Otto Tritten – süss-sauer und nie zu spät

  05.11.2021 Saanen, Gemeinde, Volkswirtschaft, Tourismus, Saanenland, Porträt

Otto Tritten war über 30 Jahre im Werkhof Mettlen angestellt. Als Mitarbeiter erkannte er bald das Optimierungspotenzial und empfahl sich so für den Posten des Betriebsleiters. Wer ist der Mann, der im letzten August pensioniert wurde?

JENNY STERCHI
Der Schnee kommt immer näher. Einer, der in den letzten 31 Jahren in den Wochen vor Wintereinbruch sorgsam den Einsatz der Schneeräumfahrzeuge organisierte, hat sich im vergangenen Sommer in den Ruhestand verabschiedet. Strassenreparaturen, Mäharbeiten, Winterdienst, Beschilderung, Fuhrparkpflege – das alles hatte Otto Tritten als Betriebsleiter von Saanen auf dem Zettel.

Vom Winter gefordert und fasziniert
Über drei Jahrzehnte befreite Otto Tritten die Strassen des Saanenlandes mit einem starken Team von Schnee und Eis. Als Betriebsleiter war er der Dirigent der vielen Schneepflüge, Fräsen und Lastwagen, die bei winterlichen Strassenverhältnissen ausrückten, um möglichst vor Tagesanbruch und Berufsverkehr die Strassen geräumt zu haben. Dabei rechnete er mit jedem Fahrzeug, – vom Motormäher bis zum Lastwagen – an das ein Schneepflug montiert werden konnte. Für Otto Tritten schellte dann jeweils zwischen 3.15 Uhr und 4 Uhr der Wecker, denn nichts lag ihm ferner, als seine Vorbildfunktion auszublenden. Er hielt die Fäden in der Hand, das Zusammenspiel der Fahrer garantierte Effizienz und die volle Verantwortung lag bei ihm. «Ich bin dankbar für das, was ich mit meinen Schneeräumern alles erleben durfte.»

Trittens Eigenschaft, laut und bestimmt zu sein, brachte ihm den Namen «Militärkopf» ein. Genau dort, im Militär und in der Feuerwehr habe er gelernt, ein Team zum Funktionieren zu bringen. Nichts anderes tat er mit seinen Mitarbeitern. Jeder weiss, dass es sich in einem harmonierenden Team gut und gern arbeiten lässt. Der Winter habe ihn und sein Team immer gefordert, ob er nun viel oder wenig Schnee brachte.

Als Otto Tritten, ein junger Mann aus der Lenk, im Oktober 1989 auf dem Werkhof zu arbeiten begann, blieb der Schnee zunächst aus. «Statt Schnee räumten wir einen Holzschlag im Grischbach», weiss Tritten noch genau.

Ganz anders im Winter der Jahrtausendwende. Nachdem der Orkan «Lothar» gewütet hatte, wurde das Land mit Schnee zugedeckt. Trittens Daheim in Lauenen war auf dem Landweg nicht mehr zu erreichen. Um schnell im Einsatz sein zu können, suchte er sich während der Tage des Ausnahmezustandes eine Bleibe in Saanen, die er glücklicherweise bei Familie Markus Oehrli fand. Die Schneemassen liessen Otto Tritten, dem das Schneeräumen die liebste Tätigkeit war, 300 Stunden auf seiner Schneefräse verbringen. Die Pausen nutzte er, um die Einsatzpläne für die Strassenüberwachung der Feuerwehr Lauenen zu organisieren. «Im Durchschnitt waren die Fräse und ich während eines normalen Winters jeweils zwischen 80 und 120 Stunden im Einsatz».

Der Einsatz mit dem Eispickel auf den damals noch stark befahrenen Dorfdurchfahrten in Gstaad und Saanen war kein Spaziergang. Dieses Problem wurde mit der Dorfumfahrung 1997 zwar gelöst, aber ein Neues tat sich auf: Gstaader Promenade räumen oder nicht? Die autofreie Flaniermeile bot sich für den Bummel im Schnee geradezu an. Aber die klimatischen Veränderungen, die Otto Tritten ganz klar beobachtete, machten dieses Unternehmen zunehmend schwierig. Zunächst wurde noch Schnee zur Promenade geführt, wenn die Menge vor Ort für eine brauchbare Unterlage nicht reichte. Gefrierender Schneematsch konnte nicht das Ziel sein. Bis heute sei die Entscheidung, ob geräumt werde soll oder nicht, eine sehr schwierige Angelegenheit. «Und am Ende macht man es dann doch nicht allen recht», schlussfolgert der erfahrene Tritten.

Mehr Charakterkopf als Streithahn
Laut wurde es auch, wenn er nicht angehört wurde. Verschiedene Bauverwalter – seine Schnittstelle mit der Gemeindeverwaltung Saanen – sah er kommen und gehen. Mit den einen lief es sehr gut, mit anderen ging es irgendwie. Otto Tritten ist ein Mensch, der seine Überzeugungen hat, schon immer.

«Natürlich liess ich mich auch umstimmen, wenn die Argumente stichhaltig und klar waren.»

Auch auf dem Posten des Leiters Infrastrukturen, dem direkten Vorgesetzten des Werkhofleiters, gab es nicht nur einen Personalwechsel während Trittens über 30-jähriger Amtszeit. «Und doch hatte ich zu jeder Zeit Rückendeckung durch die Verwaltung, wenn über den Werkhof und seine Mitarbeiter reklamiert wurde, ob nun gerechtfertigt oder nicht», betont Otto Tritten anerkennend.

