Das Sportgerät an den Nagel gehängt!

  30.11.2021 Serie

In unserer Reihe «Aus früheren Zeiten» erzählen Leser/innen Episoden – Geschichtliches, Erlebtes, Erinnerungen – aus früheren Zeiten.

Andreas Däscher war ein erfolgreicher Schweizer Skispringer. Er war mehrfacher Schweizermeister und Olympionike. Er nahm auch an Skispringen im Saanenland teil und sein zu Beginn aussergewöhnliche Sprungstil wurde 1958 nach einer Reglementsänderung zum Massstab. Im Jahr 2014 traf Eugen Dornbierer-Hauswirth den damals 87-jährigen Andreas Däscher zum Interview. Nachfolgend ein Auszug daraus.

Andreas Däscher, wie kamen Sie zum Skispringen?
Meine Kinderjahre erlebte ich in Clavadel-Davos. Auf 1500 m ü.M. hatten wir strenge, lange Winter. Wir waren etwa 15 Buben, die sich gegenseitig anspornten. Wir sprangen über jeden Hügel, über Strassenböschungen und verglichen die Sprungweiten. Jeder wollte der Beste sein. Trainer oder Jugendleiter hatten wir nicht. Wir lernten voneinander.

Waren Sie in der JO?
Ja, nachdem ich mehrere Jugendspringen gewonnen hatte, teilte mich der Skiklub Davos in die Renngruppe ein. Als deren Mitglied durfte ich die Bergbahnen und Skilifts gratis benützen, allerdings nur für Trainingszwecke!

Sprechen wir über die technische Entwicklung im Skispringen.
Das ist eine lange Geschichte. In St. Moritz, wo wir für die Olympischen Spiele trainierten, sagte man mir immer, ich solle endlich die Arme nach vorne halten, mit diesen schwingen so wie alle anderen Skispringer. Das wollte ich auch, versuchte es immer wieder, aber ich konnte es nicht. Es ging einfach nicht. Meine Armführung passte niemandem! Die Kritiker hatten schon recht, denn im Reglement stand schwarz auf weiss: «Mit leicht schwingenden Armen vor dem Körper.»

Wann wurde das Reglement geändert?
Auch das ist eine lange Geschichte. Ich sprang weit, wurde aber immer bestraft wegen meines unmöglichen, nicht reglementkonformen Stils. Dann kam Dr. Reinhard Straumann*, ein Schweizer Flugzeugingenieur und ehemaliger Skispringer aus Waldenburg, und sagte, mein Stil wäre der richtige, so müsse man Skispringen, das sei wissenschaftlich erwiesen. Professor Straumann fragte mich, ob ich einverstanden wäre, in den Windkanal zu kommen.

Und, waren Sie einverstanden?
Ja. Im Windkanal in Emmenbrücke übten und pröbelten wir eine bis zwei Wochen lang. Konstrukteure und Ingenieure, oft waren zwanzig anwesend, massen und erfassten eine Unmenge von Daten. Professor Straumann war sehr zufrieden mit den Ergebnissen. Er sagte, die Verbandsfunktionäre müssten das Reglement endlich ändern. Aber das dauerte! Erst im Jahr 1958 beschloss der Internationale Skiverband FIS eine Reglementsänderung und erklärte den Däscher-Stil für die Punktrichter als Massstab.

Sie waren in der Zeit von 1950 bis 1961 neunmal Schweizermeister und nahmen an vier Olympischen Winterspielen teil: St. Moritz 1948, Oslo 1952, Cortina dAmpezzo 1956 und Squaw Valley 1960. Sind Sie auch in Gstaad gesprungen?
Ich sprang sehr gerne in Gstaad. Ich kannte die einheimischen Springer, nette Burschen. Die Montgomery-Springen gefielen mir besonders gut. Auch die Mattenschanze lag mir. Herr von Siebenthal war ein sehr grosszügiger Gastgeber und die Party im Hotel Palace, an die wir von Feldmarschall Montgomery eingeladen wurden, war grandios.

Mögen Sie sich an etwas Spezielles in Zusammenhang mit dem Skispringen in Gstaad erinnern?
Ja, schon: an den Adelbodner Ruedi Bärtschi, mit dem ich bis zu seinem Tod gut befreundet war, dann an die stets freundlichen Norweger und an den talentierten Hanskurt Hauswirth, dem ich nach meinem letzten Springen meiner 17 Jahre dauernden Karriere am Sonntag, 12. Februar 1961 meine Sprungski schenkte. Ich glaube, Hanskurt wurde Tierarzt**.

EUGEN DORNBIERER-HAUSWIRTH

* Ingenieur Reinhard Straumann war der Grossvater des ehemaligen Besitzers des Hotels Le Grand Bellevue Gstaad, Thomas Straumann. Dessen Söhne Etienne und Sergei waren sehr erfolgreiche Nachwuchsspringer.

** Andreas Däschers Vermutung ist richtig: Dr. Hanskurt Hauswirth eröffnete am 1. März 1968 seine Tierarztpraxis in Gstaad.

Wissen auch Sie noch Begebenheiten aus früheren Zeiten? Zögern Sie nicht, greifen Sie zur Feder und schreiben Sie uns: «Anzeiger von Saanen», Redaktion, Kirchstrasse 6, 3780 Gstaad, oder per Mail: redaktion@ anzeigervonsaanen.ch

 


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