Zum Besen-Inserat der SVP

  08.06.2021 Leserbriefe

Ein Inserat im AvS (4. Juni) propagiert einen obersimmentalischen SVP-Wunderbesen als Heilmittel gegen unsere bedrohte Freiheit. Allerdings fehlt mir in diesem Wischprogramm die Anleitung, wie man diesen Besen in die Finger nehmen muss, um den zurzeit arg in Mode gekommenen Einschüchterungsterror (bis hin zu Mord) wegzuwischen! Die Art und Weise, wie der Zivilcourage und unserem verbrieften Recht auf freie Meinungsäusserung im Moment der Kampf angesagt wird, ist eine Schande für unser Volk und Land. Das fieseste und niederträchtigste, jegliche Menschenwürde missachtende Abstimmungskampfmittel, zu dem erwiesenermassen leider auch Teile der Berglandwirtschaft greifen, ist das Bedrohen von Leib und Leben von Familienangehörigen derer, die eine andere Meinung vertreten. Man braucht kein Prophet zu sein, um voraussagen zu können, dass dieses Verhalten negativ auf uns zurückfallen wird. Als Leidtragendste wird dann wohl die landwirtschaftliche Bevölkerung für den Schaden büssen, den ihr so durch überemotionale Hitzköpfe aus ihren eigenen Reihen zugefügt wurde. Stehen wir gemeinsam auf und lassen wir nicht zu, dass diese Welle primitivster Unkultur Erfolg verbuchen kann! Begegnen wir ihr mit Ächtung und tiefster Verabscheuung! Unterstützen wir unisono diejenigen Kräfte, die einen anderen Weg aufzeigen.

Kilian Wyssen versteigt sich in seinem gleichentags erschienenen Leserbrief zur Aussage, wer eine freie Schweiz wolle, müsse fünfmal Nein stimmen. Dazu möchte ich doch noch einige Gedanken anknüpfen: Es ist uns ja allen bekannt, wie nur Kilian Wyssens Partei als einzige wirklich weiss, was für unser Land Freiheit und Unabhängigkeit ist. Hätten unsere Staatsgründer Mitte 19. Jahrhundert über solches «SVP-Wissen» verfügt und danach gehandelt, wäre es wohl nie zu einer Schweizer Staatsgründung gekommen. Die heutige, vor allem von Wirtschaftsgewaltigen geprägte SVP-Ideologie steht in weiten Teilen diametral zur Haltung und Einstellung unserer Staatsgründer.

Keine der fünf Abstimmungsvorlagen finde ich wirklich perfekt, und insbesondere zu den radikalen Agrarinitiativen habe auch ich meine Vorbehalte. Letztere beiden hätten ja aber auch bei einem deutlichen Volksmehr keine Chance, weil sie das Ständemehr niemals passieren würden. Dass sich die Gegnerschaft mit dem Vorteil Ständemehr im Rücken zu solch einem perfiden Abstimmungskampf veranlassen liess (ich verurteile auch die Drohungen der Pro-Seite aufs Schärfste), zeugt nicht von viel politischem Realitätssinn. Ich will wahrscheinlich ebenso sehr eine freie Schweiz wie Kilian Wyssen. Trotzdem nehme ich mir als Schweizer Patriot die Freiheit, fünfmal Ja zu stimmen, weil jede dieser Vorlagen in eine Wegrichtung zeigt, die wir beschreiten müssen, wenn wir unseren Nachkommen nicht nur egoistisch materielle Wohlstandsgier vorleben, sondern auch eine einigermassen zukunftswürdige Erde hinterlassen wollen.
GOTTFRIED VON SIEBENTHAL, AESCHI B. SPIEZ


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