Polternde russische Nacht

  24.08.2021 Kultur

Altmeister Valery Gergiev und das Orchester des Mariinsky-Theaters St. Petersburg glänzten mit Schtschedrin und Prokofjew. Nicht ganz unschuldig am perfekten Konzertabend vom vergangenen Freitag war der junge Pianist Alexandre Kantorow.

BLANCA BURRI
Nur die grossen Orchester bringen eine bedingungslose Präzision und Präsenz von der ersten bis zur letzten Note auf die Bühne – das Mariinsky-Orchester ist ein grosses Orchester. Mit einem Paukenschlag und Ballettmusik von Rodion Schtschedrin eröffnete es den russischen Abend. Das Oboensolo bleibt filigran und warm in Erinnerung. Ohne Dirigentenstab, aber mit viel Zurückhaltung und Fingerspitzengefühl leitete Valery Gergiev das Orchester aus St. Petersburg, das wie ein einziger Klangkörper auf die kleinste Bewegung reagierte.

Kantorow ist Prokofjew
Am Konzert, das im Rahmen des Gstaad Menuhin Festivals stattfand, wurden zwei Seiten von Prokofjew gezeigt. Eine liebevolle, fast romantische in der Ballettmusik «Romeo und Julia» und eine eckige, komplexe und an die Grenzen des Zumutbaren im Klavierkonzert Nr. 2g-Moll op. 17. Es ist der Schreibenden ein Rätsel, wie Alexandre Kantorow mit dem Stück fertig wurde, sogar eine erstaunliche Leichtigkeit ins düstere Programm brachte. Die Melodie brachte er unmissverständlich auf den Punkt. Sie fiel den gewagten Harmonien, Dissonanzen und den ungewöhnlichen Akkordkombinationen oder der für Prokofjew typisch bohrende Rhythmik nie zum Opfer. Der Anschlag des 24-Jährigen war bei jeder Note durchorchestriert, er betonte das Wichtige und liess die zugrunde liegenden Klänge wie nebenbei mitschwingen. Kein Wunder, ist der Sohn des Dirigenten Jean-Jacques Kantorow Gewinner des renommierten Tschaikowsky-Wettbewerbs in Moskau.

Nach dem aufwühlenden Klavierkonzert beruhigten sich die Gemüter in Auszügen von «Romeo und Julia» und bei Tybalts Tod (Nr. 1/7) bekamen sie Prokofjews motorische Linie noch einmal bis ins tiefste Mark geliefert. Den Standing Ovations geschuldet machten der grossartige Valery Gergiev und das Symphonieorchester einen Ausflug zu Johann Strauss’ Ouvertüre zur Operette «Die Fledermaus».

Gelernt mit Pandemie umzugehen
Auch Festivalintendant Christoph Müller war mit dem Abend äusserst zufrieden. Aus künstlerischer Sicht wie auch aus Sicht der Besucherzahl. «Zwar war heute nicht ganz ausgebucht, aber wir sind sehr zufrieden.» Überhaupt sei er über die Besucherzahl am Festival glücklich. «Wir merken, dass die Schweiz einen weniger rigiden Lockdown hatte als unsere Nachbarländer», sagte er. Die Schweizer hätten gelernt, wieder am öffentlichen Leben teilzunehmen. In Deutschland beispielsweise sei die Zurückhaltung noch sehr gross und deshalb seien die klassischen Konzerte oft schlecht besucht.


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