Altwerden ist gar nicht schlimm

JENNY STERCHI
Wie schreibe ich eine Randnotiz, wenn mich so gar nichts beschäftigt? Aber das stimmt ja gar nicht. Viele Sachen beschäftigen mich gerade − sie aufzuzählen, dazu fehlt mir die Geduld. Und gegen Ungeduld habe ich vor einiger Zeit ein probates Mittel gefunden: Lesen. Möglichst wenig mit Schlagzeilencharakter und gerne sprachaffin. Ich kann mich göttlich amüsieren über Schreibkünstler, die sich durch die wenig begangenen Gefilde der deutschen Grammatik schleichen und über einen Wortschatz verfügen, der einen leichten, aber angenehmen Schwindel in mir auslöst. Gerade lese ich im letzten Buch des vielseitigen Autors Jan Weiler, in dem er auf wunderbare und manchmal erschreckende Weise die Metamorphose der «Eltern» zu den «Älteren» beschreibt. Das Thema setzt meine Gehirnwindungen in Bewegung. Ich bin ja auch mal ausgezogen daheim mit der Überzeugung «Ich schaffe alles». Dachte, ich wüsste es besser und durfte zum Glück meine eigenen Fehler machen. Hatte einen enormen Vorsprung gegenüber meinen Eltern geschaffen, was computergestützte Datenverarbeitung anbelangte. Und sie so zu den «Älteren» gemacht. Sind die Kinder erst mal raus, wird der Verfall sowohl körperlicher als auch geistiger Natur sichtbar. Für mich und für die Kinder. Nur nicht verrückt machen … lassen. Graue Haare gehören einfach dazu. Die Frage der Kinder, warum ich noch immer nicht auf Instagram bin, lässt mich nachdenken. Nicht darüber, wann ich mein Social-Media-Debüt gebe, sondern über den Vorsprung, an dem meine Kinder jetzt so langsam arbeiten. Während die körperliche Abnutzung nur bis zu einem bestimmten Punkt aufzuhalten ist und dazu ein ungeheures Mass an Disziplin erfordert, muss ich aber dem Abbauprozess geistiger Fähigkeiten gar nicht tatenlos zusehen. Ich muss nur neugierig und möglichst gesund bleiben und ... lesen.

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