«Mundartgschichtli» treffen Trachten

  07.09.2021 Region

So verschieden die Trachten in unserer Region, so verschieden sind auch die Dialekte. Margrit Brand aus Saanen demonstrierte anhand der Sage «D’r Friesewäg» die Eigenheiten des Turbacher Dialekts.

KEREM S. MAURER
Das Talmuseum Agensteinhaus in Erlenbach im Simmental widmete seine diesjährige Jahresausstellung den Trachten unserer – für einmal etwas weiter gefassten – Region. Ausgestellt werden Werktags-, Feiertags- und Sonntagstrachten aus dem Saanenland, dem Ober- und Niedersimmental, dem Frutigland und aus Spiez. Ein Höhepunkt dieser Ausstellung bildete der vergangene Freitagabend, an dem je eine Person aus jeder dieser fünf Gebiete eine Geschichte in ihrem Dialekt erzählte.

Kleine, aber feine Unterschiede
Ihre Dialekte zum Besten gaben Margrit Brand aus dem Saanenland, Hans-Ueli Hählen aus dem Obersimmental, Hilde Teuscher aus dem Niedersimmental, Hansruedi Indermühle aus Spiez sowie Ueli Schmid aus dem Frutigland. Einleitend fragte die Moderatorin Maya Lörtscher alle fünf, wie sie das alltägliche Wort «Brot» aussprechen. Wie sich herausstellte, kling Brot überall gleich, ausser in der Lenk. Dort wird hinter dem O noch ein kurzes A angehängt, was sich dann wie «Broat» anhört. So klein die Unterschiede manchmal sind, machen sie doch viel aus und lassen nicht selten auf die Herkunft eines Menschen schliessen. Auch die ausgestellten Trachten seien sich grösstenteils sehr ähnlich und unterschieden sich oft nur in kleinen Details, so Lörtscher, die immer wieder einen engen Bezug zwischen Trachten und Dialekten herstellte.

«Züntihansebeereni»
Rund zwanzig Interessierte fanden sich im Agensteinhaus ein. Unter Berücksichtigung der aktuellen Corona-Massnahmen darf man dabei von einem ausverkauften Anlass sprechen, was insbesondere jene freute, die ihre Dialekte in einer Geschichte, Sage oder in einer selbst erlebten Begebenheit vortrugen. Nach den fünf Darbietungen war klar: Manch zugezogenes Ohrenpaar stutzte bei den einen oder anderen urchigen Ausdrücken und konnte den Sinn dahinter im Kontext bestenfalls nur erraten.

Hans-Ueli Hählen aus der Lenk erzählte eine selbst erlebte Geschichte und sprach in Zusammenhang mit dem Dessert nach einem feinen Essen von «Züntihansebeereni». Ein Obersimmentaler Ausdruck, den nicht einmal anwesende Niedersimmentaler verstanden haben. Dabei handelt es sich übrigens um Johannisbeeren. So hörten sich einige Ausdrücke derart lustig und ungewohnt an, dass bei einigen unweigerlich Erinnerungen an Franz Hohlers «Totemügerli» geweckt wurden.

Gegen das Vergessen
In der anschliessenden Diskussion stellte sich heraus, dass sich die fünf Darbietenden in irgendeiner Weise für den Erhalt der Dialekte einsetzen. Hansruedi Indermühle aus Spiez zum Beispiel sammelte in seinem Buch «Redewedige im Nieseschatte» Redewendungen aus seiner Region. Viele davon gehen auf eine stark landwirtschaftlich geprägte Gesellschaft vor der Industriellen Revolution zurück, erklärt er im Vorwort. Solche Redewendungen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert oder geraten in Vergessenheit, weil die in ihnen genannten Werkzeuge heutzutage nicht mehr benutzt werden.

Die Bewahrerinnen und Bewahrer der Mundart kämpfen gegen das Vergessen von Sprache, Ausdrücken und Redewendungen. Dennoch sind sie sich bewusst, dass Sprache lebt, sich entwickelt und auch wandelt. Doch in einem Punkt sind sie sich einig: Es gibt in der deutschen Sprache und nicht zuletzt auch in der Mundart viele passende Ausdrücke und man müsste nicht alles, was neu ist, mit englischen Ausdrücken benennen. «Die Italiener und Franzosen machen das ja schliesslich auch nicht», sagen sie unisono.


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