Der Mauersegler – unglaublich, aber wahr

  16.07.2021 Gstaad, Natur

Von Mai bis Juli fliegen in Gstaad die Mauersegler herum. Diese Flugkünstler führen ein ganz besonderes Leben.

Noch bis Ende Juli sind die Mauersegler in Gstaad. Rasant und oft schrill rufend fliegen sie einzeln oder in kleinen Gruppen über Dächer und um Hausecken. Gegen Abend ist die Flugaktivität besonders gross und auffällig. Unter Ziegeln oder in anderen Hohlräumen unter Dächern von hohen Häusern befinden sich die Mauerseglernester. Sie nehmen auch gerne eigens für sie gefertigte Nistkästen an. In der Schweiz sind die Mauersegler sehr stark vom Wohlwollen der Menschen abhängig. Eher selten brüten Mauersegler in Felsnischen.

Dauersegler
Über die Mauersegler gibt es fast Unglaubliches zu berichten. Mauersegler sind Dauerflieger. Aerodynamisch perfekt geformt, sind sie ununterbrochen fliegend unterwegs. Sie landen nur zur Brutzeit, wenn sie ihr Nest aus in der Luft gesammeltem Nistmaterial bauen, Eier ablegen und ausbrüten sowie die Jungen füttern. Ansonsten fliegen sie Tag und Nacht. Sie essen, trinken, lieben sich und schlafen im Flug. So fangen sie Insekten zum Fressen und für ihre Jungen mit dem Schnabel im Flug aus der Luft. Sie legen dabei grössere Strecken bis weit in die Berge rund um Gstaad zurück. Zum Trinken fliegen sie mit hochgehobenen Flügeln tief über eine Wasserfläche und senken den Unterschnabel kurz ins Wasser. Das kann z.B. im Schwimmbad Saanen oder im Arnensee sein. Distanzen bis mehrere Kilometer rund um Gstaad sind bei einer Fluggeschwindigkeit von bis zu 70 km/h kein Problem. Am Abend steigen sie in grosse Höhen auf und ruhen dann kreisend und teilschlafend in der Luft, bevor sie am Morgen wieder in die Nähe der Brutstätten herunterkommen.

Das Wissen über die nächtlichen Schlafflüge haben wir Emil Weitnauer (1905–1989) aus Oltingen BL zu verdanken. Er hat das Geheimnis mit nächtlichen Beobachtungen von Ballonen und Flugzeugen aus gelüftet. Aber das ist noch lange nicht alles. Ende Juli, Anfang August verlassen die Mauersegler Gstaad, um im 7-Tage-24-Stunden-Dauerflug ins Winterquartier im südlichen Afrika zu fliegen. Dort verbringen sie den dortigen Sommer, dauerfliegend, ohne je zu landen. Dann zieht es sie wieder zurück an ihren Geburtsort, wo sie Ende April, Anfang Mai wieder eintreffen. Sie haben dann einen neun Monate langen Dauerflug hinter sich.

Mauersegler werden bis über 20 Jahre alt. Dank Vogelberingung sind zahlreiche Fälle von Mauerseglerpaaren bekannt, die über viele Jahre zusammenhalten und jedes Jahr wieder im gleichen Nest brüten. Wie bitter muss es für sie sein, wenn der Einflug zum Nest nach einer Fassaden- oder Dachrenovation nicht mehr zugänglich ist? Nistkästen für Mauersegler müssen an geeigneten Stellen montiert werden, sodass ein Anflug von unten möglich ist. Das kann z. B. an der Dachuntersicht eines mehrstöckigen Gebäudes sein. Wer Mauerseglern im eigenen Haus Gastrecht gewähren will und selber einen oder mehrere Nistkästen für Mauersegler montieren will, soll sich beraten lassen, um möglichst guten Erfolg zu haben.

ROLAND LUDER, BIOLOGE/ORNITHOLOGE


MAUERSEGLER

In der Schweiz brüten 40’000 bis 60’000 Mauerseglerpaare. Sie nisten einzeln oder in Kolonien mit bis zu mehr als 50 Paaren an einem Gebäude. Hauptverbreitungsgebiet sind die Städte und Agglomerationen. Einzelne Bruten wurden in Felsnischen auf über 2000m ü.M. nachgewiesen.

Weitere Informationen: https://www.vogelwarte.ch/de/ voegel/voegel-der-schweiz/mauersegler


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