Frühdeutsch startet im August

  02.07.2021 Saanen, Bildung

Bei 20 von 58 dreijährigen Kindern wurde ein Förderbedarf für Deutsch festgestellt. Positiv ist, dass elf von ihnen bereits die Kita oder eine Spielgruppe besuchen.

BLANCA BURRI
Die Umfrage bei den Eltern hat den Bedarf an Frühdeutsch für Dreijährige bestätigt, der vergangenen Herbst bei einer Bedürfnisabklärung eruiert worden ist. «Die Eltern von 58 Kindern haben einen Fragebogen beantwortet. Bei 20 Kindern wurde der Bedarf an Frühdeutsch festgestellt», sagt Béatrice Baeriswyl, Fachleiterin Soziales, auf Anfrage. Diese Kinder müssen ab August obligatorisch eine Spielgruppe, eine deutschsprachige Tagesfamilie oder eine Kindertagesstätte (Kita) besuchen.

Von ein- bis viersprachig
Besonders spannend ist die Aufschlüsselung der Mehrsprachigkeit. Manche Kinder wachsen einsprachig, andere mehrsprachig – und zwar mit bis zu vier Sprachen – auf, wie die Tabelle zeigt. Total sprechen 27 der 58 Kinder zu Hause nur Deutsch. Andere neun Kinder sprechen eine einzige andere Muttersprache. Viele der Kinder (22) leben in einem Umfeld, wo mehrere Sprachen gesprochen werden: zwei, drei oder vier Sprachen. Zudem hat die Umfrage ergeben, dass gesamthaft 53,4 Prozent der Befragten einen Migrationshintergrund haben. «Wir sind kulturell durchmischt, das finde ich spannend und positiv. Wir bereichern uns gegenseitig», hält die Fachleiterin fest.

Wie wird beurteilt?
Die Umfrage basiert auf einem Konzept der Uni Basel. Die Eltern werden gezielt nach dem Sprachentwicklungsstand ihrer Kinder befragt. Das Resultat definiert, ob es vor dem Kindergarteneintritt eine obligatorische Sprachförderung braucht. Wie erwähnt wurde der Bedarf bei 20 Kindern festgestellt. «Elf von ihnen besuchen bereits ein Sprachförderangebot», weiss Baeriswyl, «das hat uns überrascht und gefreut. Die Eltern nehmen das Thema Integration ernst.» Die Eltern der anderen neun Kinder sind aufgefordert, sich einen Platz bei einer deutschsprachigen Tagesfamilie, einer Kita oder einer Spielgruppe zu suchen und der Gemeinde eine Bestätigung vorzulegen, dass ihr Kind ab kommenden August die Einrichtung mindestens an zwei Halbtagen besucht. Die Einrichtung kontrolliert wiederum, ob das Obligatorium eingehalten wird. Einzelne Kinder werden eine Privatschule besuchen, weshalb das Obligatorium entfällt.

Angebot ist knapp
«Die grösste Herausforderung bestand darin, ein ausreichendes Angebot zu schaffen, in dem ein wirkungsvolles Sprachbad möglich ist», blickt Béatrice Baeriswyl auf die vergangenen Monate zurück. Es gebe im Saanenland seit einigen Jahren zu wenige Kitaplätze und deshalb sei die Warteliste manchmal lang. Nur wenn ein grosser Jahrgang in den Kindergarten komme, würden viele Plätze frei. Béatrice Baeriswyl: «Für berufstätige Eltern ist ein Kitaplatz wichtig und für die Kinder mit Migrationshintergrund wertvoll.» Da ist das Saanenland nicht alleine. Die Kinderbetreuung in der Schweiz liegt auf Platz 38 von 41 von der Unicef untersuchten Ländern. Das Projekt «Haus des Kindes», das die Gemeinde aus dem Projekt «Zukunft Saanen – Zäme für ünsi Gmei» weiterentwickelt, solle dem Bedürfnis nach zusätzlichen Kitaplätzen und ausgedehnteren Betreuungszeiten gerecht werden, wie Markus Iseli, Abteilungsleiter Bildung, Soziales und Sicherheit bestätigt.

Spielgruppen
Die Spielgruppen Naturzwärge und Spatzennest haben ihr Angebot ausgebaut. Zwar sei in einer Spielgruppe die Betreuungszeit kürzer als in der Kita, aber für die Kinder trotzdem ein wertvolles Sprach- und Integrationsangebot, so Baeriswyl. Da das Spatzennest von den Eltern abwechslungsweise selbst geleitet wird, habe der Spatzennestbesuch auf zwei Ebenen positive Auswirkungen, sagt sie. «Dort verbessern Kinder und Eltern ihre Sprachkenntnisse und integrieren sich gleichzeitig in die hiesige Gesellschaft.»

Weshalb werden einheimische Eltern befragt?
Laut Béatrice Baeriswyl haben die Eltern allgemein auf die Umfrage sehr positiv reagiert. Es gab aber auch Unverständnis. «Ein einheimisches Elternpaar hat nicht verstanden, weshalb man sie mit dem Fragebogen belästigt», gibt Baeriswyl einen Einblick. Man wisse doch und erkenne es am Namen, dass sie einheimisch und somit deutschsprachig seien, sei argumentiert worden. Aus verschiedenen Gründen mussten alle Eltern zumindest einen kleinen Teil des Fragebogens ausfüllen. «Ein einheimischer Name garantiert nicht, dass die Kinder Deutsch können», betont Baeriswyl. Sie denkt beispielsweise an adoptierte Kinder oder Pflegekinder. «Wir möchten niemanden ausschliessen oder vernachlässigen.» Daneben gebe es viele Personen mit ausländischen Namen, die seit Generationen im Saanenland wohnten und deren Kinder den Saaner Dialekt sprächen. Deshalb sage ein Name nicht zwingend etwas über die Sprachkompetenz der Namensträger aus.

Finanzierung
Die Finanzierung der Kita erfolgt durch subventionierte Betreuungsgutscheine und einkommensabhängige Beiträge der Eltern. In den Spielgruppen ist es anders. Bei einem Obligatorium bezahlt die Gemeinde 80 Prozent der Kosten. Einkommensschwache deutschsprachige Familien können bei der Gemeinde ebenfalls einen Unterstützungsantrag stellen.

Wie geht es weiter?
Frühdeutsch befindet sich in einer Pilotphase von drei Jahren. Die erste Sprachförderung startet im Sommer und dauert ein Jahr. In einem weiteren Schritt wird deren Wirkung im Herbst 2022 gemessen. Parallel dazu werden die Deutschkenntnisse des neue Jahrgangs im Frühjahr 2022 per Fragebogen festgestellt.


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