Ein altes Streitobjekt: der Eigenmietwert

  23.07.2021 Kanton

Im eidgenössischen Parlament wird die Abschaffung des Eigenmietwerts einmal mehr rege diskutiert. Das Thema dürfte jedoch bis auf Weiteres aktuell bleiben, da bei den divergierenden Interessen nicht mit einer raschen Lösung gerechnet werden darf. Umso wichtiger ist es, dass die Steuerrekurskommission des Kantons Bern Entscheide gefällt hat, die im Saanenland auf Interesse stossen dürften.

Die gesetzliche Regelung
In Art. 21 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer und Art. 25 des bernischen Steuergesetzes wird der Grundsatz ausgesprochen, dass der Mietwert von Grundstücken, die der steuerpflichtigen Person aufgrund von Eigentum oder eines unentgeltlichen Nutzungsrechts für den Eigengebrauch zur Verfügung stehen, als Ertrag aus unbeweglichem Vermögen versteuert werden muss.

Die kantonale Steuerverwaltung weist in ihren Erläuterungen auf einen Unterschied zwischen der Gesetzgebung des Bundes und des Kantons hin:

(…) So erlaubt das bernische Steuergesetz, Eigenmietwerte unter Berücksichtigung der Forderung nach Eigentumsbildung und Selbstvorsorge massvoll festzulegen, während für den Bund die Forderung nach Besteuerung zum Marktwert gilt. Diese unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben bewirken, dass jeweils zwei verschiedene Eigenmietwerte festgesetzt werden: ein etwas höherer für die direkte Bundessteuer und ein tieferer für die Kantons- und Gemeindesteuern.

Eine Besonderheit gilt bei Zweitwohnungen. Bei Zweitwohnungen kommt seit dem 1. Januar 2011 ausschliesslich der etwas höhere Mietwert für die direkte Bundessteuer zur Anwendung. Die im Steuergesetz vorgesehene Förderung der Eigentumsbildung gilt somit nur für Liegenschaften, die als Wohnsitz dienen.

Vorlage für die Abschaffung des Eigenmietwerts
Die von der Wirtschaftskommission des Ständerats ausgearbeitete Vorlage kommt den Gegnern der Abschaffung entgegen, indem nicht nur der Eigenmietwert wegfallen soll, sondern auch die bisherigen Abzüge, die der Eigenheimbesitzer vornehmen durfte. Der Vorschlag enthält die folgenden Neuerungen: Der Eigenmietwert wird für selbstgenutztes Wohneigentum am Hauptwohnsitz abgeschafft. Die Abzüge für Schuldzinsen, Unterhaltskosten und Versicherungsprämien sowie die Abzüge für Energiespar- und Umweltschutzinvestitionen fallen weg. Eine Ausnahme soll zugunsten der meist jüngeren Ersterwerber von Wohneigentum gemacht werden: Sie sollen einen zeitlich befristeten und in der Höhe begrenzten Schuldzinsabzug vornehmen können.

Der Eigenmietwert soll somit nur für den Hauptwohnsitz wegfallen, für die Ferienwohnungen soll er bestehen bleiben. Die Diskussion über den Eigenmietwert hat an Fahrt aufgenommen, da die gegenwärtigen tiefen Hypothekarzinsen tendenziell zu einer höheren Steuerbelastung führen.

Neue Entscheide zum Eigenmietwert bei vermieteten Ferienwohnungen
Probleme verursachten vor allem jene Fälle, in denen jemand sein Wohneigentum für einen Teil des Jahres vermietet und es für den andern Teil für Ferienzwecke selber nutzt. Die bisherige Praxis lässt sich am besten anhand eines Beispiels erklären: Eine Wohnung mit einem Eigenmietwert von Fr. 120’000.– wurde während der Saison für drei Monate vermietet, wobei ein Mietzins von Fr. 30’000.– pro Monat erzielt werden konnte. Dem Eigentümer wurde ein Gesamteinkommen von Fr. 180’000.– angerechnet (Eigenmietwert für neun Monate Fr. 90’000.–, Zinseinnahmen Fr. 90’000.–). Die kantonale Steuerrekurskommission hat mit den beiden Entscheiden vom 15. Juni 2021 Klarheit geschaffen. Neu gilt: Wenn der Eigentümer seine Immobilie einer lokalen Vermietungsagentur ganzjährig zur Vermietung überlässt und sich vertraglich keine Eigennutzung vorbehält, darf kein Mietwert erfasst werden, sondern nur der effektiv erzielte Mietzins besteuert werden. Dies gilt auch dann, wenn dieser tiefer ist als der Mietwert. Wenn die Auslastung allerdings während zwei bis drei Jahren sehr gering ist, müssen die Vermietungsbemühungen intensiviert oder die verlangten Mietzinsen gesenkt werden, damit kein Mietwert aufgerechnet wird. Es gilt die Faustregel, dass die erzielten Mietzinsen ungefähr dem Mietwert entsprechen sollten.

Bei gemischter Nutzung (Selbstnutzung und Vermietung) darf der Mietwert nicht nur anteilsmässig gekürzt werden, weil dies infolge der saisonalen Schwankungen der Nachfrage, die im Saanenland sehr hoch ausfallen können, zu einer Überbesteuerung führt. In solchen Fällen sind die effektiven Mieterträge nur insoweit steuerbar, als sie den Eigenmietwert übersteigen. Bis zur Höhe des Mietwerts sind die effektiven Mietzinsen somit nicht zusätzlich steuerbar. Für das oben erwähnte Beispiel heisst das: Steuerbar ist nur der Eigenmietwert von Fr. 120’000.–, da die erzielten Mietzinsen tiefer sind.

PD/HANSUELI GAMMETER


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