Leuchtturmprojekt soll Abwanderung stoppen

  25.06.2021 Abländschen, Hotellerie / Gastronomie

In Abländschen soll die Abwanderung gestoppt werden. Das Berghotel «Zur Sau» spielt dabei eine zentrale Rolle. Wie funktioniert dieses potenziell wegweisende Konzept und was haben die Initianten noch im Sinn?

KEREM S. MAURER
Dass in der kleinen Talschaft jenseits des Mittelberges am Fuss der Gastlosen allmählich die Lichter ausgehen, ist bekannt. Skilift, Post, Schule und zuletzt auch das Hotel Weisses Kreuz wurden geschlossen, man zählt noch 38 Einwohner und Einwohnerinnen. Schweizweit sind noch viele andere Bergdörfer und Bergtäler im Alpenraum von dieser Entwicklung betroffen. Doch diesem Negativtrend will der Gstaader Hotelier Thomas Frei vom Bernerhof zusammen mit Hans Peter Reust entgegenwirken. Dafür gründeten sie die Stiftung Prospectus Mons. Anlässlich einer Medienorientierung am letzten Montag haben die beiden im Berghotel «Zur Sau» über ihr erstes Abwanderungsstopp-Projekt, das in Abländschen umgesetzt wird, informiert. Die Verantwortlichen sprechen von einem Leuchtturmprojekt, das weit über die Talschaft hinausstrahlen und den Bekanntheitsgrad der ganzen Region stärken soll.

Perspektiven schaffen
Die Idee ist simpel: Landwirtschaft und Tourismus werden verbunden – Stichwort: Agrotourimsus. Die vor Ort produzierten Spezialitäten sollen marktfähig werden, damit ihre Hersteller einen fairen Preis dafür erhalten. Auf diese Weise soll eine nachhaltige Wertschöpfungskette generiert und die Abwanderung gestoppt werden, weil die jungen Abländschnerinnen und Abländschner im Tal wieder eine Perspektive sehen und mit Freude den elterlichen Betrieb übernehmen und im Tal bleiben.

Erstes Projekt Abländschen
«Wir treiben die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus voran, bringen Gastronomen und Bauern zusammen und fördern die Produktionsbreite in der Region», erklärt Thomas Frei. Die Milch aus Abländschen wird in der Käserei Jaun zu Rohmilchspezialitäten verarbeitet und fliesst nicht mehr in die Industrie. Dadurch konnte der Milchpreis für die Abländschner Bauern bereits von 55 auf 74 Rappen erhöht werden. Hans Peter Reust geht davon aus, dass der Milchpreis bis in zwei Jahren bei einem Franken pro Liter liegen wird. Landwirte, Hotellerie und Köche arbeiten eng zusammen und setzen auf alles, was im Tal angebaut wird. «Wer im Berghotel ‹Zur Sau› isst, hat Abländschen auf dem Teller», verspricht Frei. Von den 38 Einwohnern seien etwa zehn in das Projekt eingebunden. Hanspeter Dänzer, einer der drei involvierten Landwirte freut sich, dass das Hotel wieder geöffnet hat. Man habe ihn angefragt, ob er mitmachen und was er liefern will. «Erst waren es Kartoffeln, dann kamen die Perlhühner, später Getreide und jetzt noch Schweine», erklärt er und ergänzt, man sei jetzt an einem Punkt angelangt, an dem man es «laufen lassen» könne. «Ich hoffe und glaube, dass dieses Konzept gegen die Abwanderung hilft», so der Landwirt. Ob dieses Konzept wie gewünscht ausstrahlt und auch in anderen Regionen zur Anwendung kommt und ob damit der Abwanderung tatsächlich Einhalt geboten werden kann, wird die Zukunft zeigen. Jedenfalls erhoffen sich die Initianten in Abländschen einen Bevölkerungszuwachs von zehn Prozent bis ins Jahr 2030.

Auf die Sau gekommen
Aber es gibt in Abländschen auch kritische Stimmen, insbesondere, weil das Berghotel seit seiner Eröffnung am 21. Mai offiziell «Zur Sau» heisst. Dieser Name passt nicht allen, Marketingstrategie und Wiedererkennungswert hin oder her. Laut Hans Peter Reust hätte es keinen Sinn gemacht hätte, das «Weisse Kreuz» zu übernehmen, ohne etwas am Konzept zu verändern. Dass sie mit ihrer Idee nicht nur auf Gegenliebe stossen würden, war ihnen bewusst. Genauso wie auch von vorn herein klar war, dass der neue Hotelname provozieren würde. «Zur Eintracht» hätte wohl kaum besser gepasst», stellte Reust augenzwinkernd fest. Die Betreiber erklären auf spezielle Weise, wie sie auf den Namen «Zur Sau» gekommen sind: Basierend auf einer Idee von Thomas Frei, geschrieben und historisch eingebettet von Willi Näf und illustriert von Andrea Caprez, haben sie ein Buch mit dem Titel «Zur Sau» herausgegeben. Auf humor- und liebevoll gestalteten 80 Seiten erfahren die Lesenden, was es mit dem Namen auf sich hat. «Die wuchtige Fabel unterlegt das Berghotel augenzwinkernd mit einer fast wahren Geschichte, welche die Verbundenheit der Menschen von Abländschen mit ihrem Tal aufzeigt», steht in diesem Buch. Der Erlös aus dem Verkauf dieser Fabel kommt vollumfänglich der Stiftung Prospectus Mons zugute.

Starker Tabak
Die Frage, ob mit den gegenwärtig angebauten Produkten in Abländschen nun sämtliche Möglichkeiten ausgereizt sind, verneinte Hans Peter Reust. Man baue so viel wie möglich direkt vor Ort an und es gebe noch weitere Ideen. Gegenwärtig sei man mit einem Zigarrenmacher in Gesprächen. Man spiele mit dem Gedanken, Tabakpflanzensamen aus der Dominikanischen Republik einzufliegen, um diese in Abländschen zu kultivieren. Schliesslich verfüge das Berghotel «Zur Sau» bereits über das Fumoir.

www.bergdorf-ablaendschen.ch/de/hotel-zur-sau/


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