Die Ansprüche gegenüber den Werkhofmitarbeitern haben sich in der Vergangenheit merklich verändert. «Die zum Teil sehr individuellen Anforderungen und Befindlichkeiten aus der Bevölkerung versetzten mich mitunter schon in Staunen», fasst er diplomatisch zusammen. Aber die Nörgeleien, vor allem die grundlosen, hätten in letzter Zeit schon Motivation verschlungen. Umso schöner war es, manches Lob entgegenzunehmen. Wichtig war ihm während seiner gesamten Amtszeit, mit Pflichtbewusstsein und Bereitschaft für den Werkhof und seine Mitarbeiter ein gutes Image aufzubauen. Der von ihm geführte Werkhof wurde mehr als einmal als Vorzeigebetrieb genutzt.

Das kam aber nicht von allein. Es brauchte den lösungsorientierten Tritten, der seine Unzufriedenheit mit einem Ergebnis ebenso unmissverständlich ausdrücken konnte wie sein Lob für einen gelungenen Arbeitsschritt. «Jemand sagte mir, ich sei ein süss-saurer Charakter», sagt Tritten schmunzelnd und freut sich darüber, dass seine Art des Umgangs anerkannt wird.

Sein Durchsetzungswillen und seine Direktheit brachten ihm neben der Arbeit einige Nebenämter ein. Ob als Präsident des Altersheims in Lauenen, Mitglied der Kirchgemeinde, in der Feuerwehr – vom Rohrführer bis zum Kreisfeuerwehrinspektor – sorgte sein Engagement sowohl für rote Köpfe als auch für zufriedene Gesichter.

Für Otto Tritten ist Pünktlichkeit von grosser Bedeutung. Er, der nie verschlief und nie zu spät kam, verlangte auch Pünktlichkeit von seinen Mitarbeitern und hier liegt wohl das Geheimnis eines eingespielten und optimal funktionierenden Teams. «Die beste Gelegenheit, um all den Werkhofmitarbeitern merci zu sagen», findet der Neurentner.

Und im Sommer?
Da drehte Otto Tritten sicher nicht Däumchen. Es galt, 300 Kilometer Wanderwege und etwa 100 Kilometer Strassen samt Trottoirs sowie Plätze zu unterhalten. Das Sauberhalten der Infrastruktur (Parkhäuser, Tunnel, Promenade und Kehrichtplätze) war ihm sehr wichtig. «Damit hinterlassen wir als Gemeinde bei den Menschen den ersten Eindruck», ist Otto Tritten überzeugt. «Das ist die Visitenkarte der Region.» Aber für ihn spielt die Nachhaltigkeit eine ebenso wichtige Rolle. «Eine in Auftrag gegebene Studie über die Werterhaltung unserer Strassen bescheinigte uns mit der Note ‹hoher Standard› ein erfreuliches Resultat.» «Die zunehmende Mechanisierung machte einerseits verschiedene Arbeitsgänge um einiges effizienter und leichter», beschreibt Tritten die Entwicklung auf dem Werkhof. «Andererseits muss nun viel Zeit in die Instandhaltung des Fahrzeugparks investiert werden. Es gibt doch nichts Ärgerlicheres, als ein Werkzeug oder eine Maschine zur Hand zu nehmen, um dann festzustellen, dass sie nicht funktioniert.»

Die Sommermonate waren der richtige Moment für Belags- und Markierungsarbeiten sowie die Grünpflege. «Alles sehr wetterabhängig. Mit Infotafeln, die wir Tage vorher aufstellten, wiesen wir die Wegbenutzer auf die kommenden Einschränkungen hin.» Mit den Unaufmerksamen wurde es dann manchmal schwierig. «Sie standen vor der Sperrung und fluchten», erinnert sich Otto Tritten an manche Respektlosigkeit ihm und seinen Mitarbeitern gegenüber. «Trotzdem versuchten wir auf die Landwirte und andere Strassenbenutzer Rücksicht zu nehmen und begannen, uns mit SMS zu helfen.»

Und was kommt jetzt?
Von denen, die in den Ruhestand treten, wird zumeist Ausruhen als neue Tagesbeschäftigung erwartet. «Ja, genau das habe ich mir vorgenommen», entgegnet Otto Tritten auf diese Frage überraschend. «Für mich war immer klar, lieber als junger Mensch mehr als hundert Prozent zu geben und dann im Pensionsalter auch wirklich aufzuhören.» Überall noch ein bisschen dabei zu sein, aber nichts Rechtes mehr zu bewegen, ist für ihn keine Option. Schwer vorstellbar, dass der Mann, der in der Vergangenheit mit Leidenschaft und scheinbar unerschöpflicher Energie in seinen verschiedenen Aufgaben aufging, einfach so ausruhen wird. «Ich bin gespannt, wie der Winter wird, so ohne Räumverpflichtung.»

Die Geschicke des Betriebsleiters Werkhof Mettlen – so die offizielle Stellenbezeichnung – hat Otto Tritten im letzten August an Christian Brand übergeben. Nicht etwa von einem Tag auf den andern. Mehrere Wochen nutzten Tritten und Brand für die Übergabe. «In zahllosen, aber gut sortierten Ordnern habe ich jede Tätigkeit dokumentiert», sagt Tritten nicht ohne Stolz. Für den neuen Stelleninhaber Brand wertvolle Ressourcen, zu denen er Sorge tragen wird. «Und wenn ich einmal nicht fündig werde, dann ist Otto immer noch da, zwar nicht auf dem Werkhof, aber doch erreichbar», hofft der neue Werkhofleiter.

 


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