Musik ist alles – alles ist Musik

  26.10.2021 Kultur

Musik mit allen Sinnen wahrnehmen, Seele und Herz mitschwingen lassen – allgegenwärtig und überall: Das war in den vergangenen eineinhalb Wochen im Pays-dEnhaut möglich.

LOTTE BRENNER
Während des Festivals «Le Bois qui Chante» erinnern rund um Châteaud’Oex Schaufenster, Verkehrskreisel, Plakate, ja sogar Produkte wie Schokolade an das etwas andere Klassik-Musikfestival, das sich seit 21 Jahren traditionell durchgesetzt hat. Die künstlerische Leiterin Beatrice Villiger sprüht nur so vor Ideen, was alles zu Musik gemacht und zum Klingen gebracht werden kann. Austragsorte wie das Kino, Restaurants oder das Ballonmuseum lassen die Musik in den Alltag einfliessen. Die Konzertbesucher erleben Musik überall und in allem. Musik erzählt Geschichten und weckt Gefühle.

Warum das Holz singt
Der Festivalname «Le Bois qui Chante» (das Holz, das singt) stammt vom Instrumentalbau. In den Wäldern des Paysd’Enhaut wird Holz geschlagen, das für den Bau verschiedener Holz-Musikinstrumente verwendet wird. Deshalb gehört zum Kernprogramm des jährlich wiederkehrenden Festivals eine Waldbegehung mit einem Geigenbauer, der die Entstehungsgeschichte vom Baum bis zum Instrument erklärt. In diesem Jahr führte die Waldbegehung unter anderem zu einem Posten in der Xylothek, wo das Klangholz zum Altern aufbewahrt wird.

Regional übergreifend
Beatrice Villiger ist es bei der Programmgestaltung von «Le Bois qui Chante» wichtig, dass beide Regionen – das Saanenland und das Pays-d’Enhaut – vertreten sind. So wurde das «Duo Synergie» – bestehend aus dem Saaner Samuel Gyger (Tuba) und seinem Kollegen der Musikhochschule Bern, Tobias Reifer (Eufonium) –, das am Freitag in verschiedenen Restaurationsbetrieben auftrat, gegründet. Die beiden Musiker erfreuten die Gäste mit musikalischen Leckerbissen quer durch verschiedene Epochen und Stile. Und weil sich auf einer Terrasse draussen noch Fonduegäste befanden, wurde gar kurzerhand eine Zugabe im Freien hinzugefügt.

Fest zum Programm gehört jeweils ein locker-heiteres Livekonzert, das am 16. Oktober im RTS1-Programm ausgestrahlt wurde. Wiederum machte das «Duo Synergie» mit. Dazu traten William Zahler, Saaner Solo Champion 2021, das Quintett mit dem frechen Namen «Le Bâteau Ivre» (das betrunkene Boot) sowie Beatrice Villiger als Sängerin zusammen mit dem Akkordeonisten Gyorgi Spasov auf. Mit Humor führte Villiger als Festivalleiterin die Zuhörer durch «Le Bois qui Chante».

Musik und Geschichten
Musikalisch Geschichten erzählen oder Geschichten musikalisch umrahmen, illustrieren … immer wieder gehen die Musik und die Literatur Hand in Hand einher. Da gab es in der Kirche Rossinière beispielsweise einen Märchenabend, an dem die drei Erzählerinnen Eggimann, Henchoz und Marmillod mit dem sizilianischen Cellisten Gabriele Maria Ferrante das Publikum mit fantastischen Geschichten entzückten. Ein anderer Abend widmete sich einem Stoff von Ramuz. Das war ein fast reiner Theaterauftritt mit wenig Gesang, der a capella zweistimmig in das Geschehen einfloss.

Eine nachhaltig eindrückliche Geschichte erfuhren die Kinobesucher mit dem Musikfilm «Le Concert». Dieser beschreibt die wahre Geschichte eines Dirigenten am Bolschoi-Theater, der sich weigerte, Musiker zu entlassen, und deshalb vom Dirigenten zum Putzmann des Theaters hinabgestuft wurde. Als er nach 20 Jahren eine Faxnachricht aus Paris in die Finger bekam, eine Einladung für das Bolschoi-Orchester, trommelte er kurzerhand seine früheren Musiker zusammen und reiste mit seinem ehemaligen Orchester nach Paris.

Musikförderung
Ein wichtiges Anliegen ist der Festivalleitung die Nachwuchsförderung sowie ganz allgemein die Förderung von Musik in ihrer ganzen Vielfalt. Es geht darum, die Neugier zu wecken – Neugier auf Klangmöglichkeiten, verschiedene Musikstile, mit Musik zusammen Erlebnisse in der Natur und an verschiedenen kulturellen Orten zu vertiefen. Und diese Neugier soll schon bei Kindern geweckt werden, zum Beispiel in Form eines Kinder- und Jugendkonzerts, das mit Musiktheater die Jungen in ihrer Fantasie abholt. Ein weiteres Ziel ist, etwas anzubieten, das die Musik auch Menschen zugänglich macht, die sonst nicht unbedingt als Klassik-Konzertgänger gelten.

Mit einem Orchesteratelier finden sich traditionell jeweils an die fünfzig meist nicht professionelle Instrumentalistinnen und Instrumentalisten zusammen. Auch dieses Jahr wurde unter der Leitung von Luc Baghdassarian in einem intensiven Arbeitswochenende ein tolles Konzert erarbeitet.

Beatrice Villiger ist es wichtig, jungen Talenten immer wieder ein Podium zur Verfügung zu stellen. Nebst kleineren Darbietungen allüberall in und um Château-d’Oex fand ein Konzert mit einem jungen Kammerorchester im Temple statt.

Ein strahlender Abschluss
Mit einem Elitenachwuchs in der klassischen Musik, einigen Solisten der Internationalen Menuhin Music Academy IMMA, wurde das Festival «Le Bois qui Chante» am Sonntag im Temple mit einem einzigartig tollen Konzert auf höchstem Niveau mit Freude und grosser Begeisterung beendet. Und eine total müde, aber glückliche Beatrice Villiger freut sich doch tatsächlich schon wieder auf das nächste Mal.


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