Sieben Millionen Franken für die ARA

  30.11.2021 Saanen, Politik, Gemeinde, Volkswirtschaft

Einige Anlageteile der ARA Saanen müssen zwingend saniert und erneuert werden. Zusätzlich sollen die Kapazität und die Betriebssicherheit der Schlammfaulung mit dem Bau eines zweiten Faulturms erhöht werden. Dafür soll der Souverän an der kommenden Gemeindeversammlung einer Erhöhung des Investitionskredits um knapp 7 Millionen Franken zustimmen.

KEREM S. MAURER
Seit 1983 sind die ältesten Anlageteile der ARA Saanen, die im Erstbau als konventionelle Belebtschlammanlage erstellt worden war, in Betrieb. Die Biologie wurde damals mit nur einer Reinigungsstrasse und einer Belastungsgrenze von 18’000 Einwohnergleichwerten (EW) gebaut. In den letzten Jahrzehnten wurde die Anlage kontinuierlich erweitert und modernisiert. Zuletzt erfolgte ein grosser Ausbau zwischen 2002 und 2005 (siehe Kasten). Mittlerweile ist die biologische Reinigung der ARA Saanen auf zwei Strassen ausgebaut und für 30’000 EW bei einem täglichen Trockenwetteranfall von 11’500 Kubikmetern Abwasser dimensioniert worden.

Tendenziell zu klein
Zu den Bauteilen der ersten Stunde gehören der Faulturm und der Gasometer. Beide Anlageteile müssen dringend saniert werden. Die geplante Erweiterung mit einem zweiten Faulturm hat laut ARA-Betriebsleiter Ueli Mösching noch einen weiteren Zweck. In der Hochsaison stosse der bestehende Faulturm mit einem Inhalt von 1200 Kubikmetern an seine Kapazitätsgrenzen. Durch die extremen Belastungsschwankungen beim Übergang von der Zwischen- in die Hochsaison hätten die Bakterien zu wenig Zeit und Kapazität, um sich den veränderten Bedingungen anzupassen, erklärt Mösching und ergänzt: «Die organischen Säuren nehmen dann dramatisch zu. Wird auf betrieblicher Seite nicht rechtzeitig reagiert, droht ein Totalausfall der Schlammfaulung mit entsprechenden finanziellen Konsequenzen bei der Schlammentsorgung und dem weiteren Betrieb.» Zudem sei mit nur einem Faulturm die Betriebssicherheit ungenügend. Der Gasometer hat mit einer Betriebszeit von heute 38 Jahren seine Lebensdauer erreicht, muss ersetzt werden und wird an einem anderen Standort neu erstellt. Die Gasinfrastruktur inklusive Gasfackel wird saniert und zu einem grossen Teil ersetzt. Nach dem Rückbau des alten Gasometers wird an dessen Stelle der zweite Faulturm gebaut. Die bestehende Faulung kann nach Inbetriebnahme des neuen Faulturms saniert werden und seine Aufgabe weitere vierzig Jahre erfüllen. Ausserdem soll im neuen Zwischengebäude ein zusätzlicher Lagertank für Co-Substrat – sprich Speisereste – erstellt werden. Alles zusammen eine grosse Sache, deren grösste Herausforderung es laut Ueli Mösching sein wird, den reibungslosen Betrieb während der erwarteten Bauzeit von rund drei Jahren aufrechtzuerhalten.

