Erst die Ohren, dann die Herzen geöffnet

  30.11.2021 Saanen, Kultur, Musik, Vereine

Ein Adventskonzert ohne die üblichen Vorweihnachtslieder, dafür mit ganz viel Klassik, Filmmusik und unglaublichen Solisten, präsentierte die Musikgesellschaft Gstaad am Sonntag. Mit diesem Konzert nahm der langjährige Dirigent Dominik Ziörjen Abschied von der Musikgesellschaft Gstaad.

JENNY STERCHI
Erfreulich viele Gäste hatten auf den Bänken in der Kirche Saanen Platz genommen, nachdem sie sich den Schnee von den Schuhen und Mänteln geklopft hatten.

Energiegeladen
Die Musikerinnen und Musiker der Musikgesellschaft Gstaad entlockten ihren glänzenden Instrumenten ein vielfältiges Klangerlebnis. «A Triumphant Fanfare» von Franco Cesarini, einem zeitgenössischen Schweizer Komponisten, flog den Zuhörenden zu Beginn um die Ohren. Und damit hatte das Orchester das Publikum «erwischt». Die Kraft der Blechbläser, gepaart mit präzisen Paukenschlägen und den feineren Linien der Querflöten, fanden sofort den Weg in die Ohren des Publikums – ein emotionsloser Pflock, wen diese unbeschreibliche Energie nicht berührte.

«Prelude» aus Giuseppe Verdis «La Traviata», offensichtlich vielen Menschen geläufig, trieb manch einen dazu, mehr oder weniger mitzuschwingen. Die Musikgesellschaft interpretierte das häufig von Streichern gespielte Stück charmant und wunderbar abgestimmt.

Lebhafte Moderation
Marianne Kellenberger führte nicht einfach nur durch das Programm. Zu jedem der Stücke hatte sie sich spannende Details zu Komponisten und Inhalten herausgesucht. Die Geschichte der Kurtisane Violetta, der Hauptfigur in der Oper «La Traviata», riss die Moderatorin Kellenberger so geschickt an, dass der eine oder andere daheim sicher recherchierte, um zu erfahren, wie sie ausgeht.

Sie bekannte sich auch als Fan des Familienfilms «How to train a dragon» und verstand es, die Handlung minimalistisch und gleichwohl hinreissend zu beschreiben. Bei der Filmmusik dazu – ein unglaubliches Feuerwerk der Musikgesellschaft Gstaad– wurde das Ensemble hervorragend von den «Juniors» – dem Orchesternachwuchs – unterstützt.

Festival der Solistin und Heimwehsaaner
Die Klarinette wird häufig als «eigensinnig» und «laut» beschrieben. Die Solistin Rita Walker, auch als Lehrkraft an der Musikschule Saanenland-Obersimmental tätig, bewies eindrücklich, dass es auch ganz anders geht. Scheinbar leichthändig bewegte sie ihr Instrument durch schnelle Läufe, lang gehaltene Akkorde mit dem Orchester und eingängige Passagen. Und dabei war sie weder laut noch eigensinnig, sondern einfach klasse.

Die Gesangssolistin Dea Müller, die mit der Arie «Ah fors’é lui» aus Verdis «La Traviata» brillierte, hat das Saanenland für ein Studium in Zürich verlassen. Den Gesang und ihre stimmliche Ausbildung behält sie jedoch im Auge und im Griff. Im Akademischen Chor Zürich und mit Martina Menzi-Jankova als Gesangslehrerin an ihrer Seite bleibt sie bei der Musik.

So kräftig und ausgereift ihre Stimme noch in der Arie klang, so anbetend und zart trug Dea Müller das «Ave Maria» von Giulio Caccini vor. Mit «I dreamed a dream» machte sie einen Ausflug ins Musicalfach. Bei dem Stück aus «Les Misérables» war die junge Stimme in ihrem eigenen Charakter zu hören und verzauberte auch damit.

Doch am Wochenende kehrt die Biomedizinstudentin Dea Müller genauso gern heim wie der viel beschäftigte Musiker und Dirigent Dominik Ziörjen.

«Time to Say Goodbye»
Seit 2014 stand er als Dirigent vor der Musikgesellschaft Gstaad und war schon lange vorher als Trompeter Teil des Ensembles. Seine vielen Engagements ausserhalb des Saanenlandes fordern viel Energie. Und so hat er beschlossen, die musikalische Leitung der Musikgesellschaft Gstaad in die Hände eines neuen Dirigenten oder einer Dirigentin zu legen. Wer den Taktstock übernehmen wird, kann noch nicht gesagt werden. Aber die Musikerinnen und Musiker versicherten, dass die Abklärungen für die Nachfolge bereits laufen und positive Ausblicke erlauben.

Ein souveräner und zielstrebiger Ensembleleiter nahm mit diesem Adventskonzert Abschied von der Musikgesellschaft Gstaad. Sie dankten ihm für seine Hingabe und Geduld nicht nur bei der Arbeit als Dirigent. Ein überaus passendes musikalisches «Adieu» war das Stück «Time to Say Goodbye», das die Musikgesellschaft Gstaad und Dea Müller als Zugabe präsentierten.

Ganz verschwindet Ziörjen aber nicht aus der Musikszene im Saanenland. Er ist weiterhin als Lehrkraft an der Musikschule Saanenland-Obersimmental tätig.


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