Postzustellstelle ab nächstem Jahr in der Dorfrütti

  17.09.2021 Saanenland

Die Postzustellstelle wird in einer neuen Gewerbehalle in der Dorfrütti in der Nähe der Hotel- und Zentralwäscherei erstellt. Diese ersetzt die Zustellstellen in Gstaad, Saanen und Schönried.

BLANCA BURRI
Die Moratti Mettlen AG mietet in der Dorfrütti seit sechs Jahren einen Lagerplatz von der Gemeinde Saanen im Baurecht. Geschäftsleiter Simon und Reto Moratti verfolgten die Idee, darauf eine Einstellhalle für Automobilsammler zu erstellen. Einmal gebaut, wäre die Halle langjährig vermietet worden. Ähnliche Modelle gibt es in Gstaad, Grund und Feutersoey. Dann kam Simon Moratti über die Baukommission der Gemeinde zu Ohren, dass die Post dringend ein Gebäude für eine zentrale Zustellstelle sucht. Infolge Standortmangel wollte die Post die Zustellstelle nach Zweisimmen verlegen. «Gemeinderat Walter Heer hat die Bauko-Mitglieder dringend aufgefordert, Lösungen zu finden», erinnert er sich. Er entwickelte die ursprüngliche Idee der Automobilhalle weiter und nahm mit der Post Kontakt auf.

Nach jahrelangen Suche plötzlich eine Auswahl
Ein anderer für den gelben Riesen möglicher Standort auf der Farb war wegen Einsprachen seit vier Jahren blockiert. Deshalb kam das Angebot von Moratti zur rechten Zeit. Die Post entschied sich, beide Projekte weiterzuverfolgen und hielt sich alle Optionen offen. Also begann Moratti Mettlen AG mit der Planung nach den Vorgaben des Bauprogramms der Post. Das war mit gewissen Risiken verbunden, weil noch kein Mietvertrag unterschrieben war. Das Planungs- und Bewilligungsverfahren lief ohne Stolpersteine. Die Bewilligung traf recht schnell ein. «Es gab keine Einsprachen und dafür bin ich den Nachbarn dankbar», sagt Simon Moratti.

Zur selben Zeit wurde bekannt, dass das Bundesgericht die Einsprachen des zweite Standorts auf der Farb abgewiesen hatte und das Gesuch über eine rechtsgültige Baubewilligung verfügte. Somit hatte die Post nach jahrelanger Suche plötzlich zwei mögliche Standorte.

Entscheid für Dorfrütti
Die Post sah im Standort in der Dorfrütti viele Vorteile und entschied sich innerhalb kurzer Zeit dafür. «Die neue Zustellstelle in der Dorfrütti ist verkehrstechnisch ideal erschlossen. Die Platzverhältnisse sind grosszügig und erlauben es der Post, auf künftige Entwicklungen reagieren zu können, namentlich auf eine weitere Zunahme von Paketsendungen», schreibt die Medienstelle auf Anfrage. Die Mitarbeitenden erhalten zeitgemässe Betriebsräume und weil die Produktionsflächen im Erdgeschoss liegen, vereinfacht es die Zufuhr und die Verarbeitung der Postsendungen. Als weiteren Vorteil für die Zentralisierung nennt die Post die Entlastung der Dorfkerne in Gstaad und Saanen. Dass die Post den Standort auf der Farb fallen liess, ist angesichts der hartnäckigen Verzögerungstaktik der einsprechenden Anwohner nachvollziehbar. Damit zeigte die Nachbarschaft, dass sie keine Zustellstelle in der Nachbarschaft wünscht, zu dessen Betrieb auch Verkehr gehört. Hätte sich die Post trotz allem dafür entschieden, wäre die Basis für die nachbarschaftlichen Beziehungen schlecht gewesen.

Einstöckiger Bau in der Dorfrütti
Mit dem Bau der neuen Zustellstelle in der Dorfrütti wurde bereits begonnen. Geplant ist ein eingeschossiger Bau, auf dessen Flachdach Moratti Mettlen AG weiterhin Baumaterial lagert. Eine Strasse führt um das Gebäude herum und von dort eine Rampe auf den Lagerplatz.

