Quo vadis, Schule Saanen?

  26.10.2021 Gemeinde, Politik, Saanen, Schule

Schul- und Klassenschliessungen oder das Scheitern des Erweiterungsbaus Rütti im letzten Jahr – es geht turbulent zu in der Schullandschaft von Saanen. Der Gemeinderat möchte sich keine Strategielosigkeit nachsagen lassen und lud die Bevölkerung zu einer Präsentation möglicher Zukunftsszenarien mit anschliessendem Voting ein.

SONJA WOLF
Wer erinnert sich nicht an den Aufschrei nach der Schliessung der Oberstufe Turbach? Oder den Investitionskredit von 30,8 Millionen Franken für die Erweiterung der Schulanlage Rütti Gstaad, der Ende November 2020 an der Urne klar abgelehnt wurde? Vereinzelt wurde Kritik an der Gemeinde Saanen laut, sie hätte keine stringente Strategie. Dass dem nicht so sei, ist die Gemeinde seither bemüht zu zeigen: Bereits zu Jahresbeginn gründete der Gemeinderat die nichtständige Kommission Schulstrategie Saanen. Diese setzt sich aus zwei Vertretern aus der Bildungskommission, zwei weiteren aus der Liegenschaftskommission, zwei Mitgliedern aus der Finanzkommission und dem Gemeindepräsidenten Toni von Grünigen zusammen. Als externe Unterstützung und Fachperson wurde Herbert Binggeli von der Res Publica Consulting AG beauftragt, Szenarien zu entwickeln, wohin sich die Schule Saanen weiterentwickeln könnte. Binggeli, ausgebildeter Lehrer, ehemaliger Rektor der Berner Fachhochschule sowie nicht zuletzt Vater dreier Kinder, stellte die Szenarien in der vergangenen Woche der interessierten Öffentlichkeit vor.

Mitdenken und Mitwirken erwünscht
Die Veranstaltung war extra auf drei Sitzungen an zwei verschiedenen Wochentagen aufgeteilt worden, damit die Besucherzahl jeweils 50 Personen nicht überstieg. So erübrigte sich die Zertifikatspflicht und hatten alle Interessierten die Möglichkeit, der Präsentation beizuwohnen sowie an der anschliessenden Mitwirkung zur Schulstrategie teilzunehmen. Es kamen an die drei Teilveranstaltungen zwar nur gesamthaft gut 50 Personen, deren Interesse an der Thematik war allerdings gross, wie sich in den jeweiligen Fragerunden zeigte.

Warum bleibt die augenblickliche Schulsituation nicht, wie sie ist?
Die Ausgangslage in der Schulgemeinde Saanen ist komplex: Es gibt sieben dezentrale Schulhäuser in sieben Bäuerten (siehe Visualisierung rechts). Diese entsprechen der derzeitigen Strategie und sind in den Bäuerten relativ gut akzeptiert.

Allerdings haben einige der Gebäude einen hohen Sanierungsbedarf und auch die Räume müssten modernisiert werden, da sie teilweise nicht den modernen pädagogischen Ansprüchen entsprechen. Sieben Mal sanieren, modernisieren und weiterhin betreiben – das kostet.

Hinzu kommt, dass gerade in der Peripherie eine so geringe Anzahl von Schülern die Schule besuchen, dass verschiedene Jahrgänge zusammengefasst werden. Doch trotz Mehrjahrgangsklassen kam es in der Region in der Vergangenheit zu kantonal verordneten Klassenschliessungen, wenn die Klassenstärke eine bestimmte Zahl unterschritt. Aber sollte eine Schule nicht robust gegenüber Schwankungen in der Klassenstärke sein?

Anforderungen an eine moderne Schule
«Ja, das sollte sie», referierte Berater Herbert Binggeli in seiner Präsentation. Robustheit sei sicher ein entscheidendes Kriterium. Wichtig wäre nach seinen Ausführungen auch, dass die neue Schule auf Langfristigkeit ausgelegt werde, das heisst, die künftig realisierte Lösung solle mindestens 20 Jahre halten.

