London im Stimmgewand

  20.07.2021 Vorschau

«Sind englische Chöre die besten?» Eine Frage, die einer anhaltenden Diskussion gleicht – und nicht von ungefähr kommt: Die britischen Inseln haben eine über Jahrhunderte entstandene Chortradition vorzuweisen. Bereits im 15. Jahrhundert beginnt eine Entwicklung, die bis heute einen besonders ausgewogenen, als englischen Chorsound bekannt gewordenen Klang hervorgebracht hat – einen Klang, der sich besonders durch seine puristische Klarheit auszeichnet. Eine Reise durch die englische Chormusik treten Ensembles aus England in den kommenden Wochen am Gstaad Menuhin Festival & Academy an, so wird das Festival seinem diesjährigen Motto «London» mit der vielseitigen Tradition englischer Stimmen vollkommen gerecht.

Bereits heute Dienstag hat ein Vokalensemble der Superlative einen Auftritt am Festival. In der Kirche Saanen pflegen die «King’s Singers» auf ihre ganz eigene Art die stark verwurzelte Tradition der Chormusik: mit einem Programm, das zwar «very british» ist, sich aber an keinem zwangsläufig klassischen Repertoire orientiert. Das Vokalensemble nimmt sich (zu Recht) alle Freiheiten, Musik aus dem 15. Jahrhundert, Stücken von Sir Richard Rodney Bennett (der für seine Jazz-Idiome oder «Crossover»-Elemente bekannt ist) oder beliebten Close-Harmony-Klassikern gegenüberzustellen. Übrigens gibt es eine weitere Besonderheit bei den «King’s Singers»: Das Vokalsextett hat eine tiefe Stimme mehr als üblich: einen Bass und zwei Baritone, dafür aber nur einen Tenor. Das verspricht ein aufregendes Konzert zu werden!

Ein Spektakel sind auch die Auftritte des Ensembles «Le Concert Spirituel» mit ihrem Leiter Hervé Niquet: stets mitreissend, pompös und mit dem richtigen, differenzierten Blick auf die Details der Werke, die sich am 24. Juli im Festivalzelt rund um Händel drehen – wie sollte es anders sein beim Motto «London»? Händel gilt als englischster aller deutschen Komponisten. Auf der grossen Insel brachte er es bereits zu Lebzeiten zu riesigem Erfolg mit seinen volltönenden «Coronation Anthems» oder dem «Dettinger Te Deum», die im Festivalzelt prächtig entfaltet werden.

Am 12. August nimmt ein weiteres Londoner Vokalensemble das Publikum mit auf eine Erlebnisreise durch die englische Chormusik, die aufgrund ihrer langen Tradition durchaus als erdrückende Würde wahrgenommen werden könnte. Doch das Ensemble «Tenebrae» und Nigel Short nutzen ihren Heimvorteil und befassen sich in der Kirche Saanen mit geistlichen Werken des 20. Jahrhunderts: darunter unentbehrliche Komponisten der Zeit wie Ralph Vaughan Williams, Gustav Holst oder Hubert Parry. Ein grosses Panorama auf die kirchengeschichtliche Perspektive der Chormusik aus der neueren Zeit.

PD

 


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