Dominoeffekt für verantwortungsvolles Handeln von Gstaad in die Welt

  14.09.2021 Gstaad

Am diesjährigen Impact-Investing-Anlass der Grossbank Credit Suisse rüttelte Mike Horn auf, Banker sprachen über Liebe und Passion und es wurde darüber gestritten, ob Elektrobatterien oder Wasserstoffantrieb das Rennen machen.

BLANCA BURRI
Bilder und Medienberichte von Gletscherschmelzen, ansteigenden Meeresspiegeln, extremen Unwettern und Klimaflüchtlingen gehen täglich um die Welt. Da muss man aufpassen, dass man als Newskonsumentin nicht abstumpft. Wenn man Menschen begegnet, die die Auswirkungen der Klimaerwärmung am eigenen Leib erlebt haben und darüber berichten, ist die Wirkung anders, die Erzählungen gehen unter die Haut und veranlassen zum Handeln. So am Anlass Impact Investing im The Alpina in Gstaad, wo Berufsentdecker Mike Horn von einem Nordpol ohne Eisbären erzählte.

Einer, der die Welt gesehen hat
Der gebürtige Südafrikaner Mike Horn lebt in Château-d’Oex, wenn er denn einmal zu Hause ist. Der Extremsportler hat sich 1991 Entdeckungsreisen verschrieben. In den vergangenen dreissig Jahren überquerte er den Atlantik mehrfach im Segelboot und brach dabei Weltrekorde. Er machte Expeditionen in die Anden, den Himalaja, zum Nord- und Südpol und fuhr das Rennen Paris–Dakar. Dabei nutzte er jedes nur erdenkliche Fortbewegungsmittel: zu Fuss, auf dem Bike, auf Ski, mit dem Boot, Gleitschirm oder einfach mal in einem 4×4. Auf einigen Expeditionen begleitete ihn der Lauener Kobi Reichen.

Gemeinsam mit dem norwegischen Forscher Børge Ousland unternahm Mike Horn 2006 erstmals eine 60-tägige Reise auf Ski ohne Hunde oder motorisierte Fortbewegungsmittel während der arktischen Nacht. Von Februar bis März schleppten sie Pulkas von Kap Artitscheski in Russland zum Nordpol. Zwei Monate lang wanderten die beiden in völliger Dunkelheit und manchmal auf hauchdünnem Eis. Damals begegneten sie oft Eisbären. «Einmal sass ein Eisbär sogar auf mein Zelt, während er meine Essensvorräte nebenan durchsuchte», scherzte Horn am vergangenen Freitag im The Alpina. Als er 2020 an denselben Ort zurückkehrte, war er erschrocken. Wo vor 14 Jahren 2,5 Meter dickes Packeis auf dem Wasser schwamm, war die Decke gerade mal acht Zentimeter dick. Eisbären traf er keine mehr an. Weil diese von der dünnen Schicht nicht getragen werden, fehlt ihnen die Grundlage für eine erfolgreiche Jagd. Die Eisbären nähern sich immer öfter dem Festland und bedrohen auf der Jagd nach Nahrung die Zivilisation. «Diese Gefahr ist menschengemacht», klagt Horn an.

Bald die Fenster nicht mehr öffnen
Mike Horn verglich Nord- und Südpol mit Fenstern und Türen, die man zum Lüften öffnet, wenn es in einem Raum stickig wird. Durch die immense Eisschicht kühlen die Pole die Erde und sorgen für eine kalte Brise. Obwohl es an den Polen noch immer minus 40 Grad und weniger wird, bildet sich kein Packeis mehr. Der erwärmte Ozean wirkt wie ein Ofen. «Sobald das Eis fehlt, wird sich die Erde im Verhältnis noch schneller aufwärmen als bisher», warnte Mike Horn.

Umweltfreundliche Hochleistungsmotoren erfinden
Um etwas gegen die fortschreitende Klimaveränderung zu unternehmen, beteiligt sich Horn oft an Forschungsexpeditionen, die als Grundlage für neue Technologien dienen. Als er die Rallye Paris–Dakar mit einem Fahrzeug bestritt, das pro Kilometer einen Liter Diesel verbrennt, erntete er satte Kritik. Was viele nicht wussten: Er stattete den Peugeot DKR mit diversen Messgeräten aus, mit denen er Motorleistung, Bremsdruck, Motortemperaturen, Beschleunigung und Geschwindigkeit mass. «Auf der Grundlage dieser Leistungsstandards soll bis 2023 ein wasserstoffbetriebenes Fahrzeug entwickelt werden, das bei den anspruchsvollsten Rallyes mit Verbrennungsmotoren konkurrieren kann», sagte er und teilte Silent Yachts, einem Unternehmen von Michael Köhler, das Jachten entwickelt, die mit Solarstrom und Batterien autonom funktionieren, einen charmanten Seitenhieb aus. «Ob Wasserstoff oder Batterien das Rennen machen, wird sich schon bald zeigen», konterte Michael Köhler aus dem Stand. Die Entwicklung der Batterien sei weit fortgeschritten. Es werde an neuen Technologien geforscht, die ohne seltene Erden auskämen. Egal ob mit Wasserstoff oder Elektrizität, ob im Kleinen oder Grossen, die Anwesenden waren sich einig, dass alle Bemühungen für eine nachhaltige Welt zählen.

Wenn Banker über Passion reden
Neben Mike Horn und Michael Köhler sprachen weitere Referenten aus der Finanzbranche ebenso wie Unternehmer, die alle die Zukunft beschützen wollen, indem sie eine nachhaltige Entwicklung anstreben. Mit Eloquenz, Wissen und Charme führte Marisa Drew, Chief Sustanability Officer bei der Credit Suisse, durch die Veranstaltung.

In der abschliessenden Diskussionsrunde rüttelte Mike Horn noch einmal auf: «Alle sprechen von monetären Investitionen. Ich spreche von der Investition in Liebe, in Passion, in unsere Familien, in die Natur. Statt dass wir uns aufeinander zubewegen, beobachte ich das Gegenteil.» Diesen Gedanken von Passion und Liebe nahmen die Folgeredner auf, ob als geschickte Rhetorik oder echtes Statement sei dahingestellt. Überzeugender war Nachson Mimrans Aufruf, die Welt mit dem Verhalten jedes Einzelnen zu verändern. Also auch damit, was wir anziehen und was wir essen. Er nannte als Beispiel nachhaltig produzierte Kleidung oder Lebensmittel aus der Region.

Dominosteine als neues Logo
Bei der Stabsübergabe von der Credit Suisse an Impact Gstaad (siehe Folgeartikel) wurden Dominosteine aus einheimischem Holz, die in Lauenen hergestellt worden sind, verteilt. Eine sympathische Idee zum Slogan «Vom kleinen Gstaad in die grosse Welt».

 


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