Bakteriell umsetzbar
«Die Bakterien in der Abwasserreinigungsanlage sind die wichtigsten Mitarbeiter», sagt der stellvertretende Betriebsleiter der ARA Saanen, Martin Vonlanthen. Wenn er von «seinen» Mikroben spricht, tut er das mit einer geradezu spürbaren Liebe in der Stimme. Er betont: «Nur wenn es den Bakterien gut geht, funktioniert die ganze Biologie.» Man merkt, das Wohl der Bakterien liegt ihm am Herzen und er würde alles in seiner Macht stehende tun, damit das so bleibt. Würde er denn das Wasser, das nach dem biologischen Reinigungsprozess gesäubert der Saane zugeführt wird, auch trinken? «Gefiltert und abgekocht auf jeden Fall», sagt er lachend und weist darauf hin, dass Chemikalien, die beispielsweise aufgrund von Medikamenteneinnahmen ins Abwasser gelangen, von der ARA bislang nicht herausgefiltert würden. Doch dies stelle infolge des Verdünnungsfaktors des Fliessgewässers, dem das Abwasser zugeführt wird, kein Problem für die Natur dar. Wie wir in unserer Zeitung schon berichtet haben, bestätigen offizielle Messungen diese Aussage. Gegenwärtig liest man oft von weggeworfenen Schutzmasken, die achtlos in der Natur entsorgt würden und letztlich im Abwasser landeten. Ist das auch in der ARA Saanen ein Problem? Diese Frage verneint der stellvertretende Betriebsleiter. Die Corona-Masken, die er bislang aus der Anlage habe fischen müssen, könne er an einer Hand abzählen.

Finanziell tragbar
Es geht eben nichts über sauberes Wasser. Die Finanzkommission von Saanen erachtet dieses Projekt aufgrund der vorhandenen Bestände in den betroffenen Spezialfinanzierungen trotz der hohen Kosten als finanziell tragbar. Der vom Gemeinderat für die Ausarbeitung eines Vor- und Ausbaubauprojekts bewilligte Kredit von 470’000 Franken soll jetzt um den Betrag von 6’930’000 Franken auf total 7,4 Millionen Franken erhöht werden. Der Gemeinderat beantragt an der Gemeindeversammlung vom 3. Dezember, dieser Erhöhung zuzustimmen. Falls der Erhöhung zugestimmt wird – und davon geht man aus –, soll im Herbst 2022 die Planungs- und Bewilligungsphase abgeschlossen sein. Unter Berücksichtigung der prognostizierten Bauzeit von drei Jahren könnten die Bauarbeiten im Herbst 2025 abgeschlossen sein. 


AUSBAU ARA ZWISCHEN 2003 UND 2005

Folgende Projekten wurden für den Betrag von 12,5 Millionen Franken realisiert:
– Neubau Regenbecken
– Ersatz Rechenlage
– Verkürzung der Vorklärbecken, Umnutzung der frei gewordenen Beckenvolumen als Polyvalentzone
– Neubau zweite Biologie mit Nachklärbecken
– Sanierung alte Becken
– Stilllegung und Demontage der Rottenanlage
– Ersatz Schlammentwässerungsanlagen
– Neubau Schlammmuldenhalle
– Umnutzung alter Chemikalientanks zu Prozesswasserstapel
– neue Chemikalientanks mit Dosieranlage
– Einbau Annahme und Verwertung Speisereste
– Ersatz Blockheizkraftwerke
– Sanierung Gasometer inklusive ganzer Gasanlage
– Ersatz diverser Pumpen, Armaturen etc.
– Erneuerung der gesamten Mess-, Steuer- und Regeltechnik


WAS GESCHIEHT IM FAULTURM?

Als Faulturm bezeichnet man in der Abwasserbehandlung einen meist rund gebauten Behälter. Darin wird der anfallende Klärschlamm – das sind rund 9000 Kubikmeter pro Jahr im Saanenland – kontrolliert und gesteuert ohne Vorhandensein von Luft, also anaerob, dem Fäulnisprozess zugeführt. Dabei gewinnen Bakterien die für ihren Stoffwechsel erforderliche Energie aus der Umsetzung der organischen Kohlenstoffverbindungen in organische Säuren und in weiterer Folge auch in Methan, Kohlendioxid und Kohlenwasserstoffe. Diese Gase werden schliesslich im Gasometer gelagert, bis sie in den betriebseigenen Blockheizkraftwerken mittels Generatoren in elektrische Energie umgewandelt werden. So produziert die ARA Saanen letztlich mehr Strom, als sie selber verbraucht.


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