshilfe sollen zusätzliche NTP-Wegweiser aufgestellt werden. Betrieben werden NTP von Mitarbeitenden der Gemeinden zusammen mit Angehörigen von Zivilschutzorganisationen und allenfalls mit weiteren Helfenden. So soll der Betrieb im Bedarfsfall während mehreren Tagen gewährleistet werden.

Kanton will Gemeinden unterstützen
Das BSM hat zusammen mit den Gemeinden Belp, Bern, Lauterbrunnen, Ostermundigen, Schwarzenburg, Spiez, Thun und Wohlen ein kantonales Konzept «Notfalltreffpunkte» erarbeitet. Dieses lehnt sich an ein bereits bestehendes gleichnamiges Konzept der Kantone Aargau und Solothurn sowie des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (BABS) an. Laut dem Berner Sicherheitsdirektor und Regierungsrat Philippe Müller kommt den Gemeinden bei der Einführung von Notfaltreffpunkten eine Schlüsselrolle zu, denn: «Niemand kennt die lokalen Gegebenheiten besser und ist im Ereignisfall schneller vor Ort als die Gemeinde selbst», sagt er und verspricht, dass die Gemeinden bei der Umsetzung auf die tatkräftige Unterstützung des Kantons zählen könnten.

Solche Fahnen mit dem Notfalltreffpunkt-Logo werden im Katastrophenfall die Notfalltreffpunkte für die Bevölkerung markieren.

FOTO: ZVG