Die Gewerbehalle wird zu grossen Teilen unterirdisch ins ansteigende Gelände gebaut. Sie besteht aus den Räumlichkeiten für die Zustellstelle und zwei zusätzlichen Räumen, deren Verwendung noch nicht definiert ist. Die Front der Gewerbehalle ist sichtbar, die Rückseite jedoch ist bis oben erdberührt.

Neue Abläufe und neue Touren
Heute starten die Pöstler ihre Zustelltouren ab den Zustellstellen in Gstaad, Saanen und Schönried. Die neue Zustellstelle ersetzt diese Standorte. «Künftig werden die Pöstler die Sendungen in der Dorfrütti für die Zustellung vorbereiten und dann im Saanenland verteilen», gibt die Medienstelle Einblick in die Arbeitsabläufe. Die Zentralisierung ermögliche ortsübergreifende Touren, was bedeutet, dass die Briefträger auch in Zustellgebieten ausserhalb ihrer heutigen Einsatzorte tätig sein werden. «Durch die neuen Anfahrtswege können sich die gewohnten Zustellzeiten für die Kundinnen und Kunden ändern», informiert die Post. «In den Dorfzentren werden wir trotz der geänderten Routen weiterhin mit den elektrischen Dreiradfahrzeugen die Sendungen zu den Kunden bringen.»

Kein Stellenabbau
Durch den Umzug ergeben sich für die Mitarbeitenden zwar ein neuer Arbeitsort und neue Arbeitswege, die Zentralisierung bedeute aber kein Stellenabbau, bekräftigt die Post. «Alle Mitarbeitenden in der Zustellung im Saanenland werden weiterhin beschäftigt», verspricht der gelbe Riese, «wir gehen davon aus, dass wir dank den weiterhin steigenden Mengen in der Paketzustellung zusätzliche Mitarbeiter einstellen können.»

Ob die Post durch die Zentralisierung Einsparungen macht, kommuniziert sie nicht, sie lege den Fokus auf die Dienstleistungen im Saanenland, die sie in guter Qualität und zuverlässig anbieten will.

Liegenschaften in Saanen und Schönried werden verkauft
Was passiert mit den anderen Zustellstellen? Das Lokal in Saanen wurde bereits an die Saanen Bank verkauft und die Liegenschaft in Schönried wird voraussichtlich zum Verkauf ausgeschrieben, sagt die Post. Dann bleibt noch Gstaad. «Die Post bleibt mit einer selbst betriebenen Filiale in Gstaad», versichert die Post. Wo genau diese Filiale zu stehen kommt, über die künftigen Nutzung des bisherigen Lokals und über die weitere Strategie könne sie heute jedoch keine Aussagen machen.

Enttäuschung auf der Farb
«Mit der Post zu verhandeln, ist nicht einfach. Man weiss nie recht, woran man ist, weil bis am Schluss keine konkreten Entscheide gefällt werden», sagt Andreas Mösching, Besitzer des Gebäudes auf der Farb. Der Standort befindet sich in einer Mischzone von Gewerbe und Wohnen. Vier Nachbarn erhoben gegen das Umbauprojekt Einsprache und zogen sie bis vor Bundesgericht. Sie befürchteten Lärmbelastungen.

Andreas Mösching hielt die Gewerberäume fünf Jahre für die Post frei. Die Absage schmerzt ihn: «Für mich wäre die Vermietung der 650 Quadratmeter grossen Halle eine langfristige Lösung gewesen, es hätte mir einen sorgenfreien Lebensabend beschert.» Pro Jahr hatte er mit Bruttomieteinnahmen von 100’000 Franken gerechnet. Nicht nur hat er in den vergangenen fünf Jahren eine halbe Million Franken verloren, er steht auch wieder am Anfang. «Jetzt fange ich halt wieder bei null an», resümiert er. Bei Gewerbeliegenschaften sei die Vermietung nicht so einfach und alles gehe ein wenig länger, weil jeder Gewerbebetrieb unterschiedliche Bedürfnisse habe. Betriebsabläufe, Standort, aber auch die langfristige Strategie einer Firma seien relevant. «Ein neuer Firmenstandort muss immer gut überlegt werden, denn der Umzug ist sehr aufwendig», erklärt er.

 


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