Geimpft, getestet, genesen – und gegolft!

  11.06.2021 Leserbeitrag

Lange musste ich in den letzten Wochen bangen: Der jährliche Golfurblaub im österreichischen Kitzbühel hing an einem seidenen Faden. Kurz vor dem endgültigen Stornierungsdatum gab der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz einen massiven Öffnungsschritt bekannt. Begleitet sollten diese Öffnungen von verschiedenen Massnahmen sein. So muss man in Österreich in praktisch allen Innenbereichen eine FFP2-Maske tragen. Und noch wesentlicher: Zwar sind praktisch alle Dienstleistungen wieder erlaubt, aber nur mit dem konsequenten Nachweis der drei G (geimpft, getestet, genesen).

Das gilt zum Beispiel auch für Golfclubs: Zwar muss die Maske auf der Runde nicht getragen werden, aber bei der Anmeldung im Clubhaus muss ein Nachweis erbracht werden. Vor der Reise haben meine Golffreunde und ich gewitzelt. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass das tatsächlich so umgesetzt wird. Und wie wurden wir überrascht. In jedem Golfclub und in jeder Beiz wurde von uns konsequent ein Nachweis verlangt.

Als jüngere, noch nicht geimpfte Menschen bedeutete das für uns: Jeden Tag ein Test. Im Hotel wurde uns das einfach gemacht: Die Selbsttests wurden abgegeben, mittels einer einfachen IT-Lösung konnten wir die negativen Selbsttests erfassen und hatten am Schluss ein PDF-Dokument auf dem Handy, welches uns für 24 Stunden Bewegungsfreiheit erlaubte.

Warum ich Ihnen diese Geschichte erzähle? Ich finde den Unterschied zur Schweiz frappierend: Während die Politik hierzulande von konsequenten Lösungen absieht, um mögliche Gegner nicht zu provozieren und der Kritik an «Bürokratiemonstern» zuvorzukommen, hat man in Österreich einfach umgesetzt. Und weil Kurz von Anfang keine Zweifel an der Konsequenz aufkommen liess, konnten die betroffenen Betriebe einfache und sinnvolle Lösungen entwickeln, die den Urlaub kaum tangieren.

Das finde ich besonders faszinierend, weil die konsequente Strategie der Österreicher noch eine andere Folge hat, die bei all den Diskussionen manchmal vergessen geht: Zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich sicher. Natürlich können auch diese Nachweise Ansteckungen nicht vollständig verhindern. Aber nur schon die Gewissheit, dass alle Anwesenden mindestens sensibilisiert sind, vermittelt ein angenehmes Gefühl.

Ich meine, dass der geringe Mehraufwand, der dafür geleistet werden muss, durchaus im Rahmen des Möglichen und Erträglichen liegt. Ich habe überhaupt nichts gegen die Öffnungen, die ja auch in der Schweiz zu einem ähnlichen Zeitpunkt wie in Österreich umgesetzt wurden. Und ich konnte auch die Kritik vieler Branchen verstehen, die sich über die Schliessungen beklagt haben. Aber es ist einigermassen frustrierend, zu sehen, mit wie wenig Aufwand man eine so viel bessere Lösung als in der Schweiz hätte umsetzen können. Denn nach wie vor setzt man hier vor allem auf eine krude Form von Eigenverantwortung, die bei einem Virus, das sich erst zeigt, wenn es zu spät ist, schlicht nicht möglich ist.

Gerade in der Schweiz hätte es doch möglich sein müssen, solch konstruktive Lösungen zu finden, anstatt einfach nur gegenseitige Angriffe zu lancieren.

Ich hoffe, dass wir darüber schon bald nur noch in der Vergangenheitsform diskutieren müssen und uns unser destruktives Krisenhandling nicht doch noch um die Ohren fliegt.

SEBASTIAN DÜRST
[email protected]


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