«Aber im Zentrum steht sicher das Kindswohl: Alle Kinder sollten die gleichen Voraussetzungen und Chancen haben», betonte Binggeli. Nicht zu unterschätzen sei auf der anderen Seite die Attraktivität für die Eltern. Wenn eine Gemeinde dank einer guten Schule bewirke, dass Familien am Wohnort bleiben oder sogar zuziehen, sei schon viel richtig gemacht worden.

Vier Szenarien für die Saaner Volksschule
Wie könnte die Saaner Schullandschaft im Einklang mit den geforderten Kriterien konkret aussehen? Herbert Binggeli stellte dem Publikum vier Modelle vor. Zu diesen durften die interessierten Anwesenden im Anschluss Fragen stellen und per Abstimmung ihren Favoriten küren. Herbert Binggeli wird die Vorlieben der Bevölkerung auswerten und der nichtständigen Kommission vorlegen. Diese wird die Inputs aus der Bevölkerung sowie die Resultate aus einer separaten Sitzung mit den Lehrpersonen als Grundlage für ihre weiteren Entscheidungen nehmen. «Die Szenarien sind nur Vorschläge. Selbstverständlich können auch Mischformen angestrebt werden, wenn sich ein gemischtes Wunschbild bei der Bevölkerung und den Lehrpersonen ergibt», relativiert Gemeindepräsident Toni von Grünigen.

Was die Bevölkerung bewegt …
Beim Publikum kamen die vier Modellvorschläge sehr unterschiedlich an. Für fast jeden Vorschlag gab es Befürworter und Skeptiker.

Bewohner der peripheren Regionen wollen die Kinder eher zu Hause behalten, in zentraleren Wohngegenden bevorzugt man eine Mittagsbetreuung.

Die Mehrjahrgangsklassen werden teilweise als «Lebensschule» und förderlich für die Sozialkompetenz angesehen. Auch wird es als Vorteil empfunden, dass oft ein und derselbe Lehrer den Schülern in allen Jahrgangsstufen erhalten bleibt. Andere wiederum ziehen es vor, wenn die Schüler altersspezifisch und von wechselnden Lehrpersonen unterrichtet werden.

Bei den Modellen 2 und 3, bei denen von der Schliessung einzelner Schulhäuser die Rede ist, fürchten Bewohner von peripheren Regionen, dass es ihre Schule eher treffe als die in den Zentren. Eine Bäuert ohne Schule könnte wiederum an Attraktivität verlieren und zu Abwanderung führen. Andere sehen bereits ein «Gstürm» vor ihrem geistigen Auge, welche Kinder dann in welche anderen Schulhäuser abwandern müssten … Und die Verlegung der Kinder in andere Gemeinden koste auch Geld.

Einig waren sich die Teilnehmenden darin, dass die Schule Lebensraum für Kinder ist, in dem sie viele Stunden verbringen und der ihnen daher gerecht werden muss. So müssten pädagogische Inhalte höher gewichtet werden als Kosten.

Letztendlich gebe es eine vollständige Gerechtigkeit nicht. Bei einer zentralen Schule ist die Gerechtigkeit in der Schulform selbst gegeben, mit den ungleichen Wegen werde sie aber wieder relativiert. Andererseits geniessen die Schüler es zum Teil auch, mit ihren Kameradinnen und Kameraden transportiert zu werden. Transporte sind also nicht nur negativ zu werten.

Generell hofft man auf eine Schulorganisation, welche für Familien und Arbeitnehmer – und nicht zuletzt auch für die Lehrer – attraktiv ist, um dem allgemeinen Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Auf die Ergebnisse der öffentlichen Mitwirkung und das weitere Vorgehen der Kommission Schulstrategie Saanen darf man jedenfalls gespannt sein.





 


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